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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_114/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 10. September 2013  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Donzallaz, Stadelmann, 
Gerichtsschreiber Egli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Fürsprecher Ralph George, 
 
gegen  
 
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern,  
Einwohnergemeinde Bern,  
Einwohnerdienste, Migration und Fremdenpolizei, 
Predigergasse 5, Postfach, 3000 Bern. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 18. Dezember 2012. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die nigerianische Staatsangehörige X.________ (geb. 1973) ersuchte im Oktober 2001 und August 2003 erfolglos um Asyl in der Schweiz. Am 14. Januar 2004 heiratete sie den Schweizer Bürger Y.________ (geb. 1955) und erhielt in der Folge eine Aufenthaltsbewilligung, später eine Niederlassungsbewilligung. Die kinderlos gebliebene Ehe wurde am 20. August 2010 geschieden.  
X.________ wurde am 19. April 2004 wegen geringfügigen Diebstahls zu einer Busse von Fr. 300.-- verurteilt. Am 29. September 2011 erfolgte eine Verurteilung wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie Urkundenfälschung und Betrugs zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren. 
 
1.2. Mit Verfügung vom 9. Februar 2012 widerrief die Einwohnergemeinde Bern die Niederlassungsbewilligung von X.________ und wies sie aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobene Beschwerde wies die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern am 16. Mai 2012 ab. Die anschliessende Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wurde am 18. Dezember 2012 im Kostenpunkt teilweise gutgeheissen, im Übrigen aber abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde.  
 
1.3. Vor Bundesgericht beantragt X.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 18. Dezember 2012 mit Ausnahme der neu festgesetzten amtlichen Entschädigung aufzuheben, insbesondere sei der Widerruf der Niederlassungsbewilligung sowie die Wegweisung aufzuheben, eventualiter eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Ferner sei ihr für das vorinstanzliche wie für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.  
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, das Bundesamt für Migration sowie die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern beantragen die Abweisung der Beschwerde. 
 
2.  
 
2.1. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit die Beschwerdeführerin eigenständig die Wegweisung anficht (Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG). Eine Beurteilung im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) ist nicht möglich, da keine substanziierte Rüge der Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 116 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG) vorliegt. Im Übrigen erweist sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet und kann daher im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt werden.  
 
2.2. Unbegründet ist zunächst die gerügte Gehörsverletzung (Art. 29 Abs. 2 BV) infolge fehlender Möglichkeit zur Akteneinsicht und Stellungnahme zum Beizug der Strafakten. Das Verwaltungsgericht avisierte den Aktenbeizug der Beschwerdeführerin, indem sie eine Kopie des vorinstanzlichen Schreibens an das Strafgericht betreffend Aktenbeizug vom 26. Juli 2012 zugestellt erhielt (BGE 132 V 387 E. 3.1 S. 388 f.; 124 II 132 E. 2b S. 137; Urteil 2C_1093/2012 vom 26. April 2013 E. 2.2). In der Folge war es Sache der Beschwerdeführerin, ein ausdrückliches Gesuch um Akteneinsicht zu stellen (Urteile 1C_482/2010 vom 14. April 2011 E. 3.1; 2C_341/2008 vom 30. Oktober 2008 E. 5.3; 2A.275/2006 vom 9. Januar 2007 E. 3). Anders verhielte es sich allenfalls bei Vorliegen einer abweichenden kantonalen Gerichtspraxis, die jedoch von der Beschwerdeführerin nicht dargetan wird (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; Urteil 9C_1001/2009 vom 15. April 2010 E. 4.3).  
 
2.3. Die Beschwerdeführerin rügt weiter eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts (Art. 97 und Art. 105 BGG), da die Vorinstanz die Betreibungen und Verlustscheine unter dem Aspekt der Integration der Beschwerdeführerin negativ gewertet, dabei aber übersehen habe, dass die fraglichen Betreibungen gerade die offenen Verlustscheine betreffen. Auch unter Berücksichtigung der Vorbringen der Beschwerdeführerin ist nicht ersichtlich, inwiefern die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung, wonach "die Betreibungen und die offenen Verlustscheine eher negativ ins Gewicht fallen" offensichtlich unrichtig sein soll, was denn auch von der Beschwerdeführerin ebenso wenig substanziiert dargetan wird wie die entscheidende Bedeutung der Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.; 133 III 350 E. 1.3 S. 351 f.).  
 
2.4.  
 
2.4.1. Die Niederlassungsbewilligung kann widerrufen werden, wenn die ausländische Person zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe, d.h. zu einer solchen von mehr als einem Jahr, verurteilt worden ist, wobei mehrere unterjährige Strafen bei der Berechnung nicht kumuliert werden dürfen (Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b AuG; BGE 139 I 31 E. 2.1 S. 32, 16 E. 2.1 S. 18; 137 II 297 E. 2 S. 299 ff.; 135 II 377 E. 4.2 S. 381). Keine Rolle spielt, ob die Sanktion bedingt, teilbedingt oder unbedingt ausgesprochen wurde (BGE 139 I 31 E. 2.1 S. 32, 16 E. 2.1 S. 18). Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung muss - wie jedes staatliche Handeln - verhältnismässig sein (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 63 Abs. 1 i.V.m. Art. 96 AuG; BGE 139 II 121 E. 6.5.1 S. 132; 139 I 31 E. 2.3.1 S. 33 f., 16 E. 2.1 S. 18 f.; 135 II 377 E. 4.3 S. 381).  
 
2.4.2. Unbestritten ist, dass der Widerrufsgrund nach Art. 63 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 62 lit. b AuG mit der Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren erfüllt ist. Die Beschwerdeführerin hat sich aus rein finanziellen Motiven dreimal als Drogenkurierin betätigt und transportierte dabei insgesamt ca. 1'277 Gramm Kokaingemisch (ca. 419.3 Gramm reines Kokain). Weiter reichte sie bei der Arbeitslosenkasse Bern gefälschte Ausbildungsbestätigungen für ihre Kinder ein, sodass ihr rückwirkend per Januar 2011 ein zu hohes Arbeitslosentaggeld ausbezahlt wurde. Die begangenen Taten stellen einen überaus schwerwiegenden Verstoss gegen die schweizerische Rechtsordnung dar (BGE 135 II 377 E. 4.4 S. 383; Urteil 2C_170/2013 vom 20. Juni 2013 E. 3.5), wobei das Bundesgericht bei der Betäubungsmitteldelinquenz - in Übereinstimmung mit der in Europa vorherrschenden Rechtsauffassung - ausländerrechtlich eine strenge Praxis verfolgt (BGE 139 I 31 E. 2.3 S. 33 ff., 16 E. 2.2 S. 19 ff.; 131 II 352 E. 4.3.1 S. 360; 129 II 215 E. 6 u. 7 S. 220 ff.; 125 II 521 E. 4a/aa S. 526 f.).  
 
2.4.3. Unbehelflich ist der Einwand, dass nicht auf das Strafurteil abgestellt werden könne, da dieses im abgekürzten Verfahren (Art. 358 ff. StPO [SR 312.0]) zustande gekommen sei und Richter wie Anwälte damit im Urteilszeitpunkt noch wenig Erfahrung gehabt hätten. Zu Recht weist die Vorinstanz darauf hin, dass eine Verurteilung im abgekürzten Verfahren voraussetzt, dass die beschuldigte Person den Sachverhalt eingesteht (Art. 358 Abs. 1 StPO) und der Anklageschrift zustimmt (Art. 360 Abs. 2 StPO), was denn auch vorliegend unstrittig ist. Auch bei einer Verurteilung im abgekürzten Verfahren besteht regelmässig kein Raum, die Beurteilung des Strafgerichts, namentlich zur Angemessenheit der Sanktion (vgl. Art. 362 Abs. 1 lit. c StPO), im ausländerrechtlichen Verfahren zu relativieren (vgl. sinngemäss Urteil 2C_1052/2012 vom 2. April 2013 E. 4.3 mit Hinweisen).  
 
2.4.4. Die privaten Interessen der Beschwerdeführerin vermögen die erheblichen öffentlichen Interessen an der Entfernungsmassnahme nicht zu überwiegen. Die Beschwerdeführerin hält sich faktisch seit elf Jahren in der Schweiz auf, allerdings war der Aufenthalt erst seit der Heirat im Jahr 2004 bis zum Widerruf der Niederlassungsbewilligung ordnungsgemäss (vgl. BGE 139 I 37 E. 4.1 S. 49; 137 II 10 E. 4.3-4.7). Trotz des relativ langen Aufenthalts in der Schweiz ist weder in beruflicher noch in sozialer Hinsicht von einer gelungenen Integration auszugehen. Eine stabile berufliche Situation ist ebenso wenig dargetan wie eine überdurchschnittliche Eingliederung in schweizerische Verhältnisse, auch wenn gewisse Integrationsbemühungen erkennbar, jedoch durch die Straftaten wieder in Frage gestellt sind. Dabei darf auch die Verurteilung aus dem Jahr 2004 berücksichtigt werden, fällt aber kaum mehr ins Gewicht (Urteil 2C_477/2008 vom 24. Februar 2009 E. 3.2.2). Die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 21. Mai 2013 zur finanziellen Situation bleibt als echtes Novum unberücksichtigt (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 138 II 393 E. 3.5 S. 397; 135 I 221 E. 5.2.4 S. 229). Nicht substanziiert bestritten wird die Zumutbarkeit der Rückkehr nach Nigeria, wo die Beschwerdeführerin ihre ersten 28 Lebensjahre verbracht hat und wo ihre Kinder, ihre Mutter sowie weitere Familienangehörige und Bekannte leben.  
 
2.5. Nach dem Gesagten sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - als mildere Massnahme zum Widerruf der Niederlassungsbewilligung - nicht erfüllt, da die Beschwerdeführerin den Widerrufsgrund nach Art. 62 lit. b AuG gesetzt hat und der Widerruf verhältnismässig ist (Urteile 2C_339/2013 vom 18. Juli 2013 E. 4; 2C_682/2012 vom 7. Februar 2013 E. 6.2 mit Hinweisen). Offenbleiben kann damit, ob der erstmals vor Bundesgericht gestellte Antrag auf Aufenthaltsbewilligung überhaupt zulässig ist (Art. 99 Abs. 2 BGG), zumal keine Anspruchsbewilligung geltend gemacht wird (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG).  
 
2.6. Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die vorinstanzliche Abweisung ihres Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege wendet, erhebt sie keine zulässige Rügen (Art. 95 BGG), namentlich beruft sie sich nicht auf eine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV, weshalb darauf nicht einzutreten ist (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 V 74 E. 2 S. 76 f.; 138 I 367 E. 5.2 S. 373, 274 E. 1.6 S. 280 f.).  
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).  
 
3.2. Bei diesem Verfahrensausgang wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da die Eingabe von vornherein aussichtslos war, kann dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren nicht entsprochen werden (Art. 64 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (vgl. Art. 68 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. September 2013 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Egli