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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_878/2019  
 
 
Verfügung vom 13. März 2020  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Beusch, als Einzelrichter, 
Gerichtsschreiber Seiler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Mascello, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Veterinäramt des Kantons Thurgau, 
Departement für Inneres und Volkswirtschaft 
des Kantons Thurgau. 
 
Gegenstand 
Widerhandlung gegen Vorschriften der Tierschutzgesetzgebung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 14. August 2019 (VG.2019.20/E). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ ist Eigentümerin und Halterin des am 23. Mai 2017 geborenen Schweins B.________ sowie drei seiner Schwestern, die Kreuzungen aus den zwei Mastschweinerassen Duroc und Edelschwein sind. B.________ ist an den beiden Hintergliedmassen gelähmt. Am 10. August 2017 wurde er von der Abteilung für Schweinemedizin der Universität Zürich (Vetsuisse Fakultät) klinisch und neurologisch untersucht. Obwohl A.________ die Euthanasie B.________s noch in dessen Narkose empfohlen wurde, nahm sie B.________ wieder mit nach Hause und brachte ihn zusammen mit seinen Schwestern auf den Betrieb von C.________ in U.________/TG. Am 6. September 2017 kontrollierte das Veterinäramt des Kantons Thurgau die Schweinehaltung auf diesem Betrieb. Nachdem diverse Missstände festgestellt worden waren und der Gesundheitszustand von B.________ zu Bedenken Anlass gegeben hatte, wurde A.________ vom verfahrensbeteiligten Amt aufgefordert, B.________ einschläfern zu lassen. Dieser Aufforderung kam A.________ nicht nach. Stattdessen liess sie B.________ am 26. September 2017 in der Tierklinik der D.________ AG in V.________ operieren. 
 
B.  
 
B.a. Am 29. September 2017 verfügte das Veterinäramt des Kantons Thurgau, dass A.________ das Schwein B.________ innert 30 Tagen von einem Tierarzt euthanasieren zu lassen und das Veterinäramt nach Vollzug der Euthanasie zu informieren habe. Für den Fall, dass A.________ der Verfügung nicht Folge leistete, ordnete das Veterinäramt die Beschlagnahme des Schweins an, damit es ersatzweise vom Veterinäramt der Euthanasie zugeführt werde.  
 
B.b. Gegen diesen Entscheid des Veterinäramts erhob A.________ am 17. Oktober 2017 Rekurs beim Departement für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau (DIV/TG), wobei sie ein von ihr eingeholtes tierärztliches Gutachten von Dr. med. vet. E.________ einreichte.  
 
B.c. Am 3. und 9. November 2017 überprüfte das Veterinäramt die Haltung des nun ungefähr 75 Kilogramm schweren B.________s erneut. Dabei stellte es Mängel bei der Vorrichtung zu seiner Abtrennung von den anderen Schweinen fest. Zudem hielt es fest, dass trotz erfolgter Operation keine Verbesserung des Gesundheitszustands von B.________ zu erkennen sei. Am 23. November 2017 wurde B.________ zur Therapie in das Tiergesundheitszentrum F.________ AG in W.________/SG gebracht.  
 
B.d. Das DIV/TG sistierte daraufhin das Rekursverfahren bis zum Ende dieses Therapieaufenthalts, längstens jedoch bis zum 16. März 2018. Nachdem es das Verfahren wieder aufgenommen hatte, holte das DIV/TG im Rahmen eines Amtshilfegesuchs einen aktuellen Amtsbericht des Amts für Verbraucherschutz und Veterinärwesen des Kantons St. Gallen (AVSV/SG) zum Gesundheitszustand und Verhalten von B.________ im Tiergesundheitszentrum F.________ AG ein. Am 15. August 2018 fand ferner ein Augenschein am neuen Aufenthaltsort von B.________ statt, an welchem auch Dr. med. vet. E.________ sowie Dr. med. vet. G.________ von der Abteilung für Schweinemedizin der Universität Zürich teilnahmen.  
 
B.e. Mit Entscheid vom 17. Januar 2019 wies das DIV/TG den Rekurs ab. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 14. August 2019 teilweise gut. Es hob den Rekursentscheid auf und ordnete an, dass die Beschwerdeführerin unverzüglich jede Änderung der Haltungsbedingungen von B.________ mitzuteilen und dem verfahrensbeteiligten Amt zweimonatlich, erstmals spätestens per 31. Oktober 2019, und auf eigene Kosten einen Bericht des vom Veterinäramt bezeichneten Tierarztes über den Gesundheitszustand von B.________ einzureichen habe.  
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 16. Oktober 2019 beantragt A.________, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 14. August 2019 mit Ausnahme von Ziff. 1 Satz 1 (Aufhebung des Rekursentscheids) aufzuheben sei. Ausserdem beantragt sie die Gewährung der aufschiebenden Wirkung. 
Die Vorinstanz und das DIV/TG beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Veterinäramt des Kantons Thurgau beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werde. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV beantragt, dass die Beschwerdeführerin bloss halbjährlich statt zweimonatlich Bericht zu erstatten habe und dazwischen dem Veterinäramt Thurgau stattdessen den Zustand des Schweins durch Fotos und Videos dokumentieren könne. 
Mit Verfügung vom 15. November 2019 hat das Bundesgericht das Gesuch der Beschwerdeführerin um Erteilung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen. 
Mit Schreiben vom 6. März 2020 teilt die Beschwerdeführerin mit, dass B.________ am 28. Februar 2020 überraschend verstorben sei. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeführerin ficht einen verfahrensabschliessenden Entscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit an. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführerin ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG) und hat ihre Beschwerde frist- und formgerecht eingereicht (Art. 100 Abs. 1 und Art. 42 BGG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.  
 
1.2. Mit dem Tod des Schweins am 28. Februar 2020 können die von der Vorinstanz angeordneten tierärztlichen Untersuchungen nicht länger vollzogen werden. Der Rechtsstreit ist dadurch gegenstandslos geworden, weswegen der Instruktionsrichter als Einzelrichter die Abschreibung des Verfahrens zu verfügen hat (Art. 32 Abs. 2 BGG). Die Kosten sind anhand einer summarischen Beurteilung aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrunds zu verlegen (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess [BZP; SR 273]). Es ist auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen (BGE 125 V 373 E. 2.a S. 374 f.).  
 
2.  
Die Beschwerdeführerin rügte, dass die Anordnung der Vorinstanz das Bundesrecht - namentlich das Tierschutzgesetz vom 16. Dezember 2005 (TSchG; SR 455) und die Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV; SR 455.1) - verletze. Eine summarische Prüfung dieser Rüge ergibt Folgendes: 
 
2.1. Staatliche Massnahmen müssen sich auf eine gesetzliche Grundlage stützen (Legalitätsprinzip, Art. 5 Abs. 1 BV). An Verwaltungsmassnahmen kann die zuständige Behörde etwa nach Art. 23 TSchG Tierhalteverbote aussprechen. Nach Art. 24 Abs. 1 TSchG schreitet die zuständige Behörde zudem unverzüglich ein, wenn festgestellt wird, dass Tiere vernachlässigt oder unter völlig ungeeigneten Bedingungen gehalten werden. Sie kann gestützt auf Art. 24 Abs. 1 TSchG verschiedene Massnahmen ergreifen, die teilweise im Gesetz bereits erwähnt sind (vgl. weiterführend ANTOINE F. GOETSCHEL, Kommentar zum Eidgenössischen Tierschutzgesetz, 1986, S. 182). Solche Anordnungen stellen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) eine mildere Massnahme zum Tierhalteverbot nach Art. 23 TSchG dar. Bei der Beurteilung, welche Massnahmen im Einzelfall zweckmässig sind, kommt der Behörde ein erheblicher Ermessensspielraum zu (Urteil 2C_804/2018 vom 11. März 2019 E. 2.2).  
 
2.2. Die Tierhalteverbote gemäss Art. 23 TSchG und die Massnahmen gemäss Art. 24 Abs. 1 TSchG bezwecken insbesondere, künftige Rechtsverletzungen zu vermeiden (vgl. Urteile 2C_804/2018 vom 11. März 2019 E. 2.1; 2C_737/2010 vom 18. Juni 2011 E. 4.1). Trotz dieses Präventionszwecks setzen die Massnahmen gemäss Art. 24 Abs. 1 TSchG aber voraus, dass "Tiere vernachlässigt oder unter völlig ungeeigneten Bedingungen gehalten werden" (Art. 24 Abs. 1 TSchG). Der Begriff der Vernachlässigung deckt sich zumindest in der Regel mit jenem der Strafbestimmung der Tierquälerei gemäss Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG (vgl. ANTOINE F. GOETSCHEL, a.a.O., S. 180). Als Vernachlässigung gilt folglich die Missachtung der Fürsorgepflicht gemäss Art. 6 Abs. 1 TSchG, mithin also die Unterlassung einer nach dieser Bestimmung gebotenen Handlung durch eine dafür verantwortliche Person (vgl. GIERI BOLLIGER und andere, Schweizer Tierschutzstrafrecht in Theorie und Praxis, 2. Aufl. 2019, S. 129 ff.).  
 
2.3. Laut dem angefochtenen Urteil ist unbestritten, dass das Schwein tierschutzkonform gehalten wurde, "sollte es sich dabei um ein gesundes Schwein halten" (angefochtenes Urteil, E. 2.1). Diese Formulierung der Vorinstanz ist wohl so zu verstehen, dass die Beschwerdeführerin den artspezifischen Anforderungen an die Schweinehaltung gemäss Art. 44 ff. TSchV gerecht wurde. Auch sonst lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, dass die Beschwerdeführerin das Schwein vernachlässigt oder unter völlig ungeeigneten Bedingungen gehalten hätte.  
 
2.4. Die periodische Berichterstattung, welche die Vorinstanz angeordnet hat, stellt wie die Einschläferung des Tiers eine staatliche Massnahme dar. Als solche bedarf sie einer gesetzlichen Grundlage (vgl. oben E. 2.1). Art. 24 Abs. 1 TSchG hätte eine gesetzliche Grundlage abgegeben, wenn das Schwein vernachlässigt oder unter völlig ungeeigneten Bedingungen gehalten worden wäre (Art. 24 Abs. 1 TSchG; vgl. oben E. 2.2). Laut dem angefochtenen Urteil war dies nicht der Fall. Die Vorinstanz hat auch keine früheren tierschutzrechtliche Verfehlungen der Beschwerdeführerin festgestellt, aufgrund derer die zweimonatige Berichterstattung als im Vergleich zum Halteverbot nach Art. 23 TSchG milderes Mittel hätte angeordnet werden können.  
 
2.5. Unter diesen Umständen fehlte der Anordnung der Vorinstanz mutmasslich die gesetzliche Grundlage. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin wäre also mutmasslich begründet gewesen. Da der Kanton Thurgau unterlegen wäre, sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Thurgau hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG).  
 
 
 Demnach verfügt der Einzelrichter:  
 
1.  
Das Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Thrugau hat der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Diese Verfügung wird der Beschwerdeführerin, dem Veterinäramt des Kantons Thurgau, dem Departement für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. März 2020 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Einzelrichter: Beusch 
 
Der Gerichtsschreiber: Seiler