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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 761/05 
 
Urteil vom 15. Februar 2006 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiber Fessler 
 
Parteien 
B.________, 1947, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Zug, Baarerstrasse 11, 6304 Zug, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Zug 
 
(Entscheid vom 25. August 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1947 geborene, aus dem Ausland stammende B.________ war im Zeitraum Mai 1997 bis Januar 2000 in verschiedenen Anstellungen als Krankenschwester tätig. Ab September 2001 arbeitete sie teilzeitlich als Englischlehrerin an der Privatschule X.________. Wegen Rücken- und Schulterbeschwerden hatte sich B.________ im April 2001 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet. Nach Abklärungen sprach ihr die IV-Stelle Zug mit Verfügung vom 27. Februar 2003 vorläufig einen Teil (zwei von insgesamt zwölf Modulen) der als Fernstudium an der Universität Manchester/GB konzipierten berufsbegleitenden Umschulung zur Lehrerin in English Language Teaching (B.A. ELT) an der Fachhochschule Y.________ ab 1. März bis 30. September 2003 zu. Mit Verfügung vom 19. Dezember 2003 übernahm die IV-Stelle weitere vier Module der Ausbildung ab 1. Oktober 2003 bis 30. September 2004. Mit Zwischenbericht vom 15. September 2004 nahm die Berufsberaterin Stellung zu der von der Versicherten beantragten Übernahme der restlichen sechs Module der Umschulung zur Lehrerin in English Language Teaching an der Fachhochschule Y.________ durch die Invalidenversicherung. Mit Verfügung vom 22. September 2004 lehnte die IV-Stelle das Leistungsbegehren mit der Begründung ab, durch diese berufliche Massnahme könne die Erwerbsfähigkeit nicht wesentlich verbessert werden. Daran hielt die Verwaltung mit Einspracheentscheid vom 15. Dezember 2004 fest. 
B. 
Die Beschwerde der B.________ wies die Sozialversicherungsrechtliche Kammer des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug mit Entscheid vom 25. August 2005 ab, soweit es darauf eintrat. 
C. 
B.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen Rechtsbegehren, es seien auch die restlichen sechs Module der Ausbildung zur Lehrerin in English Language Teaching an der Fachhochschule Y.________ von der Invalidenversicherung zu übernehmen. 
 
Kantonales Gericht und IV-Stelle beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das kantonale Gericht hat zum streitigen Anspruch auf Fortsetzung der Ausbildung zur Lehrerin in English Language Teaching unter dem Titel Umschulung (Art. 8 Abs. 3 lit. b IVG sowie Art. 17 IVG und Art. 6 Abs. 1 IVV) erwogen, gemäss Auskunft der aktuellen Arbeitgeberin (Privatschule X.________) würde der Versicherten kein höherer Lohn bezahlt, wenn sie die Ausbildung abschliesse und den Bachelor of Art in English Language Teaching (B.A. ELT) erlange. Dies sei zwar wünschenswert, jedoch nicht notwendig. Mit den bisher absolvierten sechs Modulen habe sie somit bereits das erreicht, was überhaupt möglich sei. Laut Auskunft der Privatschule X.________ und gemäss Abklärungen der Berufsberaterin der IV-Stelle verlangten auch die meisten anderen Privatschulen keinen speziellen Abschluss. Sie könnte somit auch an solchen Orten Unterricht erteilen, ohne den angefangenen Lehrgang zu beenden. Ebenfalls sei die Wahrscheinlichkeit eher als gering zu bezeichnen, mit einem Abschluss der Ausbildung eine Anstellung an einer staatlichen Schule zu finden. Voraussetzung hiefür seien auch im Bereich Frühenglisch sehr gute Deutschkenntnisse. Über solche verfüge die Versicherte aktenkundig nicht. Schliesslich verlangten öffentliche Schulen in der Regel ein staatlich anerkanntes Lehrerdiplom. Ein solches besitze die Versicherte unbestrittenermassen nicht. In Bezug auf das Unterrichten an staatlichen Schulen erweise sich die Fortsetzung der Ausbildung an der Fachhochschule Y.________ somit als nicht geeignet. Neben der Notwendigkeit fehle es aber auch an der Verhältnismässigkeit der Massnahme. Die Versicherte könnte die Ausbildung frühestens Ende September 2006 im Alter von 59 Jahren abschliessen. Bis zur Pensionierung verbliebe somit eine Arbeitsdauer von 4 1/2 Jahren. Dem stünden Kosten von mehr als Fr. 11'000.- zuzüglich Taggelder und Auslagen gegenüber. 
2. 
Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass sie nicht ebenso fliessend Deutsch spreche wie Deutschsprachige mindere die Qualität ihres Englisch-Unterrichts nicht. Im Gegenteil profitierten die Schüler davon, wenn während den Englisch-Stunden nicht Deutsch gesprochen wer-de, weil sie so dazu gebracht würden, «to think in English as well as speak English». Beispiele erfolgreicher ehemaliger Schüler und positive Rückmeldungen von Eltern seien Beleg hiefür. Sodann sei die Beendigung der Ausbildung an der Fachhochschule Y.________ notwendig, um eine Vollzeitbeschäftigung an einer staatlichen Schule oder an einer internationalen privaten Schule zu erhalten. Der erfolgreiche Abschluss der ersten sechs Module der Ausbildung genüge nicht. Heutzutage sei es unmöglich, ohne berufliche Qualifikationen und Diplom («professional qualifications and degree») eine Anstellung zu finden. Drei internationale Schulen hätten diesen Sachverhalt auf Anfrage bestätigt. Zur Verhältnismässigkeit führt die Beschwerdeführerin aus, in den Primarschulen sei Frühenglisch eingeführt worden, die Nachfrage nach qualifizierten Englisch-Lehrern nehme zu und auch das Pensionierungsalter sei gestiegen. 
3. 
Die ersten sechs Module der berufsbegleitenden Umschulung zum B.A. ELT gehören ebenso zum Bildungsstand der Beschwerdeführerin wie die Unterrichtstätigkeit an der Privatschule X.________ seit September 2001. Es stellt sich denn u.a. auch die Frage, ob die Versicherte nach Beendigung des ersten und vor Beginn der zweiten Hälfte des Studiums an der Fachhochschule Y.________ hinreichend eingegliedert ist. Dies ist bei der Prüfung der Notwendigkeit und Geeignetheit sowie der Verhältnismässigkeit der zweiten sechs Module der Ausbildung, im Besonderen unter dem Gesichtspunkt der annähernden Gleichwertigkeit der Erwerbsmöglichkeiten vor und nach der Eingliederungsmassnahme (BGE 122 V 79 Erw. 3b/bb) als Voraussetzung für deren Übernahme durch die Invalidenversicherung (BGE 124 V 110 Erw. 2a) zu beachten. 
3.1 Im «Verlaufsprotokoll-Bericht-Antrag berufliche Massnahmen» vom 24. Februar 2003 führte die Berufsberaterin der IV-Stelle unter anderem aus, gemäss telefonischer Auskunft der zuständigen Professorin der Fachhochschule Y.________ sei der Abschluss der als Fernstudium an der Universität Manchester/GB durchgeführten Ausbildung zum B.A. ELT europaweit anerkannt. In der Schweiz bestünden Einstiegsmöglichkeiten auf Sekundarschulstufe oder im privaten Sektor. Eine Qualifikation sei notwendig, zumindest um die Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Auch andere private Sprachschulen (als die Privatschule X.________) verlangten einen Fachausweis. Diese Feststellungen werfen die Frage auf, ob bei vorzeitiger Beendigung des Lehrgangs bei der Hälfte die Chancen auf dem für die Versicherte in Betracht fallenden Arbeitsmarkt tatsächlich derart sind, dass diese als genügend eingegliedert gelten kann. Das kantonale Gericht hat dies bejaht, weil gemäss Auskunft der aktuellen Arbeitgeberin und Abklärungen der Berufsberaterin die meisten Privatschulen keinen speziellen Abschluss verlangten. Nach Lage der Akten hat sich indessen einzig die Leiterin der Privatschule X.________ im Rahmen einer telefonischen Auskunft in diesem Sinne geäussert (Zwischenbericht vom 15. September 2004). Dies wiederum steht im Widerspruch zu den Ausführungen im Bericht vom 24. Februar 2003, wo festgehalten wird, dass private Sprachschulen einen Fachausweis verlangen. Dieselbe Auskunft hat die Beschwerdeführerin nach ihren Angaben von drei internationalen Schulen erhalten. Diese Diskrepanz ist umso gewichtiger, als im öffentlichen Bereich die Chancen und Möglichkeiten der Versicherten, Englisch zu unterrichten, bedeutend geringer zu sein scheinen. Immerhin ist in Bezug auf die zumindest schriftlich offenbar nicht sehr guten Deutschkenntnisse darauf hinzuweisen, dass es auch internationale private Schulen in der Schweiz gibt, wo nur Englisch gesprochen wird. Im Weitern schliesst die Vorinstanz zu Recht nicht kategorisch aus, dass es im öffentlichen Schulbereich auch ohne staatliches Lehrerpatent Betätigungsmöglichkeiten gibt. Im Bericht vom 24. Februar 2003 werden unter Hinweis auf die telefonische Auskunft eines Kantonsschullehrers solche «Nischen» erwähnt. Dass gute Englisch-Lehrer und -Lehrerinnen gefragt sind, steht ausser Frage ebenso, dass der Fachausweis oder das Diplom einer Fachhochschule die Anstellungschancen beträchtlich erhöhen. Aufgrund des Vorstehenden kann somit eingliederungsrechtlich die Notwendigkeit des Abschlusses der Ausbildung zum B.A. ELT nicht ohne weiteres verneint werden. 
3.2 Hingegen ist der streitige Umschulungsanspruch aus anderen Gründen zu verneinen. 
3.3 Nach der Rechtsprechung muss die Umschulung eine dem bisherigen Beruf annähernd gleichwertige Ausbildung zum Ziel haben. Dabei bezieht sich der Begriff der annähernden Gleichwertigkeit nicht in erster Linie auf das Ausbildungsniveau als solches, sondern auf die nach erfolgter Eingliederung zu erwartenden Verdienstmöglichkeiten (BGE 122 V 79 Erw. 3b/bb mit Hinweisen; AHI 2002 S. 107 Erw. 4). 
 
Die Beschwerdeführerin erzielte nach ihren Angaben im Anmeldeformular als Krankenschwester im Jahr 2000 Fr. 5649.- brutto im Monat. Dies ergibt für 2004 einen Verdienst von rund Fr. 6000.-. Als Englisch-Lehrerin an der Privatschule X.________ erzielte sie 2003 einen Stundenlohn von brutto Fr. 50.-. Wird dies auf ein 100 %-Pensum umgerechnet (28 Lektionen), ergäbe sich ebenfalls ein monatliches Einkommen von rund Fr. 6000.-, so dass die Beschwerdeführerin verglichen mit der vor Eintritt der Gesundheitsbeeinträchtigung ausgeübten Tätigkeit gar keine Erwerbseinbusse erleidet. Zwar arbeitet sie zur Zeit nicht zu 100 % und ist fraglich, ob sie eine Vollzeitstelle finden würde, doch wäre dies nicht aus gesundheitlichen Gründen, wäre sie doch in einer anderen Tätigkeit denn als Krankenschwester 100 % arbeitsfähig. Wird umgekehrt davon ausgegangen, dass sie als B.A. ELT mindestens Fr. 15.- mehr bekäme, ergäbe sich bei einem Normalarbeitspensum von 28 Wochenstunden ein Monatsverdienst von mindestens Fr. 7280.- (Fr. 65.- x 28 x 4). Das ist über 20 % mehr als der Lohn für die Tätigkeit als Krankenschwester und 30 % mehr als der bisherige Lohn bei einem Vollzeitpensum an der Privatschule X.________. Es kommt dazu, dass die Lohnentwicklung in der englischsprachlichen Lehrtätigkeit ebenso günstig zu beurteilen ist wie im Pflegebereich. Unter diesen Umständen ist die Gleichwertigkeit der Tätigkeit als Englisch-Lehrerin B.A. ELT mit der Tätigkeit als Englisch-Lehrerin ohne Fachhochschulabschluss einerseits sowie mit dem Beruf als Krankenschwester anderseits und damit der streitige Umschulungsanspruch zu verneinen. 
3.4 Eingliederungsmassnahmen müssen verhältnismässig sein. Diese Voraussetzung ist nicht mehr erfüllt, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen den Kosten und dem voraussichtlichen Nutzen der Vorkehr besteht (Ulrich Meyer-Blaser, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum IVG, Zürich 1997, S. 60; vgl. BGE 115 V 198 Erw. 4e/cc). Dabei umfassen die Kosten einer Umschulung neben den Kurskosten auch die Taggeldleistungen (vgl. zu deren akzessorischem Charakter BGE 123 V 22 Erw. 3a und AHI 2002 S. 111 Erw. 3a). Für den Nutzen einer Eingliederungsmassnahme ist bei einem mit dem Bildungsstand vergleichbar hohen oder sogar höheren angestrebten Ausbildungsniveau und bei annähernder Gleichwertigkeit der Erwerbsmöglichkeiten vor und nach deren Durchführung neben der Erhaltung der Erwerbsfähigkeit in erster Linie die gesamte noch zu erwartende Arbeitsdauer nach Art. 8 Abs. 1 IVG von Bedeutung. Darunter ist die verbleibende Zeitspanne bis zum ordentlichen Pensionierungsalter gemäss Art. 21 Abs. 1 AHVG zu verstehen (Gesamtgerichtsbeschluss vom 29. September 2005 im Fall I 374/04). 
 
Die Kurskosten für die in Frage stehenden sechs Module der Ausbildung zum B.A. ELT belaufen sich auf rund Fr. 11'000.-. Dazu kommen die Taggelder. Für das dritte bis sechste Modul vom 1. Oktober 2003 bis 30. September 2004 betrug das Taggeld rund Fr. 140.-. Die restlichen sechs Module dauern insgesamt zwei Jahre. Es ist somit mit Umschulungskosten in der Grössenordnung von Fr. 100'000.- zu rechnen. Der angestrebte B.A. ELT stellt verglichen mit dem Bildungs-stand vor In-Angriff-Nahme der zweiten Hälfte des Studiums ein mindestens ebenso hohes Ausbildungsniveau dar. Bei Beendigung der Ausbildung Ende September 2006 wird die Beschwerdeführerin 59 Jahre alt sein. Selbst wenn sie mit dem Fachhochschulabschluss mehr verdienen könnte als ohne an der Privatschule X.________ bei einem Vollzeitpensum oder als Krankenschwester und die annähernde Gleichwertigkeit der Erwerbsmöglichkeiten vor und nach Absolvierung der zweiten Hälfte des Studiums zu bejahen wäre, muss aufgrund der bis zur Pensionierung verbleibenden fünf, allenfalls sechs Jahre ab Ende der Ausbildung (vgl. Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur 11. AHV-Revision [Neufassung; BBl 2006 1957 ff.] S. 1979 ff.) bei Umschulungskosten von rund Fr. 100'000.- von einem Missverhältnis zum voraussichtlichen Nutzen gesprochen werden. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, der Ausgleichskasse Zug und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 15. Februar 2006 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: