Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
[AZA 7] 
I 404/00 Ge/Gb 
 
II. Kammer 
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; 
Gerichtsschreiber Fessler 
 
Urteil vom 28. September 2000 
 
in Sachen 
F.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Peter Hollinger, Marktgasse 16, Interlaken, 
 
gegen 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, Bern, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
A.- Der 1949 geborene F.________ gab auf Ende August 1992 die Tätigkeit als selbstständiger Maler/Gipser infolge zunehmender arthrotischer Beschwerden der rechten Hand auf. 
Mit Verfügung vom 5. September 1995 sprach ihm die IV-Stelle Bern rückwirkend für die Zeit vom 1. August 1993 bis 
31. Januar 1994 eine ganze und ab 1. Februar 1994 aufgrund einer Erwerbsunfähigkeit von 52 % eine halbe Rente der Invalidenversicherung samt Zusatzrente für die Ehefrau und drei Kinderrenten zu. 
Im Juni 1997 meldete sich F.________ erneut bei der Invalidenversicherung und ersuchte um berufliche Massnahmen (Berufsberatung/Umschulung). Als Grund gab er eine starke Verschlechterung des Zustandes seiner Hände an. Die IV-Stelle liess die beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten im Rahmen eines vierwöchigen stationären Aufenthaltes vom 4. bis 29. Mai 1998 in der BEFAS abklären und anschliessend den Versicherten durch den Rheumatologen Dr. med. 
X.________ untersuchen und begutachten. Mit Vorbescheid vom 28. April 1999 teilte die IV-Stelle F.________ mit, die revisionsweise Neuberechnung des Invaliditätsgrades ergebe 61 %, sodass weiterhin Anspruch auf eine halbe Invalidenrente bestehe. Am 28. Mai 1999 erliess die Verwaltung eine auf Ablehnung des Revisionsbegehrens lautende Verfügung. 
 
 
B.- Die von F.________ hiegegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Zusprechung einer ganzen Invalidenrente wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern nach Vernehmlassung der IV-Stelle mit Entscheid vom 29. Mai 2000 ab. 
 
C.- F.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung von Entscheid und Verfügung sei ihm eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. 
 
Die IV-Stelle trägt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Die revisionsweise Überprüfung der seinerzeit aufgrund eines Invaliditätsgrades von 52 % zugesprochenen halben Invalidenrente durch die IV-Stelle hat einen zwar höheren, jedoch nicht anspruchsändernden Invaliditätsgrad von 61 % ([Fr. 105'000.- - Fr. 40'455.-]/Fr. 105'000.- x 100 %) ergeben. Ausgehend vom selben in der ursprünglichen Rentenverfügung herangezogenen Valideneinkommen hat die Vorinstanz die Invaliditätsbemessung der Verwaltung im Wesentlichen mit der Begründung bestätigt, dem Beschwerdeführer wäre es beispielsweise als Überwacher der Abpackanlage in der Firma Z.________ AG, als Magaziner bei der Firma Y.________ AG oder als Kurierbote bei der Firma S.________ AG möglich, einen Lohn von mehr als Fr. 35'000.- im Jahr zu verdienen, sodass nicht Anspruch auf eine ganze Invalidenrente bestehe. Die genannten Verweisungstätigkeiten sind in der von der SUVA erstellten Dokumentation über Arbeitsplätze (DAP) enthalten und gemäss Dr. med. 
X.________, welcher den Versicherten im Anschluss an die Abklärung der beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten in der BEFAS untersuchte und begutachtete, diesem vollzeitlich und ohne leistungsmässige Einbusse zumutbar. 
 
2.- Das Valideneinkommen von Fr. 105'000.- entspricht dem der Rentenzusprechung am 5. September 1995 zugrundegelegten durchschnittlichen hypothetischen Betriebsgewinn für 1995 (vgl. Abklärungsbericht für Selbstständigerwerbende vom 8. Mai 1995). Dieser Betrag ist abgesehen davon, dass er nicht an die Teuerung nach Massgabe des Landesindexes der Konsumentenpreise und der realen Einkommensentwicklung gemäss Reallohnindex für Arbeitnehmer des Bundesamtes für Statistik im Zeitraum 1995 bis 1999 (vgl. SVR 1999 IV Nr. 24 S. 73 Erw. 5 mit Hinweisen) angepasst worden ist, nicht zu beanstanden. Eine zur Neuberechnung des Valideneinkommens auf einer anderen Grundlage Anlass gebende, nicht invaliditätsbedingte Änderung der tatsächlichen Verhältnisse seit der Verfügung vom 5. September 1995 wird nicht geltend gemacht (vgl. BGE 113 V 27 Ew. 3b). Ebenfalls wird nicht vorgebracht und es bestehen keine Hinweise in den Akten, dass bei Fortführung der selbstständigen Maler/ Gipser-Tätigkeit ohne gesundheitliche Beeinträchtigung, bedingt beispielsweise durch die Konjunkturlage und -entwicklung und/oder die Konkurrenzsituation oder als Folge der Trennung von der Ehefrau, soweit diese auch ohne gesundheitliche Probleme erfolgt wäre, die Betriebsstruktur wesentlich geändert oder das Geschäft sogar hätte aufgegeben werden müssen. Soweit gemäss Verwaltungsgerichtsbeschwerde bei der ursprünglichen Rentenzusprechung "der Anteil der mitarbeitenden nicht entlöhnten Ehefrau (...) viel zu hoch angesetzt war", sodass das Valideneinkommen "in Tat und Wahrheit" mindestens Fr. 115'000.- beträgt, dringt dieser Einwand nicht durch: Zum einen ist seitens des Valideneinkommens keine revisionsrechtlich erhebliche Änderung erkennbar; zum andern lässt die Annahme eines Valideneinkommens von Fr. 105 000.- die ursprüngliche Zusprechung einer halben Invalidenrente nicht als zweifellos unrichtig erscheinen; abgesehen davon, dass bejahendenfalls die Verwaltung vom Richter nicht zur Wiedererwägung verpflichtet werden könnte (BGE 119 V 183 f. Erw. 3a mit Hinweisen). 
 
3.- Gegen das von der Vorinstanz auf mindestens Fr. 35'000.- im Jahr veranschlagte Invalideneinkommen wird vorgebracht, gemäss schriftlicher Auskunft des Hausarztes Dr. med. B.________, Allgemeine Medizin FMH Sportmedizin, vom 26. Juni 2000 sei der Beschwerdeführer wegen seiner Hand-, Schulter-, Rücken- und Knieprobleme in den letzten drei Jahren abgesehen von kleinen Unterbrüchen vollständig arbeitsunfähig gewesen. Sodann habe die stationäre berufliche Abklärung in der BEFAS ergeben, dass (aufgrund einer Arbeitsfähigkeit bei körperlich leichten Tätigkeiten von maximal 30 %) die Erzielung eines relevanten Erwerbseinkommens nicht möglich sei. 
 
a) Diese Einwendungen sind insofern stichhaltig, als das Gutachten des Dr. med. X.________ vom 22. Februar 1999 entgegen kantonalem Gericht und IV-Stelle nicht die zuverlässige Umschreibung der leidensbedingt noch zumutbaren erwerblichen Tätigkeiten erlaubt. Dabei ist vorauszuschicken, dass es grundsätzlich Sache des Berufsberaters resp. der Verwaltung und nicht des Mediziners ist, konkrete wirtschaftlich verwertbare Arbeitsmöglichkeiten zu bezeichnen, welche aufgrund der ärztlichen Einschätzung der Arbeitsfähigkeit und unter Berücksichtigung der übrigen Fähigkeiten des Versicherten gesundheitsbedingt noch in Frage kommen (BGE 107 V 20 Erw. 2b, in BGE 114 V 310 nicht publizierte Erw. 4b am Ende sowie AHI 1998 S. 290 unten). Mit dieser Aufgabenteilung ist es ohne weiteres vereinbar, dass sich der Arzt, wie vorliegend, zur Zumutbarkeit einer bestimmten Tätigkeit von den körperlichen und psychischen Anforderungen her äussert. 
 
b) aa) Dr. med. X.________ hat die Frage nach der Arbeitsfähigkeit in einer der Behinderung angepassten Tätigkeit unter Ziff. 5.3 des Gutachtens vom 22. Februar 1999 dahingehend beantwortet, es seien durchaus Bereiche vorstellbar, in welchen der Versicherte vollzeitlich und mit voller Leistung einsetzbar sein könnte. Für die Konkretisierung dieser Aussage verweist er auf Ziff. 5.5 der Expertise, wo er unter anderem ausführt, am geeignetsten sowohl aus physischer wie auch aus Sicht der intellektuellen Anforderungen seien Tätigkeiten kontrollierender Art, beispielsweise Securitas-Wächter oder Badeaufseher. Weitere Möglichkeiten zeigten sich in den DAP-Erfassungsblättern, so Magaziner/ Lagerist oder Kurierbote. Überhaupt erschienen Tätigkeiten in einem Bereich, der vorwiegend auf dem Führen eines Autos basiere, nicht ungeeignet. 
bb) Zur Frage, welche Bedingungen eine dem Leiden angepasste Arbeitsstelle erfüllen müsste, führt Dr. med. 
X.________ unter Ziff. 5.7 aus: "Variation in der Arbeitsposition, am besten gehende Tätigkeit, bei sitzender Tätigkeit Möglichkeit des häufigen Positionswechsels, keine spezifisch feinmotorische Tätigkeit, keine grösseren Kraftanstrengungen für die Fingergelenke, keine Tätigkeit, welche Heben der Arme in die Horizontale oder höher erfordert. " Dabei handelt es sich um die eigentliche, aufgrund von Anamnese, Befund und Diagnose schlüssige Stellungnahme zur Arbeitsfähigkeit. Nach dieser nicht auf bestimmte konkrete Tätigkeiten Bezug nehmenden Umschreibung bestehen mannigfache Einschränkungen und zwar sowohl in Bezug auf die bei der Arbeit einzunehmende Position, als auch hinsichtlich der Beweglichkeit und Belastbarkeit insbesondere der Schultern, Arme und Hände. Aufgrund des klinischen Beschwerdebildes (u.a. Omarthrose beidseits, Arthrose mehrerer Fingergrundgelenke rechts mit Subluxationsstellung des Mittelfingers, Rhizarthrose rechts, arthrotische Kennzeichen der Schulter rechts, chronische Lumbalgie bei Diskopathie L5/S1 mehr als L4/5 und gemäss BEFAS-Bericht vom 26. Juni 1998 Verdacht auf Gonarthrose beidseits) erscheint die vorab mit Blick auf bestimmte Tätigkeiten gemachte Aussage einer vollen Leistungsfähigkeit bei vollem Arbeitspensum (Erw. 3b/aa) fraglich. Diese Zweifel werden durch die Beurteilung der Fachleute der BEFAS bestätigt und verstärkt, wonach auch bei körperlich leichten Tätigkeiten eine Arbeitsfähigkeit von maximal 30 % besteht. Dieser Einschätzung kann nicht etwa mit dem Hinweis, sie gebe lediglich die bei den verschiedenen Arbeitsversuchen erzielte Leistung wieder, jeglicher Beweiswert abgesprochen werden. Abgesehen davon, dass es gemäss Bericht vom 26. Juni 1998 an der Einsatzbereitschaft und am Arbeitswillen beim Beschwerdeführer nicht mangelte, ist anzunehmen, dass der Arzt der BEFAS seine Stellungnahme zur Arbeitsfähigkeit in Kenntnis der medizinischen Unterlagen abgab, waren doch die Akten der Abklärungsstelle vor der Massnahme zugestellt worden. 
 
 
c) Nach dem Gesagten bildet das Gutachten des Dr. med. 
X.________ vom 22. Februar 1999 keine hinreichende Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche Tätigkeiten und in welchem Umfang, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit, heute noch in Frage kommen. Das darauf beruhende Invalideneinkommen (von mindestens Fr. 35'000.-) kann daher nicht ohne weiteres zur Ermittlung des Invaliditätsgrades im Hinblick auf die Revision der halben Rente herangezogen werden. Vielmehr drängen sich weitere von der Verwaltung zu veranlassende Abklärungen in medizinischer und allenfalls beruflicher Hinsicht auf. Damit erübrigt sich eine nähere Prüfung der Einwendungen gegen die von der Vorinstanz als zumutbar erachteten Verweisungstätigkeiten. 
 
4.- Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend steht dem Beschwerdeführer eine u.a. nach dem Umfang der Arbeitsleistung und dem Zeitaufwand des Anwalts bemessene Parteientschädigung zu (Art. 159 OG und Art. 2 Abs. 1 des Tarifs über die Entschädigungen an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht in Verbindung mit Art. 135 und Art. 160 OG). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne 
gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts 
des Kantons Bern vom 29. Mai 2000 und die 
Verfügung vom 28. Mai 1999 aufgehoben werden und die 
Sache an die IV-Stelle Bern zurückgewiesen wird, damit 
sie nach ergänzenden Abklärungen im Sinne der Erwägungen 
über den Rentenanspruch neu verfüge. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Die IV-Stelle Bern hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2000.- (einschliesslich 
 
 
Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV.Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses 
 
 
zu befinden haben. 
 
V.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht 
des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche 
Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
zugestellt. 
Luzern, 28. September 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: