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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_30/2023  
 
 
Urteil vom 14. September 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiberin Wortha. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________, 
2. B.________, 
3. D.________, 
gesetzlich vertreten durch A.________ und B.________, 
4. C.________, vertreten durch A.________ und B.________, 
Beschwerdeführer, 
alle vier vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marc Spescha, 
 
gegen  
 
Departement des Innern des Kantons Solothurn, Migrationsamt, Ambassadorenhof, 4509 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Nachträglicher Familiennachzug, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 28. November 2022 (VWBES.2022.58). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ (geb. 1979) ist Staatsangehöriger von Guinea. Er kam 1999 in die Schweiz, ersuchte erfolglos um Asyl, erhielt aber im Hinblick auf die Hochzeit mit einer Schweizer Bürgerin im Jahr 2001 eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Ehefrau. Mit ihr hat er zwei Kinder (geb. 2001 und 2006). Im September 2006 erhielt er die Niederlassungsbewilligung, im Dezember 2006 wurde er erleichtert eingebürgert. Nachdem die Eheleute sich 2008 trennten und die Ehe 2011 geschieden wurde, erklärte das heutige Staatssekretariat für Migration SEM die erleichterte Einbürgerung für nichtig. Dies wurde letztinstanzlich vom Bundesgericht bestätigt (Urteil 1C_475/2014 vom 16. Dezember 2014). Seither verfügt er mit Zustimmung des SEM über die Niederlassungsbewilligung.  
 
A.b. Im Oktober 2009 brachte B.________ (geb. 1990), ebenfalls Staatsangehörige von Guinea, die gemeinsame Tochter C.________ und im Oktober 2012 den gemeinsamen Sohn D.________ zur Welt. B.________ und die Kinder lebten nicht in der Schweiz. Im August 2017 heirateten A.________ und B.________ im gemeinsamen Heimatland Guinea. Hochzeit und Geburt der gemeinsamen Kinder wurden am 16. Juli 2018 im Zivilstandsregister der Schweiz eingetragen. Tags darauf reichte er ein Gesuch um Familiennachzug für Frau und Kinder ein.  
 
A.c. Am 27. März 2020 teilte das Migrationsamt mit, es erwäge, das Gesuch für die Kinder aufgrund der abgelaufenen Fristen abzuweisen. Die Voraussetzungen für einen nachträglichen Familiennachzug lägen nicht vor, da es A.________ möglich gewesen wäre, die Kinder zu einem früheren Zeitpunkt nachzuziehen. B.________ stünde es frei, bei den Kindern zu bleiben. Daraufhin zog der damalige Rechtsvertreter das Gesuch im Namen von A.________ am 2. April 2020 zurück. Am 14. Mai 2020 wurde der Familiennachzug für B.________ bewilligt und ihr eine Aufenthaltsbewilligung erteilt, woraufhin sie am 19. Mai 2020 in die Schweiz einreiste. Im September 2020 kam das gemeinsame Kind E.________ und im September 2022 das gemeinsame Kind F.________ in der Schweiz zur Welt.  
 
B.  
Am 22. Juni 2021 reichten A.________ und B.________ erneut ein Gesuch um Familiennachzug für die Kinder C.________ und D.________ ein. Das Migrationsamt wies das Gesuch am 12. Januar 2022 mit der Begründung ab, die Nachzugsfristen seien verstrichen und es gebe keine wichtigen Gründe für einen nachträglichen Familiennachzug. Die dagegen an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn erhobene Beschwerde wurde am 28. November 2022 abgewiesen. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 17. Januar 2023 gelangen A.________ und B.________ (nachfolgend Beschwerdeführer und Beschwerdeführerin oder Vater und Mutter) und die beiden Kinder C.________ und D.________ (nachfolgend Kinder) mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragen die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und die Anweisung an das Migrationsamt, den Nachzug der Kinder zu bewilligen. Eventualiter sei die Sache zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung und Kindesanhörung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht beantragen sie die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und -verbeiständung. 
Das Migrationsamt und die Vorinstanz beantragen die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist, und verzichten im Übrigen auf eine Vernehmlassung. Das SEM hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 149 II 66 E. 1.3).  
 
1.2. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide betreffend ausländerrechtliche Bewilligungen nur zulässig, wenn das Bundesrecht oder das Völkerrecht einen Anspruch auf die Bewilligung einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario). Für das Eintreten genügt, wenn die betroffene Person in vertretbarer Weise dartut, dass potenziell ein solcher Anspruch besteht. Ob tatsächlich ein Aufenthaltsrecht besteht, ist eine materielle Frage und keine Eintretensfrage (BGE 147 I 268 E. 1.2.7; 139 I 330 E. 1.1).  
 
Der Vater verfügt über eine Niederlassungsbewilligung für die Schweiz und die Mutter über eine Aufenthaltsbewilligung, welche ihr durch das Zusammenleben mit ihrem niederlassungsberechtigten Ehemann ein gefestigtes Aufenthaltsrecht vermittelt (BGE 139 I 330 E. 1.2; 137 I 284 E. 1.3). Die Kinder können somit in vertretbarer Weise einen Bewilligungsanspruch gestützt auf Art. 43 Abs. 1 AIG und Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Familienlebens), der ihnen durch ihre Eltern vermittelt wird, geltend machen. Damit ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig. 
 
1.3. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 42, Art. 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG), ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 147 I 73 E. 2.1). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 II 44 E. 1.2; 143 II 283 E. 1.2.2).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig, sprich willkürlich, sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.2). Entsprechende Rügen unterstehen der qualifizierten Rüge- und Begründungspflicht (vgl. E. 2.1 oben). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1; 140 III 264 E. 2.3; 139 II 404 E. 10.1).  
 
2.3. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; unechte Noven), was in der Beschwerde näher darzulegen ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 344 E. 3). Der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein bildet noch keinen hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG für die Zulässigkeit von unechten Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten vorgebracht werden können (Urteil 8C_250/2021 vom 31. März 2022 E. 1.3). Echte Noven sind dagegen in jedem Fall unzulässig. Folglich bleiben Tatsachen und Beweismittel unberücksichtigt, die erst nach dem angefochtenen Urteil entstanden sind und somit nicht durch dieses veranlasst worden sein können (vgl. BGE 148 V 174 E. 2.2; 143 V 19 E. 1.2.).  
Die Beschwerdeführenden reichen vor Bundesgericht weitgehend undatierte und unsortierte Auszüge aus WhatsApp-Chatverläufen ein, um den Kontakt zwischen ihnen zu belegen. Sie legen indes nicht dar, inwiefern erst das Urteil der Vorinstanz dazu Anlass gegeben haben soll, diese beizubringen. Die Vorinstanz erachtete das Verhältnis der Kinder zu den Eltern in der Schweiz als nicht besonders eng. Der Kontakt war somit bereits im vorinstanzlichen Verfahren Thema. So ist nicht erst der Entscheid der Vorinstanz Anlass dazu, die Chatverläufe in das Verfahren einzubringen (Art. 99 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 148 IV 362 E. 1.8.2). Vielmehr hätten die Beschwerdeführenden die Korrespondenz bereits bei der Vorinstanz einreichen können. 
Die Erklärung der Cousine vom 9. Januar 2023 ist erst nach dem vorinstanzlichen Urteil entstanden. Als echtes Novum ist dieses Dokument im bundesgerichtlichen Verfahren nicht zulässig. 
Die neu eingebrachten Beweismittel müssen daher unberücksichtigt bleiben. 
 
3.  
Nachdem unstrittig ist, dass die Fristen für den Familiennachzug gemäss Art. 47 Abs. 1 und 3 AIG verstrichen sind, ist Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens einzig, ob die Voraussetzungen für einen nachträglichen Familiennachzug der beiden Kinder wegen wichtiger familiärer Gründe gemäss Art. 47 Abs. 4 AIG gegeben sind. 
 
4.  
Die Beschwerdeführenden rügen zunächst eine willkürliche Beweiswürdigung bzw. Sachverhaltsfeststellung. Die Vorinstanz habe die beiden Arztzeugnisse, die der Cousine attestierten, sich aufgrund der Epilepsie nicht um die Kinder kümmern zu können, das Arztzeugnis, gemäss welchem die Grossmutter pflegebedürftig sei, und den Totenschein der Tante zu Unrecht als Fälschungen abgetan bzw. ihnen die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Dadurch sei sie in Willkür verfallen. 
 
4.1. Die Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung erweist sich nur dann als willkürlich, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat. Dass die von den Gerichten gezogenen Schlüsse nicht mit der eigenen Darstellung des Beschwerdeführers übereinstimmen, belegt keine Willkür (BGE 146 V 88 E. 1.3.1; 140 III 264 E. 2.3; 137 III 226 E. 4.2; 136 III 552 E. 4.2).  
 
4.2. In der Tat wirft die vorinstanzliche Beweiswürdigung Fragen auf. Reichen die Beschwerdeführenden detaillierte Belege für ihre Vorbringen ein, wie das Arztzeugnis vom 7. Dezember 2020 und 20. September 2021 betreffend Epilepsie der Cousine, werden diese mit der Begründung verworfen, sie seien nicht glaubhaft und wirkten inhaltlich auf das Verfahren abgestimmt. Reichen sie einen gemäss Vorinstanz mit widersprüchlichen Angaben behafteten Totenschein der Tante vom 6. September 2021 ein, hätten sie dafür keine Erklärung. Doch selbst wenn sie eine Erklärung hätten, führt die Vorinstanz klar aus, dass sie Erklärungen des Beschwerdeführers nur mit Vorsicht würdige, da er im Jahr 2006 bei der erleichterten Einbürgerung falsche Angaben gemacht und Tatsachen verschwiegen habe. Das eingereichte Arztzeugnis zur geltend gemachten Pflegebedürftigkeit der Grossmutter findet im angefochtenen Entscheid keine Erwähnung.  
 
4.3. Nachdem das vorgeworfene Fehlverhalten des Beschwerdeführers 12 Jahre zurückliegt und er sich seither wohl verhalten hat, der Beschwerdeführerin kein solcher Vorwurf gemacht wird und von der Vorinstanz weder begründet wird noch dafür Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass die Beschwerdeführenden Dokumente gefälscht oder die Ärzte zur Urkundenfälschung angestiftet hätten, wären die Beweise frei zu würdigen gewesen. Am festgestellten Sachverhalt ändert dies indessen nichts Entscheiderhebliches: Die Vorinstanz stellt den Tod der Tante im September 2021 nicht grundsätzlich in Abrede. Ebenso anerkennt sie die Epilepsiekrankheit der Cousine und dass sich die Cousine um die Grossmutter kümmert. Ob die Grossmutter nun pflegebedürftig ist oder nicht, ist letztlich nicht entscheidend, kann sie aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters (Jahrgang 1942) jedenfalls als betagt bezeichnet werden. Ob sich die Cousine aus ärztlicher Sicht nicht um die Kinder kümmern dürfe oder könne, ist angesichts dessen, dass sie es offenbar trotzdem seit einem unbestimmten Zeitpunkt im Jahr 2020 tut, ebenfalls nicht massgebend. Ob es sich dabei um eine kindeswohlgerechte Betreuungsalternative handelt, ist keine Tat-, sondern eine Rechtsfrage (dazu nachfolgend E. 6.1).  
 
4.4. Da die festgestellten Mängel in der Beweiswürdigung nicht geradezu unhaltbar sind und deren Behebung nicht entscheidend ist für den Ausgang des Verfahrens (oben E. 2.2), liegt im Ergebnis keine Willkür in der Sachverhaltsfeststellung vor. Damit bleibt der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt mit den vorangegangenen Präzisierungen für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG).  
 
5.  
 
5.1. Gemäss Art. 47 Abs. 4 AIG wird ein nachträglicher Familiennachzug nur bewilligt, wenn wichtige familiäre Gründe geltend gemacht werden. Solche liegen gemäss Art. 47 Abs. 4 AIG i.V.m. Art. 75 VZAE vor, wenn das Kindswohl nur durch einen Nachzug in die Schweiz gewahrt werden kann. Die Bewilligung des Nachzugs nach Ablauf der Fristen hat nach dem Willen des Gesetzgebers die Ausnahme zu bleiben. Die Voraussetzung der wichtigen familiären Gründe für den nachträglichen Familiennachzug ist in Konformität mit Art. 8 EMRK auszulegen (BGE 146 I 185 E. 7.1.1 mit Hinweisen; Urteile 2C_50/2023 vom 31. Juli 2023 E. 3.2; 2C_692/2021 vom 23. Mai 2022 E. 5.1).  
 
5.2. In Bezug auf den Schutz des Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK ist festzuhalten, dass dann kein Eingriff in diese Garantie vorliegt, wenn dem in der Schweiz fest anwesenheitsberechtigten Familienmitglied ohne Weiteres bzw. ohne Schwierigkeiten zugemutet werden kann, die Schweiz zu verlassen, um das Familienleben mit den von der Fernhaltemassnahme betroffenen Personen im Ausland zu verwirklichen (BGE 144 II 1 E. 6.1; 140 I 145 E. 3.1). Kann dies von dem Familienmitglied, welches in der Schweiz bleiben kann, jedoch nicht ohne Weiteres erwartet werden, ist gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK eine den gesamten Umständen Rechnung tragende Interessenabwägung vorzunehmen, welche das private Interesse am Verbleib in der Schweiz gegenüber dem öffentlichen Fernhalteinteresse abwägt (BGE 144 I 91 E. 4.2; 140 I 145 E. 3.1). Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist auch dem Kindeswohl Rechnung zu tragen. Dieses ist bei allen Entscheiden vorrangig zu berücksichtigen (vgl. Art. 3 KRK; BGE 146 IV 267 E. 3.3.1) und in der Interessenabwägung ein wesentliches Element unter anderen. Ins Gewicht fällt dabei der besondere Schutz der Kindesinteressen, möglichst mit beiden Elternteilen gemeinsam aufwachsen zu können und nicht von ihnen getrennt zu werden (vgl. Art. 9 KRK; BGE 143 I 21 E. 5.5; 137 I 284 E. 2.3.1 und 2.3.2; 135 II 377 E. 4.3; Urteile 2C_738/2022 vom 6. Februar 2023 E. 4.3.2; 2C_325/2019 vom 3. Februar 2020 E. 3.3; Urteil EGMR B.F. gegen die Schweiz vom 4. Juli 2023 Nr. 13258/18, § 120). In diesem Sinne besteht die Vermutung, dass es bei einem Kind mit nur einem Elternteil im Interesse des Kindes liegt, mit diesem zusammen zu sein (Urteile 2C_855/2022 vom 7. Februar 2023 E. 6.4; 2C_909/2019 vom 7. April 2020 E. 4.4; 2C_176/2015 vom 27. August 2015 E. 3.2; 2C_247/2012 vom 2. August 2012 E. 3.3).  
 
5.3. In der ausländerrechtlichen Interessenabwägung ist das Kindeswohl rechtsprechungsgemäss nicht das allein ausschlaggebende Element (BGE 143 I 21 E. 5.5.1 und 5.5.4 mit Hinweisen). Praxisgemäss bedarf es vielmehr einer Gesamtschau unter Berücksichtigung aller wesentlichen Elemente (Urteile 2C_50/2023 vom 31. Juli 2023 E. 3.3; 2C_571/2021 vom 8. Juni 2022 E. 7.1 je mit Hinweisen). Dabei ist dem Sinn und Zweck der Fristenregelung Rechnung zu tragen. Diese will die Integration der Kinder erleichtern, indem sie durch einen frühzeitigen Nachzug unter anderem eine möglichst umfassende Schulbildung in der Schweiz geniessen sollen. Zudem geht es darum, Nachzugsgesuchen entgegenzuwirken, die rechtsmissbräuchlich erst kurz vor Erreichen des erwerbstätigen Alters gestellt werden und bei denen die erleichterte Zulassung zur Erwerbstätigkeit und nicht (mehr) die Bildung einer echten Familiengemeinschaft im Vordergrund steht. Hingegen beabsichtigte der historische Gesetzgeber nicht, die Nachzugsgründe auf nicht vorhersehbare Ereignisse zu beschränken (BGE 146 I 185 E. 7.1.1 mit Hinweisen; Urteile 2C_692/2021 vom 23. Mai 2022 E. 5.1; Urteile 2C_909/2019 vom 7. April 2020 E. 4.3; 2C_176/2015 vom 27. August 2015 E. 3.1).  
 
5.4. Weiter ist zu beachten, dass die internen Regeln zum Familiennachzug (Art. 42 ff., Art. 47 AIG) einen Kompromiss zwischen dem Schutz des Familienlebens und dem Ziel der Begrenzung der Einwanderung darstellen. Die Fristen gemäss Art. 47 AIG bezwecken deshalb auch die Steuerung und Kontrolle der Einwanderung und stellen insofern ein legitimes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK dar, um das Recht auf Familienleben einzuschränken (BGE 137 I 284 E. 2.1; Urteile 2C_50/2023 vom 31. Juli 2023 E. 3.2; 2C_882/2022 vom 7. Februar 2023 E. 4.3). Praxisgemäss geht das Bundesgericht davon aus, dass eine Familie, die freiwillig jahrelang getrennt gelebt hat, dadurch ihr beschränktes Interesse an einem ortsgebundenen (gemeinsamen) Familienleben zum Ausdruckt bringt; in einer solchen Konstellation, in der die familiären Beziehungen während Jahren über die Grenzen hinweg besuchsweise und über die modernen Kommunikationsmittel gelebt werden, überwiegt regelmässig das der ratio legis von Art. 47 Abs. 4 AIG zugrunde liegende Interesse an der Einwanderungsbeschränkung, solange nicht objektive nachvollziehbare Gründe, welche von den Betroffenen zu bezeichnen und zu rechtfertigen sind, etwas anderes nahelegen (BGE 146 I 185 E. 7.1.1; Urteile 2C_50/2023 vom 31. Juli 2023 E. 3.2: 2C_837/2022 vom 19. April 2023 E. 5.3.4; 2C_380/2022 vom 8. März 2023 E. 5.2; 2C_882/2022 vom 7. Februar 2023 E. 4.7).  
 
5.5. Der alleinige Wunsch, die Familie zu vereinigen, stellt keinen wichtigen familiären Grund dar (BGE 146 I 185 E. 7.1.1; Urteil 2C_50/2023 vom 31. Juli 2023 E. 3.2). Indessen liegt ein wichtiger Grund beispielsweise vor, wenn die weiterhin notwendige Betreuung der Kinder im Herkunftsland wegen des Todes oder der Krankheit der betreuenden Person nicht mehr gewährleistet ist und keine sinnvolle andere Alternative in der Heimat gefunden werden kann. Praxisgemäss sind hingegen keine solchen Gründe gegeben, wenn im Heimatland alternative Pflegemöglichkeiten bestehen, die dem Kindswohl besser entsprechen, weil dadurch vermieden werden kann, dass die Kinder aus ihrer bisherigen Umgebung und dem ihnen vertrauten Beziehungsnetz gerissen werden. Für den Nachweis der fehlenden Betreuungsmöglichkeit im Heimatland bestehen gemäss Rechtsprechung umso höhere Anforderungen, je älter das nachzuziehende Kind ist und je grösser die Integrationsschwierigkeiten erscheinen, die ihm in der Schweiz drohen (BGE 137 I 284 E. 2.2; Urteile 2C_50/2023 vom 31. Juli 2023 E. 3.3; 2C_837/2022 vom 19. April 2023 E. 5.3.4; 2C_380/2022 vom 8. März 2023 E. 5.2; 2C_882/2022 vom 7. Februar 2023 E. 4.5). Allerdings ist nicht darauf abzustellen, ob alternative Betreuungsmöglichkeiten im Heimatland überhaupt fehlen. Mit anderen Worten ist es nicht mit Art. 8 EMRK vereinbar, einen Familiennachzug erst dann zuzulassen, wenn keine einzige Möglichkeit der Betreuung des Kindes in seinem Heimatland zur Verfügung steht (BGE 133 II 6 E. 3.1.2; Urteil 2C_493/2020 vom 22. Februar 2021 E. 2.5.2 mit Hinweisen).  
 
6.  
Die Beschwerdeführenden rügen im Wesentlichen, die Vorinstanz habe zu Unrecht den wichtigen Grund für den nachträglichen Familiennachzug verneint und das öffentliche Interesse an der Einwanderungsbeschränkung höher gewichtet als das private Interesse an der Familienzusammenführung. Sie machen geltend, es gäbe keine Betreuungsmöglichkeit in der Heimat. Der Cousine sei die Kinderbetreuung aufgrund ihrer Epilepsie nicht länger zumutbar. Das Kindeswohl sei nur in der Schweiz gewahrt, nachdem die Kinder im Mai 2020 mit der Mutter ihre Hauptbetreuungsperson verloren hätten, zu ihr ein enges Verhältnis bestünde, beide Eltern zusammen mit den Kindern leben möchten und keine Integrationsschwierigkeiten zu befürchten seien. 
 
6.1. Gemäss für das Bundesgericht verbindlicher Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz werden die Kinder in der Heimat durch die Cousine betreut. Diese lebt im gleichen Haushalt, in dem zuvor die unterdessen verstorbene Tante, in deren Obhut die Kinder nach dem Wegzug der Mutter gegeben wurden, gelebt hat. Nachdem die Tante später im Jahr 2020 aus dem Haushalt weggezogen ist, übernahm die Cousine die Betreuung der Kinder. Die Cousine litt bereits damals an Epilepsie und kümmerte sich um die im selben Haushalt lebende Grossmutter. Dies wird von den Beschwerdeführenden nicht in Abrede gestellt. Was sich an der Betreuungssituation in der Heimat im Juni 2021, als sie das Gesuch für die Kinder einreichten, geändert haben sollte, das diese nun als unzumutbar erscheinen liesse, begründen die Beschwerdeführenden nicht. Sie machen insbesondere nicht geltend, dass es der Wegzug der Mutter gewesen sei, der eine Zäsur in der Betreuungssituation der Kinder dargestellt hätte. Dies zu Recht nicht, wie die Vorinstanz zutreffend festhält, nachdem die Beschwerdeführenden den Nachzug der Kinder erst 13 Monate nach dem Wegzug der Mutter beantragten. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ist damit festzuhalten, dass die Betreuung der Kinder in der Heimat nach wie vor sichergestellt ist.  
 
6.2. Die Beibehaltung der Betreuung in der Heimat und damit der Verbleib der Kinder dort entspricht auch dem übergeordneten Kindesinteresse. Zwar trifft es im Allgemeinen zu, dass Kinder ein Interesse daran haben, mit ihren Eltern zusammenleben (vorstehend E. 5.2). Dies ist aber nur ein Umstand unter mehreren, den es zu berücksichtigen gilt (vorstehend E. 5.3). Vorliegend ist dieses Interesse von untergeordneter Bedeutung und wird auch von den Beschwerdeführenden nicht näher begründet, inwiefern die vorinstanzlichen Ausführungen unzutreffend sein sollten. Die Kinder sind in Guinea geboren, aufgewachsen, haben dort ihr gesamtes Leben verbracht, sind dort sozialisiert worden. Sie müssten ihr in jeder Hinsicht vertrautes Umfeld verlassen, um in ein fremdes Land zu ziehen, zu dem sie mit Ausnahme des Verwandtschaftsverhältnisses zu den Eltern keinerlei Verbindung haben. Dies würde eine tiefgreifende Entwurzelung der Kinder bedeuten.  
 
6.3. Zwar mögen die Kinder vor dem Wegzug der Mutter überwiegend von ihr betreut worden sein und insofern eine enge Verbindung zu ihr haben. Allerdings ist die Mutter im Wissen darum, dass das Nachzugsgesuch für die Kinder vom Vater zurückgezogen wurde, in die Schweiz gezogen. Sie hat mithin akzeptiert, dass sie die Beziehung zu den Kinder inskünftig nur eingeschränkt wird leben können. Dies wird durch die Tatsache unterstrichen, dass die Eltern nicht schnellstmöglich nach dem Umzug der Mutter das Gesuch um Nachzug der Kinder gestellt haben, sondern damit 13 Monate zugewartet haben. Einen Grund dafür nennen die Beschwerdeführenden nicht, sodass die Einschätzung der Vorinstanz zu teilen ist, wonach dies das beschränkte Interesse der Eltern am Zusammenleben mit den Kindern zum Ausdruck bringt. Selbst wenn sich das unterdessen geändert haben sollte, hilft dies den Beschwerdeführenden nicht, da allein der entsprechende Wunsch kein wichtiger Grund ist (vorstehend E. 5.5).  
 
6.4. Dazu kommt, dass eine enge Beziehung zum Vater nicht erwiesen ist. Die vorinstanzliche Einschätzung, gemäss welcher die Verbindung zu den Eltern nicht besonders eng sei, wird von den Beschwerdeführenden im Hinblick auf den Vater nicht in Abrede gestellt. Weder aus dem angefochtenen Urteil noch aus den Vorbringen der Beschwerdeführenden ergeben sich Anzeichen dafür, dass der Vater überhaupt eine Beziehung zu den Kindern hat, die namentlich durch nachweisbare Kommunikation oder Ferienbesuche hätte belegt werden können. Der Vater hat seit der Geburt der Kinder freiwillig von ihnen getrennt gelebt. Nicht nur hat er sie nicht innert ordentlicher Frist nachgezogen, sondern hat er auch ein Jahr nach der Hochzeit mit der Mutter gewartet, bis er das Gesuch gestellt hat, um es hernach zurückzuziehen, ohne den definitiven Entscheid der Behörden abzuwarten, und ist selbst nach dem Umzug der Mutter - wie erwähnt - nochmal mehr als ein Jahr vergangen, bis er sich erneut um den Nachzug der Kinder bemüht hat. Damit hat der Vater klar gezeigt, dass es ihm mit dem gemeinsamen Zusammenleben nicht besonders dringlich ist, wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat. Inwiefern es jetzt im gegenseitigen Interesse sein soll, unbedingt zusammenzuleben, erhellt nicht.  
 
6.5. Schliesslich ist auch die vorinstanzliche Auffassung zu teilen, dass die Kinder mit Schwierigkeiten bei der Integration konfrontiert wären. Dass die Beschwerdeführenden lediglich davon ausgehen, dass dies aufgrund des Alters nicht der Fall ist, überzeugt nicht. Die Kinder kennen weder die Schweiz, die hiesigen Gepflogenheiten und die Sprache, noch den Vater und die beiden Geschwister, mit denen sie erstmals zusammenleben würden. Die Kinder müssten sich folglich nicht nur im Land und in der Schule, sondern auch in der Familie, von der sie lange Zeit getrennt lebten, neu zurechtfinden.  
 
6.6. Zwar mag es den Eltern aufgrund der langen Aufenthaltsdauer des Vaters und der gelungenen Integration nicht zumutbar sein, in die Heimat zurückzukehren. Allerdings bestehen auch keine besonders engen familiären Bande zwischen Vater und Kindern und haben beide Eltern gleichermassen freiwillig auf das familiäre Zusammenleben am selben Ort mit den Kindern verzichtet und damit akzeptiert, ihr Familienleben auf Distanz zu leben. Dies ist ihnen auch weiterhin zumutbar, da mit der Verweigerung des Familiennachzugs lediglich der Status quo aufrechterhalten bleibt. Die Beschwerdeführenden können keinen wichtigen Grund belegen, der den nachträglichen Familiennachzug ausnahmsweise rechtfertigen könnte. Ihr Interesse an der Familienzusammenführung nach jahrelangem freiwilligen Getrenntleben vermag das öffentliche Interesse an der Begrenzung der Einwanderung nicht zu überwiegen. Nach dem Gesagten erweist sich auch die vorinstanzliche Interessenabwägung als bundesrechtskonform.  
 
6.7. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass vorliegend weder die Betreuungssituation der Kinder in der Heimat noch ihr spezifisches Kindesinteresse wichtige Gründe im Sinne von Art. 47 Abs. 4 AIG darstellen, die ausnahmsweise einen verspäteten Familiennachzug zu rechtfertigen vermögen. Der angefochtene Entscheid ist mit Art. 47 Abs. 4 AIG und Art. 8 EMRK vereinbar.  
 
7.  
 
7.1. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen.  
 
7.2. Da die Beschwerdeführenden mittellos sind und ihre Eingabe nicht als offensichtlich aussichtslos zu gelten hatte, ist ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu entsprechen (Art. 64 BGG). Ihrem Rechtsvertreter ist eine Entschädigung von Fr. 2'500.-- aus der Bundesgerichtskasse auszurichten. Parteientschädigungen sind keine geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen.  
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Rechts-verbeiständung wird gutgeheissen:  
 
2.1. Es werden keine Kosten erhoben.  
 
2.2. Den Beschwerdeführenden wird Rechtsanwalt Marc Spescha als unentgeltlicher Rechtsbeistand beigegeben und diesem aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'500.-- ausgerichtet.  
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. September 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Die Gerichtsschreiberin: A. Wortha