Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
[AZA 7] 
C 200/01 Bh 
 
III. Kammer 
 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; 
Gerichtsschreiber Ackermann 
 
Urteil vom 17. Juli 2002 
 
in Sachen 
N.________, 1951, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Holenstein, Bahnhofstrasse 22, 8022 Zürich, 
gegen 
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Stampfenbachstrasse 32, 8001 Zürich, Beschwerdegegner, 
 
und 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
A.- N.________, geboren 1951, meldete sich am 10. Juni 1994 bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug an. Nachdem die Invalidenversicherung im Dezember 1994 eine halbe und ab Januar 1995 eine ganze Rente ausgerichtet hatte, forderte die Arbeitslosenkasse GBI mit Verfügung vom 9. August 1996 zu viel bezahlte Taggelder im Umfang von Fr. 42'952. 25 zurück; zusätzlich wurden Fr. 23'038.-- mit Leistungen der Invalidenversicherung verrechnet. Das Erlassgesuch der N.________ vom 14. August 1998 lehnte das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Zürich mit Verfügung vom 15. März 1999 mangels Vorliegens einer grossen Härte ab. 
 
 
B.- Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 18. Mai 2001 ab. 
 
 
C.- N.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Verwaltungsverfügung sei ihr die Rückzahlung im Betrag von Fr. 22'536. 85 teilweise zu erlassen, eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. 
Das AWA schliesst sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Nach ständiger Rechtsprechung betreffen Streitigkeiten über den Erlass einer Rückerstattungsschuld nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen (BGE 122 V 222 Erw. 2 mit Hinweis). Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat deshalb nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
 
2.- Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen für den Erlass einer Rückerstattungsschuld (Art. 95 Abs. 2 AVIG) sowie den Begriff der grossen Härte (BGE 126 V 52 Erw. 2b; Art. 47 Abs. 1 AHVG, Art. 79 Abs. 1bis AHVV, Art. 3b und 3c ELG) und des anzurechnenden verzichteten Einkommens (Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG, BGE 121 V 205 Erw. 4a mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3.- Streitig ist das - für den Erlass der Rückerstattungsforderung vorausgesetzte - Vorliegen einer grossen Härte und dabei insbesondere der Aspekt, ob es dem Ehemann der Beschwerdeführerin zumutbar sei, seine 1999 begonnene selbstständige Erwerbstätigkeit als Kunstmaler zugunsten eines Anstellungsverhältnisses aufzugeben, so dass bejahendenfalls die Festlegung des Härtefalles unter der Annahme erfolgt, der Ehemann habe eine entsprechende Tätigkeit aufgenommen. 
 
a) Das kantonale Gericht hat auf die eheliche Beistands- und Unterhaltspflicht (Art. 159 und 163 ZGB) abgestellt und die - eventuell vorübergehende - Aufgabe der (sich im Aufbau befindenden) selbstständigen Tätigkeit als Künstler zugunsten einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit als zumutbar erachtet. Die Beschwerdeführerin ist demgegenüber der Auffassung, dass ihr Ehemann durch die Arbeit als selbstständiger Künstler nicht auf Einkommen verzichte; zudem müsse er infolge der Invalidität der Versicherten den Haushalt führen, was zusammen mit seinem Alter und seiner Ausbildung sowie seinem bisherigen beruflichen Werdegang die Aufnahme einer unselbstständigen Arbeit als weder zumutbar noch realistisch erscheinen lasse. 
 
b) Da sich die grosse Härte als Voraussetzung des Erlasses der Rückerstattungsschuld gemäss Art. 95 Abs. 2 AVIG, der Rechtsprechung (BGE 126 V 52 Erw. 2b) und angesichts der Regelung der AHV (Art. 47 Abs. 1 AHVG, Art. 79 Abs. 1bis AHVV) auch in der Arbeitslosenversicherung nach den Bestimmungen des ELG bestimmt, muss sich auch die Frage nach Pflicht und Zumutbarkeit der Aufgabe einer selbstständigen Erwerbstätigkeit zugunsten einer unselbstständigen Arbeit nach den Regeln des Rechts der Ergänzungsleistungen richten. 
 
aa) Nach Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG fallen unter die anrechenbaren Einnahmen auch Einkünfte und Vermögenswerte, auf die verzichtet worden ist. Eine Verzichtshandlung liegt vor, wenn der Versicherte ohne rechtliche Verpflichtung und ohne adäquate Gegenleistung auf Vermögen verzichtet hat, wenn er einen Rechtsanspruch auf bestimmte Einkünfte und Vermögenswerte hat, davon aber praktisch nicht Gebrauch macht bzw. seine Rechte nicht durchsetzt, oder wenn er aus von ihm zu verantwortenden Gründen von der Ausübung einer möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit absieht (BGE 121 V 205 Erw. 4a, AHI 2001 S. 133 Erw. 1b, je mit Hinweisen). 
Somit ist ein Verzichtseinkommen auch bei der Feststellung der grossen Härte gemäss Art. 95 Abs. 2 AVIG grundsätzlich zu berücksichtigen. 
 
bb) Gemäss Rechtsprechung ist unter dem Titel des Vermögensverzichtes auch ein hypothetisches Einkommen des Ehegatten eines Ansprechers von Ergänzungsleistungen zu berücksichtigen (BGE 117 V 291 Erw. 3b, AHI 2001 S. 132), weshalb ein solches auch für das Vorliegen einer grossen Härte nach Art. 95 Abs. 2 AVIG beachtlich ist (vgl. BGE 116 V 294 Erw. 3). Die Beschwerdeführerin anerkennt denn auch, dass das Einkommen ihres Ehemannes als Selbstständigerwerbender zu berücksichtigen ist. 
 
cc) Bei der Ermittlung der zumutbaren Erwerbstätigkeit des Ehegatten kann nicht von den pauschalen Minimalbeträgen im Sinne von Art. 14b ELV ausgegangen werden, sondern es ist der konkrete Einzelfall unter Anwendung familienrechtlicher Grundsätze zu berücksichtigen (BGE 117 V 292 Erw. 3c). Dementsprechend ist auf das Alter, den Gesundheitszustand, die Sprachkenntnisse, die Ausbildung, die bisherige Tätigkeit, die konkrete Arbeitsmarktlage sowie gegebenenfalls auf die Dauer der Abwesenheit vom Berufsleben abzustellen, welche allenfalls eine Übergangsfrist für die Aufnahme oder Erhöhung des Arbeitspensums zur Folge haben kann (BGE 117 V 290 Erw. 3a, AHI 2001 S. 133 f. 
Erw. 1b mit Hinweisen; vgl. auch Art. 125 ZGB in der seit 
1. Januar 2000 geltenden Fassung). Diese von der Rechtsprechung für die Aufnahme (respektive Erhöhung) einer Arbeit aufgestellten Kriterien sind analog für den Wechsel von einer selbstständigen in eine unselbstständige Tätigkeit heranzuziehen. 
 
dd) Unter Berücksichtigung der soeben erwähnten Gesichtspunkte ist festzuhalten, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin Jahrgang 1952 aufweist, ausser einer Wirtschaftsmaturität über keine berufliche Ausbildung verfügt und seitdem praktisch ausschliesslich in Galerien tätig gewesen ist. Im Weiteren war er in den Jahren 1996/97 während zehn Monaten arbeitslos und bezog Arbeitslosentaggelder; anschliessend arbeitete er - gemäss eigenen Angaben - von Oktober 1997 bis Juni 1999 bei einem Monatsgehalt von Fr. 3000.-- brutto in einem Kunsthaus und ist seither als selbstständigerwerbender Künstler tätig. Jedoch ist unklar, in welchem Umfang sich der Ehemann der Versicherten als Künstler betätigt, finden sich doch keinerlei Angaben über den finanziellen und zeitlichen Aufwand und nur ein kurzer Hinweis auf den Ertrag in den Akten. Nicht geklärt ist im Weiteren, ob der Versicherten - trotz ihrer gesundheitsbedingten Einschränkungen - selber gewisse Tätigkeiten im Haushalt möglich wären, so dass ihrem Ehemann neben der künstlerischen Arbeit und den Aufgaben im Haushalt noch eine Teilzeitstelle zumutbar wäre (eine entsprechende Dreiteilung lag z.B. im Urteil B. vom 14. Juni 2002, I 586/01, vor); im Übrigen ist heute - immerhin drei Jahre nach der Aufnahme der Arbeit als Selbstständigerwerbender - möglicherweise absehbar, ob und inwieweit die aufgenommene Tätigkeit erfolgreich sein wird. Insoweit ist der rechtserhebliche Sachverhalt unvollständig abgeklärt (Art. 105 Abs. 2 OG) und ein endgültiger Entscheid über die Zumutbarkeit der Aufgabe dieser Tätigkeit und die Anrechnung einer hypothetischen unselbstständigen Erwerbstätigkeit nicht möglich. Im Weiteren fehlen auch Abklärungen betreffend der realen Arbeitsmarktsituation und der Chancen des Ehemannes der Versicherten, eine zumutbare Stelle zu finden, d.h. der Sachverhalt ist auch diesbezüglich ungenügend abgeklärt worden. Der vorinstanzliche Entscheid wird deshalb aufgehoben und die Sache an das kantonale Gericht zurückgewiesen, damit dieses die entsprechenden Punkte abklärt und anschliessend - unter Abstellung auf aktuelle Einkommenszahlen (BGE 120 V 275 Erw. 5a/dd mit Hinweisen) - neu entscheidet. Im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten bei diesen Abklärungen wird sich die Beschwerdeführerin auch zur Zumutbarkeit der Aufnahme einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit ihres Ehemannes äussern können, so dass über die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufgeworfene Frage einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht befunden werden muss. 
Sollte die Vorinstanz das Vorliegen einer grossen Härte bejahen, wäre zusätzlich über das weitere - bisher noch nicht geprüfte - Erfordernis des guten Glaubens zu befinden. 
 
4.- a) Weil nicht Versicherungsleistungen streitig sind (vgl. Erw. 1 hievor), ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Infolge Rückweisung der Sache zur weiteren Abklärung gilt das AWA als unterlegene Partei (Art. 135 OG in Verbindung mit Art. 156 Abs. 1 OG), die jedoch gemäss Art. 135 OG in Verbindung mit Art. 156 Abs. 2 OG von der Kostenpflicht befreit ist. 
 
b) Das AWA hat der Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 135 OG in Verbindung mit Art. 159 Abs. 2 OG eine Parteientschädigung auszurichten. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde 
wird der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts 
des Kantons Zürich vom 18. Mai 2001 aufgehoben, 
und es wird die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, 
damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne 
der Erwägungen, über den Erlass der Rückerstattungsforderung 
neu entscheide. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1700.-- wird der Beschwerdeführerin zurückerstattet. 
 
 
IV. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von 
 
 
Fr. 2500.-- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht 
des Kantons Zürich, der Arbeitslosenkasse 
GBI, Zürich, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft 
zugestellt. 
Luzern, 17. Juli 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: