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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.385/2001 /bmt 
 
Urteil vom 7. Juni 2002 
II. Zivilabteilung 
 
Bundesrichter Bianchi, Präsident, 
Bundesrichter Raselli, Bundesrichterin Escher, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Reinhold Nussmüller, Kirchstrasse 1, Postfach 1022, 8580 Amriswil, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Ruedi Bollag, Im Lindenhof, Postfach 41, 9320 Arbon, 
Obergericht des Kantons Thurgau, Promenadenstrasse 12, 8500 Frauenfeld. 
 
Art. 9 BV (Abänderung des Scheidungsurteils) 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 29. Mai 2001 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Scheidungsurteil vom 26. Juni/ 28. August 1998 verpflichtete das Bezirksgericht Arbon X.________, Y.________ gestützt auf Art. 151 aZGB eine monatliche Rente von Fr. 1'500.-- und nach Erreichen seines AHV-Alters eine solche von Fr. 800.-- zu bezahlen. Das Bezirksgericht ging dabei von einem mutmasslichen Einkommen des Verpflichteten von Fr. 4'500.-- pro Monat aus. 
B. 
Mit Abänderungsklage vom 19. März 1999 stellte X.________ die Begehren, rückwirkend per 1. Januar 1999 sei auf eine Frauenrente zu verzichten, eventuell sei sie zu reduzieren. In teilweiser Gutheissung der Klage hob das Bezirksgericht Arbon mit Urteil vom 15. November 1999/ 4. Januar 2000 die Unterhaltspflicht für die Zeit von 1. April 1999 bis 31. Dezember 2001 auf. 
 
Gegen dieses Urteil erhob Y.________ kantonale Berufung. Das Obergericht des Kantons Thurgau hiess diese mit Urteil vom 29. Mai 2001 teilweise gut und hob die Unterhaltspflicht des Klägers für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1999 auf. 
 
Mit Entscheid vom 21. Februar 2002 wies das Obergericht des Kantons Thurgau das Revisionsgesuch von X.________ ab. 
C. 
Gegen das Urteil des Kantonsgerichts Thurgau vom 29. Mai 2001 hat X.________ sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Mit Letzterer verlangt er die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie die unentgeltliche Rechtspflege. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Wird in der gleichen Sache sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde zu befinden und die Entscheidung über die Berufung auszusetzen (Art. 57 Abs. 5 OG). Es besteht kein Anlass, anders zu verfahren. 
1.2 Die staatsrechtliche Beschwerde ist gemäss Art. 86 Abs. 1 OG einzig gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide und nach Art. 84 Abs. 2 OG nur dann zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer anderen Bundesbehörde gerügt werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. 
2. 
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des Willkürverbotes (Art. 9 BV) bei der Berechnung seines Einkommens. 
2.1 Der Beschwerdeführer hat sich 1998 selbständig gemacht und vorerst eine Einzelfirma betrieben. Mit Eingabe vom 9. Januar 2001 teilte er dem Obergericht mit, die Einzelfirma sei per 1. August 1999 in eine GmbH umgewandelt worden, und reichte einen Lohnausweis für die Monate August bis Dezember 1999 sowie den Abschluss 1999 der Einzelfirma X.________ ein. Am 15. Februar 2001 reichte er schliesslich den Abschluss der "X.________ GmbH" für die Periode von August 1999 bis Dezember 2000 nach. 
 
Gestützt auf die neuen und die bereits aktenkundigen Dokumente hat das Obergericht erwogen, zwischen April und Dezember 1998 habe der Beschwerdeführer einen Verlust von Fr. 34'393.30 erlitten und in der Zeit von Januar bis April 1999 noch einen solchen von Fr. 361.25. Aus der Erfolgsrechnung per 31. Juli 1999 ergebe sich für die Zeit von Januar bis Juli 1999 bereits ein Gewinn von 14'463.50. Im Abschluss der "X.________ GmbH" figuriere für die Zeit zwischen August 1999 und Dezember 2000 ein Personalaufwand von Fr. 50'194.70, wovon gemäss eingereichtem Lohnausweis ein Betrag von Fr. 10'000.-- auf die Monate August bis Dezember 1999 entfalle. Demnach habe der Beschwerdeführer im Jahr 2000 aus dem restlichen Personalaufwand und dem Jahresgewinn von Fr. 9'422.95 Einkünfte in der Grössenordnung von rund Fr. 50'000.-- erzielt. Damit habe er im Jahre 2000 das vom Scheidungsrichter erwartete Einkommen bereits erreicht und eine Sistierung der Unterhaltsrente rechtfertige sich nur bis 31. Dezember 1999. 
2.2 Der Beschwerdeführer legt der staatsrechtlichen Beschwerde eine ganze Anzahl neuer Beweisurkunden bei (u.a. die Gründungsurkunde und Statuten der GmbH, seine Steuererklärung für das Jahr 2000 sowie ihn und A.________ betreffende Lohnausweise für 1999 und 2000). Gestützt auf diese Unterlagen bringt er vor, in der Person von A.________ habe er einen Partner, der zu gleichen Teilen Lohn beziehe und zur Hälfte am Gewinn beteiligt sei. Er sei deshalb um gute 50% davon entfernt, das vom Scheidungsrichter vorausgesetzte Einkommen erreichen zu können. Der Vorinstanz habe er die Geschäftsergebnisse vorgelegt und über seine Einkünfte bzw. Einkommensmöglichkeiten Auskunft gegeben; die Umwandlung der Einzelfirma in eine GmbH sei bekannt gewesen. Indem das Obergericht an diesen Tatsachen vorbei den gesamten Personalaufwand und den ungeteilten Jahresgewinn einfach zum Einkommen eines einzelnen Gesellschafters deklariert habe, sei es in Willkür verfallen. 
2.3 Neue Vorbringen tatsächlicher und rechtlicher Art sind im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde grundsätzlich ausgeschlossen (Novenverbot; BGE 118 Ia 20 E. 5a S. 26). Ausnahmen werden für Vorbringen gemacht, zu deren Geltendmachung erst die Begründung des angefochtenen Entscheides Anlass gegeben hat, und für Gesichtspunkte, die sich aufdrängen und deshalb von der kantonalen Instanz offensichtlich von Amtes wegen hätten berücksichtigt werden müssen (BGE 99 Ia 113 E. 4a S. 122; Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl., Bern 1994, S. 369 ff.). Der Beschwerdeführer macht in diesem Sinn geltend, die Umwandlung der Einzelfirma in eine GmbH sei der Vorinstanz bekannt gewesen und gemäss einschlägiger Gesetzgebung bedürfe es hierfür einer Mehrheit von Personen. 
 
Der Beschwerdeführer hat dem Obergericht erstmals am 9. Januar 2001 mitgeteilt, die Einzelfirma sei per 1. August 1999 in eine GmbH umgewandelt worden, und am 15. Februar 2001 hat er den Jahresabschluss dieser Firma per 31. Dezember 2000 nachgereicht. Obwohl alle relevanten Urkunden, die nunmehr im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde eingereicht worden sind, zu jenem Zeitpunkt bereits vorhanden gewesen wären, unterliess es der Beschwerdeführer, diese einzureichen, und er machte im kantonalen Verfahren auch keinerlei Hinweise auf den angeblichen Geschäftsteilhaber. Deshalb ist unerfindlich, wie die Vorinstanz den zweiten, angeblich gleichberechtigten Gesellschafter hätte bemerken sollen: 
 
Weder das vom Beschwerdeführer verwendete Wort "Umwandlung" bzw. "umwandeln" noch der Gesellschaftsname - "X.________ GmbH" steht offensichtlich für "X.________ GmbH" - deuten auf eine personelle Erweiterung der Unternehmung hin, und im Jahresabschluss der GmbH figuriert ein Kontokorrent einzig des Beschwerdeführers. An der Sache vorbei geht schliesslich die Argumentation, für die Überführung einer Einzelfirma in eine GmbH bedürfe es gemäss den einschlägigen und von der Vorinstanz von Amtes wegen anzuwendenden Bestimmungen mehrerer Personen: Der Vorschrift von Art. 775 Abs. 1 OR ist Genüge getan, wenn bei der Gründung der Gesellschaft eine zweite Person mitwirkt und treuhänderisch eine Stammeinlage von Fr. 1'000.-- zeichnet (Art. 774 Abs. 1 OR). Für den weiteren Bestand der GmbH ist eine Personenmehrheit ebenso wenig erforderlich wie bei der AG (zur weiten Verbreitung und Zulässigkeit der so genannten Einmann-AG und Einmann-GmbH statt vieler: Meier-Hayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 8. Aufl., Bern 1998, § 16 N. 25 ff. und § 18 N. 13). 
 
Es sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die sich aufdrängten und deshalb von der kantonalen Instanz offensichtlich von Amtes wegen hätten berücksichtigt bzw. abgeklärt werden müssen. Die neuen Vorbringen des Beschwerdeführers in der staatsrechtlichen Beschwerde sind folglich unzulässig und auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
3. 
Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, war die staatsrechtliche Beschwerde von Anfang an aussichtslos. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist folglich abzuweisen. Die Gerichtsgebühr ist dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist, sind der Beschwerdegegnerin keine Kosten erwachsen. Daher ist keine Parteientschädigung zu sprechen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 7. Juni 2002 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: