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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 255/04 
 
Urteil vom 7. September 2004 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger; Gerichtsschreiber Ackermann 
 
Parteien 
G.________, 1963, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Ilg, Rämistrasse 5, 8001 Zürich, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn 
 
(Entscheid vom 1. April 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
G.________, geboren 1963, arbeitete seit März 1985 als Produktionsmitarbeiter in einem Druckereibetrieb. Seit dem 26. Mai 2000 ist er in unterschiedlichem Grad arbeitsunfähig; die Arbeitsstelle wurde ihm per 31. August 2001 gekündigt. Seither geht er keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. G.________ meldete sich am 30. November 2000 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Arztbericht vom 9. Januar 2001 diagnostizierte die Rheumaklinik des Spitals X.________ ein chronisches lumboradikuläres Schmerzsyndrom. Die IV-Stelle des Kantons Solothurn holte im Weiteren je einen Bericht des Hausarztes Dr. med. H.________, Arzt für Allgemeine Medizin FMH, der Rheuma- und Rehabilitationsklinik Y.________ sowie ein Gutachten des Ärztlichen Begutachtungsinstituts (ABI) ein. Gestützt auf diese Abklärungen ging die IV-Stelle von einem Invaliditätsgrad von 28 % aus und verneinte mit Verfügung vom 31. Juli 2003 den Anspruch auf eine Invalidenrente, woran sie mit Einspracheentscheid vom 23. Oktober 2003 festhielt. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 1. April 2004 ab. 
C. 
G.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und des Einspracheentscheides seien ihm eine ganze Rente, eventualiter berufliche Massnahmen zuzusprechen. Ferner lässt er die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung beantragen. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichts-beschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2004 ist die 4. IVG-Revision in Kraft getreten. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheides (23. Oktober 2003) eingetretenen Sachverhalt abstellt (RKUV 2001 Nr. U 419 S. 101), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Bestimmungen anwendbar. 
 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Begriff der Invalidität (Art. 8 ATSG, Art. 4 IVG), die Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit (Art. 6 und 7 ATSG) und den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG in der bis Ende 2003 geltenden Fassung), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) sowie die Aufgabe der Ärzte bei der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
Der Beschwerdeführer hat sich bereits im Jahr 2000 bei der Invalidenversicherung angemeldet; damit ist teilweise ein rechtserheblicher Sachverhalt zu beurteilen, der sich vor dem In-Kraft-Treten des ATSG am 1. Januar 2003 verwirklicht hat. Nach dem zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteil L. vom 4. Juni 2004, H 6/04, kann in intertemporalrechtlicher Hinsicht aus Art. 82 Abs. 1 ATSG nicht etwa der Umkehrschluss gezogen werden, dass für die Anwendbarkeit materiellrechtlicher Bestimmungen des neuen Gesetzes bezüglich im Zeitpunkt seines In-Kraft-Tretens noch nicht festgesetzter Leistungen einzig der Verfügungszeitpunkt ausschlaggebend sei. Vielmehr sind - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - die übergangsrechtlichen Grundsätze massgebend, welche für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Grundlagen die Ordnung anwendbar erklären, welche zur Zeit galt, als sich der zu Rechtsfolgen führende Sachverhalt verwirklicht hat. Im vorliegenden Fall ist daher bei der Bestimmung des streitigen Rentenanspruchs (zumindest für den Zeitraum bis 31. Dezember 2002) auf die damals geltenden Bestimmungen des IVG abzustellen; dies betrifft namentlich - bezüglich des Invaliditätsbegriffs - Art. 4 Abs. 1 IVG (in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung) und - bezüglich des Umfangs eines allfälligen Rentenanspruchs - Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG (aufgehoben per 1. Januar 2004) sowie - bezüglich der Invaliditätsbemessung nach der Einkommensvergleichsmethode - Art. 28 Abs. 2 IVG (in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung; noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil M. vom 5. Juli 2004 [I 690/03]). Für den Verfahrensausgang ist dies indessen insofern von untergeordneter Bedeutung, als die im ATSG enthaltenen Umschreibungen der Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG), der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), der Invalidität (Art. 8 ATSG) sowie des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) den bisherigen von der Rechtsprechung im Invalidenversicherungsbereich entwickelten Begriffen und Grundsätzen entsprechen und daher mit dem In-Kraft-Treten des ATSG keine substanzielle Änderung der früheren Rechtslage verbunden war (in der Amtlichen Sammlung noch nicht veröffentlichtes Urteil A. vom 30. April 2004 [I 626/03]). 
2. 
Streitig ist die Höhe des Invaliditätsgrades und in diesem Zusammenhang vor allem die Frage des Umfangs der zumutbaren Arbeitsfähigkeit im Erwerbsbereich. Die Vorinstanz stellt dabei auf die Einschätzung des ABI vom 28. Oktober 2002 ab, wonach in der angestammten Tätigkeit eine bleibende, volle Arbeitsunfähigkeit bestehe. Eine leichte oder mittelschwere Tätigkeit könne dem Beschwerdeführer aber im vollen Umfang zugemutet werden. Der Versicherte macht demgegenüber unter Berufung auf den Bericht des Hausarztes eine vollständige Arbeitsunfähigkeit geltend. 
 
Das fachärztliche Gutachten des ABI vom 28. Oktober 2002 ist für die streitigen Belange umfassend, beruht auf allseitigen Untersuchungen, berücksichtigt die geklagten Beschwerden und ist in Kenntnis der Vorakten abgegeben worden; zudem ist es in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation einleuchtend und enthält begründete Schlussfolgerungen (BGE 125 V 352 Erw. 3a). Zusätzlich werden die medizinischen Aussagen des ABI durch das Gutachten der Rheumaklinik des Spitals X.________ sowie den Konsiliarbericht der Rheuma- und Rehabilitationsklinik Y.________ bestätigt. Im Arztbericht vom 5. September 2001 stellt der Hausarzt eine medizinisch begründete vollständige Arbeitsunfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Angestellter an einer Druckermaschine fest, die auch durch die anderen medizinischen Berichte bestätigt wird. Dass der Versicherte aber auch für leichte und mittelschwere Tätigkeiten vollständig arbeitsunfähig sei, attestiert der Hausarzt nicht. Dieser empfiehlt jedoch eine psychiatrische Begutachtung, die anlässlich der Erstellung des Gutachtens des ABI auch durchgeführt wurde. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten psychischen Störungen wurden demzufolge im ABI bereits abgeklärt. 
 
Die Vorinstanz hat somit bei ihrem Entscheid zu Recht auf die Aussagen des ABI abgestellt. Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde verlangte zusätzliche psychiatrische Abklärung ist infolge der eindeutigen Aktenlage nicht notwendig. 
3. 
3.1 Das kantonale Gericht hat das Einkommen ohne Gesundheitsschaden (Valideneinkommen) für das Jahr 2001 zu Recht aufgrund des vom Beschwerdeführer im Jahre 2000 verdienten und der Lohnentwicklung angepassten Lohnes bestimmt. Für die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Weiterbildung gibt es keine Anhaltspunkte in den Akten und diese wird vom Beschwerdeführer auch nicht belegt. 
 
3.2 Die Vorinstanz hat das Einkommen nach Eintritt der Invalidität (Invalideneinkommen) anhand der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2000 festgesetzt und dabei einen leidensbedingten Abzug von 10 % berücksichtigt. Der Versicherte bringt vor, dass das Invalideneinkommen viel zu hoch angenommen worden sei, da nur eine leichte Teilzeitanstellung möglich sei und Teilzeitarbeiter notorisch mit Lohnabzügen zu rechnen hätten. Der Beschwerdeführer beantragt weiter, dass infolge des überdurchschnittlich grossen Leidens in casu ein Leidensabzug von 25 % angebracht sei. 
 
Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erwähnte Teilzeitarbeit kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil der Versicherte vollständig arbeitsfähig ist. Gemäss Rechtsprechung können persönliche und berufliche Merkmale des Versicherten wie Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Nationalität oder Aufenthaltskategorie sowie Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Höhe des Lohnes haben (BGE 126 V 78 Erw. 5a/cc). Der deswegen vom Tabellenlohn vorzunehmende behinderungsbedingte Abzug beträgt jedoch nicht generell und in jedem Fall 25 %. Es ist vielmehr anhand der gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls zu prüfen, ob und in welchem Mass das hypothetische Invalideneinkommen gekürzt werden kann (BGE 126 V 79 f. Erw. 5b). Dieser gesamthaft vorzunehmende Abzug stellt eine Schätzung dar. Bei der Überprüfung kann es nicht darum gehen, dass die kontrollierende richterliche Behörde ihr Ermessen an die Stelle der Vorinstanz setzt. Bei der Unangemessenheit gemäss Art. 132 lit. a OG geht es um die Frage, ob der zu überprüfende Entscheid, den die Behörde nach dem ihr zustehenden Ermessen im Einklang mit den allgemeinen Rechtsprinzipien in einem konkreten Fall getroffen hat, nicht zweckmässigerweise anders hätte ausfallen sollen. Allerdings darf das Sozialversicherungsgericht sein Ermessen nicht ohne triftigen Grund an die Stelle desjenigen der Verwaltung setzen; es muss sich somit auf Gegebenheiten abstützen können, welche seine abweichende Ermessensausübung als näher liegend erscheinen lassen (BGE 126 V 81 Erw. 6). In Anbetracht der Umstände und fehlender triftiger Gründe kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass der vom kantonalen Gericht auf 10 % festgesetzte leidensbedingte Abzug für den etwas eingeschränkten Gesundheitszustand anders hätte ausfallen sollen. 
 
Damit ist der vom kantonalen Gericht auf 29 % festgesetzte Invaliditätsgrad nicht zu beanstanden und in der Folge der Rentenanspruch zu verneinen. 
4. 
Der Beschwerdeführer beantragt eventualiter berufliche Massnahmen. Gemäss Abschlussbericht der IV-Stelle vom 8. Juni 2001 sind die Abklärungen für berufliche Massnahmen nur vorläufig eingestellt worden. Betreffend Stellenvermittlung wurde dem Beschwerdeführer im Einspracheentscheid der IV-Stelle vom 23. Oktober 2003 die Mithilfe bei der Stellensuche angeboten. Demzufolge bestreitet die Verwaltung die beantragten beruflichen Massnahmen nicht, sodass infolge fehlenden schutzwürdigen Interesses im Sinne von Art. 103 lit. a OG auf den Eventualantrag des Beschwerdeführers nicht einzutreten ist. 
5. 
5.1 Da es um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. 
 
5.2 Nach Gesetz (Art. 152 OG) und Praxis sind in der Regel die Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung erfüllt, wenn der Prozess nicht aussichtslos erscheint, die Partei bedürftig und die anwaltliche Verbeiständung notwendig oder doch geboten ist (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b). Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde. Eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet (BGE 129 I 135 Erw. 2.3.1, 128 I 236 Erw. 2.5.3). 
 
Der rechtserhebliche Sachverhalt wurde von verschiedenen unabhängigen anerkannten Fachstellen abgeklärt. Insbesondere nimmt der Versicherte das Gutachten des ABI nicht zur Kenntnis, denn dieses enthält ein psychiatrisches Gutachten, auf das der Beschwerdeführer überhaupt nicht eingeht. Zusätzlich vermag der Versicherte eine wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes in keiner Weise zu belegen, sodass es keinerlei Anhaltspunkte gibt, weitere Abklärungen zu veranlassen. Auch sind die beantragten beruflichen Massnahmen von der Verwaltung nicht bestritten (vgl. Erw. 4 hievor). Eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, hätte sich unter Abstützung auf diese Argumente nicht zu einem Prozess entschlossen, da die Verlustgefahren wesentlich höher als die (praktisch inexistenten) Gewinnaussichten waren. Wegen Aussichtslosigkeit des Prozesses sind die Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung daher nicht erfüllt. Die Frage der Bedürftigkeit und der Notwendigkeit der Verbeiständung kann offen gelassen werden. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 7. September 2004 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: