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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.56/2005 /gnd 
 
Urteil vom 3. Juni 2005 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Kolly, Karlen, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Stefan Escher, 
 
gegen 
 
Y.________ 
Beschwerdegegner, vertreten durch Advokat Beat Rieder, 
 
Gegenstand 
Üble Nachrede (Art. 173 StGB), 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Wallis, Strafgerichtshof I, vom 19. Januar 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Bei der Tierkadaverstelle in Reckingen wurde am 25. November 1998 ein toter Wolf aufgefunden. Die Behörden eröffneten in der Folge gegen M.________ und Y.________ eine Strafuntersuchung wegen Jagdvergehens. Der Untersuchungsrichter stellte sie am 7. Dezember 2000 ein. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hob das Kantonsgericht Wallis die Einstellung gegenüber Y.________ auf und verlangte eine Abklärung, ob die Blutspritzer, die in dem von ihm benutzten Firmenwagen gefunden wurden, vom Wolf stammten. Das darauf eingeholte Gutachten vom 28. November 2001 ergab, dass die Blutspuren im Personenwagen vom toten Wolf stammten. Inzwischen hatte allerdings S.________ den Abschuss des Wolfs gestanden. Der Untersuchungsrichter schloss nicht aus, dass die fraglichen Blutspuren durch das Hantieren mit Bottichen aus der Tierkadaverstelle oder auf andere Weise in das Fahrzeug gelangt waren, und stellte fest, Y.________ könne auch kein Versuch einer gegen das Jagdgesetz verstossenden Aneignung des toten Wolfs vorgeworfen werden. Dementsprechend stellte er das Strafverfahren gegen diesen am 13. Dezember 2002 ein. 
 
Während der erwähnten Strafuntersuchung erzählte X.________ am 22. Februar 2001 im Verlaufe der Festlichkeiten zum "fetten Donnerstag" G.________ im Hotel Tenne in Gluringen, dass Y.________ den toten Wolf in seinen Jeep gehoben habe, um ihm das Fell abzuziehen. Da ihm dies dann aber "zu heiss" geworden sei, habe er von diesem Vorhaben wieder abgesehen und das tote Tier am alten Ort - bei der Tierkadaverstelle in Reckingen - abgelegt. 
 
Wegen dieser Äusserung reichte Y.________ gegen X.________ Strafanzeige wegen Verleumdung evtl. übler Nachrede beim Untersuchungsrichteramt Oberwallis ein. Das Bezirksgericht Goms sprach X.________ am 24. Mai 2004 von der Anschuldigung der üblen Nachrede frei. Die von Y.________ dagegen erhobene Berufung hiess das Kantonsgericht Wallis am 19. Januar 2005 gut und verurteilte X.________, der den Wahrheits- bzw. Gutglaubensbeweis nicht erbringen konnte, wegen übler Nachrede zu einer Busse von Fr. 500.--. 
B. 
X.________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde beim Bundesgericht. Er beantragt, es sei das Urteil des Kantonsgerichts vom 19. Januar 2005 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an diese Instanz zurückzuweisen. 
 
Das Kantonsgericht verzichtet auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. Eine Vernehmlassung des Beschwerdegegners wurde nicht eingeholt. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Nach Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP sind im Rahmen der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz richten, unzulässig. Auf das Rechtsmittel des Beschwerdeführers ist daher nicht einzutreten, soweit er sich gegen die Feststellung wendet, gewusst zu haben, dass das von ihm geschilderte Verhalten jagdrechtlich strafbar sei. Das Gleiche gilt für die Kritik, die er im Zusammenhang mit dem Verzicht auf den Strafantrag an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung übt. 
2. 
Nach Auffassung des Beschwerdeführers verletzt seine Verurteilung wegen übler Nachrede Bundesrecht. So erfülle seine Äusserung gegenüber G.________ den Tatbestand von Art. 173 StGB weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht. Zudem übersehe die Vorinstanz, dass der Beschwerdegegner auf einen Strafantrag in dieser Sache verzichtet habe und darauf gemäss Art. 28 Abs. 5 StGB nicht zurückkommen könne. Schliesslich weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass es unbefriedigend sei, ihn wegen der Äusserung am Fastnachtsanlass zu verurteilen und nur für die spätere Wiederholung der gleichen Aussage bei der Zeugeneinvernahme einen Rechtfertigungsgrund zu bejahen. Denn ohne die Wiederholung vor den Behörden hätte der Beschwerdegegner kein Verfahren wegen Ehrverletzung angestrengt, nachdem er seine am "fetten Donnerstag" gemachte Aussage zurückgenommen und sich dafür entschuldigt habe. Der Beschwerdeführer legt aber nicht dar, dass der angefochtene Entscheid in dieser Hinsicht bundesrechtswidrig wäre. Dasselbe gilt, soweit er sich zum misslungenen Entlastungsbeweis äussert. Auf diese zwei Punkte ist daher nicht weiter einzugehen, zumal nicht ersichtlich ist, dass das angefochtene Urteil insoweit Bundesrecht verletzt. 
3. 
Nach Art. 173 Ziff. 1 StGB macht sich der üblen Nachrede schuldig, wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt. 
3.1 Die Vorinstanz erachtet die Äusserung des Beschwerdeführers, der Beschwerdegegner habe den toten Wolf in seinen Wagen gehoben, um ihm das Fell abzuziehen, als ehrverletzend. Sie verweist darauf, dass nach Art. 17 Abs. 1 des eidgenössischen Jagdgesetzes (JSG; SR 922.0) sich unter anderem strafbar macht, wer ohne Berechtigung Tiere jagdbarer und geschützter Arten, wozu der Wolf gehört, jagt oder tötet (lit. a) oder lebende oder tote Tiere, von denen er weiss oder annehmen muss, dass sie durch strafbare Handlung erlangt worden sind, in Gewahrsam nimmt oder verheimlicht (lit. d). Mit der fraglichen Aussage habe der Beschwerdeführer den Beschwerdegegner eines strafbaren Verhaltens im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. d JSG bzw. eines Versuchs dazu bezichtigt, was ehrverletzend sei. 
 
Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, dass ein unbefangener Dritter in der inkriminierten Äusserung nichts Unehrenhaftes erblicken könne. Denn es werde ja gerade nicht der Eindruck erweckt, dass der Beschwerdegegner den Wolf abgeschossen habe. Zudem komme ein unbefangener Dritter nie auf die Idee, dass das vom Beschwerdeführer erwähnte Verhalten einen Straftatbestand erfüllen könnte. Dies sei ja nicht einmal dem Untersuchungsrichter bewusst gewesen, habe er doch das Verfahren gegen den Beschwerdegegner eingestellt, und er habe vom Kantonsgericht darauf hingewiesen werden müssen, dass auch das Behändigen eines toten geschützten Tieres nach der bereits zitierten Bestimmung strafbar sei. 
3.2 Bei der Beurteilung, ob einer Äusserung ein ehrverletzender Charakter zukomme, ist vom Sinn auszugehen, den diese für eine unbefangene Drittperson unter den gegebenen Umständen hat. Nicht massgebend ist dagegen, wie die Äusserung vom Adressaten verstanden wurde (BGE 128 IV 53 E. 1a S. 58). Ausserdem ist der Gesamtzusammenhang zu beachten, in dem eine Aussage erfolgt. Massgeblich ist nicht nur der Sinn, den eine Äusserung für sich allein genommen hat, sondern auch jener, der sich aus dem Kontext ergibt, in dem sie steht (BGE 128 IV 53 E. 1e S. 60; 124 IV 162 E. 3b/bb S. 167). 
 
Im Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Äusserung machte, war der tot aufgefundene Wolf ein viel diskutiertes Thema in der Bevölkerung des Obergoms. Auf Grund der damaligen Ermittlungen hatte nicht herausgefunden werden können, wer den Wolf erlegt hatte. Das Fernsehen SF DRS strahlte daher - nur wenige Tage vor der fraglichen Äusserung des Beschwerdeführers - in der Rundschau einen Beitrag zu diesem Thema aus. Die Vorinstanz hält zu Recht fest, dass in dieser besonderen Situation die Aussagen des Beschwerdeführers den Beschwerdegegner wieder mit den Ermittlungen zum Wolfsabschuss in Verbindung brachten, nachdem der Untersuchungsrichter die Strafuntersuchung gegen den Letzteren nur kurze Zeit zuvor eingestellt hatte. Es mag zwar sein, dass eine mit der Jagd nicht vertraute Drittperson das vom Beschwerdeführer geschilderte Verhalten nicht als strafbare Handlung bzw. als Versuch zu einer solchen zu erkennen vermag. Doch wurde der Beschwerdegegner auch für eine solche Person durch die Äusserung des Beschwerdeführers wieder in den Zusammenhang der Strafuntersuchung wegen des Wolfsabschusses gerückt. Dieser brachte zudem in seiner Äusserung selber zum Ausdruck, dass das Verhalten des Beschwerdegegners zu missbilligen sei, sagte er doch, dieser habe nur darauf verzichtet, dem toten Wolf das Fell abzuziehen, weil es ihm "zu heiss" geworden sei. Die fragliche Äusserung erschien damit selbst für eine nicht mit der Jagdgesetzgebung vertraute Drittperson als ehrverletzend. Nach der Rechtsprechung ist es nicht erforderlich, dass das vorgeworfene Verhalten aus der Sicht des durchschnittlichen Adressaten einen Straftatbestand erfüllt (BGE 117 IV 27 E. 2d S. 30). 
 
Im vorliegenden Fall kommt freilich hinzu, dass der Beschwerdeführer die Äusserung bewusst gegenüber einem Jägerkollegen getätigt hat, der nach den vorinstanzlichen Feststellungen die erwähnten Gesetzesbestimmungen kannte. Für eine unbefangene, aber mit dem Jagdgesetz vertraute Person war indessen ohne weiteres erkennbar, dass das Verhalten, dessen der Beschwerdeführer am "fetten Donnerstag" den Beschwerdegegner bezichtigte, in den Bereich der strafbaren Handlungen fällt. 
 
Die davon abweichende, in der Beschwerde vertretene Argumentation übersieht, dass bei allfällig ehrverletzenden Äusserungen auf den Sinn abzustellen ist, den ein unbefangener Adressat einer solchen unter den gegebenen Umständen - und nicht losgelöst von diesen - beimisst. Es ist daher durchaus von Bedeutung, dass die Äusserung gegenüber einem Jägerkollegen und im Übrigen in einer Situation, in welcher der Wolfsabschuss im Obergoms allgemein diskutiert wurde, erfolgte. Werden diese besonderen Umstände berücksichtigt, erscheint es nicht bundesrechtswidrig, wenn die Vorinstanz die Äusserung des Beschwerdeführers als ehrverletzend qualifiziert. Die Beschwerde erweist sich daher in diesem Punkt als unbegründet. 
4. 
Der Beschwerdeführer macht ebenfalls geltend, der Beschwerdegegner habe nach seiner Entschuldigung auf einen Strafantrag bezüglich der am "fetten Donnerstag" gemachten Aussage verzichtet. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz verletze Art. 28 Abs. 5 StGB
 
Nach den verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid hat der Beschwerdegegner nie ausdrücklich auf einen Strafantrag verzichtet. Er war lediglich bereit, die Angelegenheit gütlich beizulegen, unter dem Vorbehalt, dass die Sache dann endgültig vom Tisch sei. Die Vorinstanz nimmt zu Recht an, dass im blossen Ausbleiben einer weiteren Reaktion des Beschwerdegegners, nachdem der Beschwerdeführer sich schriftlich von seiner Äusserung distanziert und sich dafür entschuldigt hatte, noch kein Verzicht auf einen Strafantrag liege. Der Beschwerdegegner konnte daher nach der Erneuerung der fraglichen Äusserung in späteren polizeilichen Einvernahmen sein Strafantragsrecht noch ausüben. Die in der Beschwerde vertretene Auffassung, der am 4. Mai 2001 gestellte Strafantrag erstrecke sich nicht auf die am "fetten Donnerstag" gemachte Aussage, findet im Wortlaut dieses Aktenstücks keine Stütze. 
 
Die Beschwerde ist daher auch in diesem Punkt unbegründet. 
5. 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegenstandslos. 
 
Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege des Beschwerdeführers kann nicht entsprochen werden, da sein Rechtsmittel als aussichtslos zu bezeichnen ist (Art. 152 OG). Der Beschwerdeführer hat infolge seines Unterliegens die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP). Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr ist seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen (Art. 153a Abs. 1 OG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Wallis, Strafgerichtshof I, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 3. Juni 2005 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: