Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 1/2} 
4P.115/2005 /sza 
 
Urteil vom 19. August 2005 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch, 
Gerichtsschreiber Arroyo. 
 
Parteien 
Stirling Group Limited, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Pierre de Raemy, 
 
gegen 
 
Compagnie Cévenole Sàrl, 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher Prof. Dr. Eugen Marbach, 
Handelsgericht des Kantons Bern, Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV (Zivilprozess; Verletzung des Willkürverbots), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 25. Februar 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Stirling Group Ltd. (Beschwerdeführerin) ist eine englische Gesellschaft mit Sitz in Altrincham, Cheshire (England). Sie bezweckt im Wesentlichen die Fabrikation und den Vertrieb von Kleidern. Sie ist Inhaberin der schweizerischen Wortmarke Nr. 520 073 VOODOO DOLLS, die namentlich für die Klassen 18 (Lederwaren aller Art, einschliesslich Taschen) und 25 (Kleider, Schuhe, Kopfbedeckungen) registriert ist. 
 
Die Compagnie Cévénole S.à.r.l. (Beschwerdegegnerin) ist eine französische Gesellschaft mit Sitz in La Fouillouse (Frankreich). Sie bezweckt den Grosshandel mit Kleidern und ist seit dem 28. März 1994 Inhaberin der internationalen Bildmarke Nr. 619 279 VOODOO, die für Taschen der Klasse 18 und Waren der Klasse 25 (Kleider, inklusive Stiefel, Schuhe etc.) eingetragen ist. Die Beschwerdegegnerin beansprucht ihre Bildmarke für mehrere Länder, insbesondere auch für die Schweiz. 
 
Die Beschwerdegegnerin will mit ihrem VOODOO- Sortiment ein weibliches, sportliches Publikum im Alter von 25-35 Jahren ansprechen. Sie verfolgt eine Nischenstrategie und liefert ausschliesslich an Boutiquen und vergleichbare Verkaufsstellen. Die Beschwerdeführerin vertreibt dagegen ein sehr grosses Sortiment und beliefert grosse Warenhäuser. Die Parteien stehen europaweit in Auseinandersetzungen um die Marken VOODOO und VOODOO DOLLS. Sie diskutierten im Jahre 2003 eine Abgrenzungsvereinbarung, wobei es zu keinem Abschluss kam. 
 
Am 24. Dezember 2003 liess die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin eine Abmahnung zustellen. Darin wurde die Beschwerdegegnerin aufgefordert, entweder der Beschwerdeführerin einen Gebrauch ihrer Bildmarke VOODOO in verschiedenen Ländern, namentlich der Schweiz, bis 1. Februar 2004 nachzuweisen oder die Löschung der Eintragungen in diesen Ländern zu veranlassen. Die Beschwerdegegnerin leistete dieser Aufforderung keine Folge. 
B. 
Am 24. Mai 2004 befasste die Beschwerdeführerin das Handelsgericht des Kantons Bern mit dem Begehren, es sei festzustellen, dass der schweizerische Teil der internationalen Bildmarke 619 279 VOODOO der Beschwerdegegnerin vollumfänglich nichtig sei. Im Laufe des Verfahrens ergänzte sie ihr Begehren durch den Eventualantrag, es sei festzustellen, dass der schweizerische Teil der internationalen Marke 619 279 für die in Klasse 18 beanspruchten Taschen ("sacs") und für die in Klasse 25 beanspruchten Schuhe und Kopfbedeckungen nichtig sei. Die Beschwerdeführerin behauptete, die Beschwerdegegnerin habe ihre Marke in der Schweiz - bis zur Abmahnung im Dezember 2003 - nicht gebraucht. 
C. 
Mit Urteil vom 25. Februar 2005 wies das Handelsgericht des Kantons Bern die Klage ab. Das Gericht bejahte seine Zuständigkeit gestützt auf Art. 16 Ziff. 4 LugÜ in Verbindung mit Art. 109 Abs. 3 IPRG und die Legitimation der Beschwerdeführerin gemäss Art. 52 MSchG. Das Gericht liess offen, ob die Beschwerdeführerin den Nichtgebrauch der Marke im Sinne von Art. 12 Abs. 3 MSchG glaubhaft gemacht hatte. Es gelangte aufgrund verschiedener Indizien zum Schluss, die Beschwerdegegnerin habe den Gebrauch ihrer Bildmarke VOODOO für die beanspruchten Waren in der Schweiz für die Zeit vor Ende 2003 nachgewiesen. 
D. 
Die Beschwerdeführerin hat gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 25. Februar 2005 sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch eidgenössische Berufung eingereicht. Mit staatsrechtlicher Beschwerde stellt sie das Begehren, es sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die "Vorinstanz" anzuweisen, im Sinne der Erwägungen des Bundesgerichts neu zu entscheiden. Sie rügt die Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) und bringt vor, der Schluss des Handelsgerichts, dass ein Gebrauch der Bildmarke VOODOO der Beschwerdegegnerin in der Schweiz vor dem 24. Dezember 2003 erstellt sei, beruhe auf einer Serie krass sachverhaltswidriger und damit willkürlicher Annahmen. 
 
Die Beschwerdegegnerin beantragt in ihrer Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Die staatsrechtliche Beschwerde ist - von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen - kassatorischer Natur (BGE 129 I 173 E. 1.5 mit Verweis). Es kann allein die Aufhebung des angefochtenen Entscheides verlangt werden. Auf das Rückweisungsbegehren der Beschwerdeführerin ist nicht einzutreten. 
1.2 Die staatsrechtliche Beschwerde ist gemäss Art. 84 Abs. 2 OG nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Rechtsmittel beim Bundesgericht gerügt werden kann. Soweit danach Rügen der Bundesrechtsverletzung mit Berufung (Art. 43 ff. OG) vorgebracht werden können, können sie in der Beschwerde nicht geltend gemacht werden. Wenn die Beschwerdeführerin sinngemäss rügt, das Handelsgericht habe die bundesrechtlichen Anforderungen an einen rechtserhaltenden Gebrauch im Sinne der Art. 11 f. MSchG verkannt, ist sie im vorliegenden Verfahren nicht zu hören. Dies gilt insbesondere für die Rüge, das Handelsgericht habe die tatsächlich festgestellte Verwendung des Zeichens als Zusatz zur Firma bzw. auf Rechnungen unzutreffend als markenmässigen Gebrauch des Zeichens qualifiziert und damit rechtlich unerhebliche Umstände in Betracht gezogen. Da das Bundesgericht im Berufungsverfahren an die tatsächlichen Feststellungen gebunden ist (Art. 63 Abs. 2 OG), sind dagegen die Rügen zulässig, mit denen die Beschwerdeführerin Willkür in der Würdigung der Beweise rügt; denn insoweit bleibt die staatsrechtliche Beschwerde vorbehalten (Art. 43 Abs. 1 OG in fine). 
1.3 Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die Beschwerdeschrift die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 110 Ia 1 E. 2 S. 3 f.). Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 107 Ia 186 E. b). Macht der Beschwerdeführer - wie hier - eine Verletzung des Willkürverbots geltend, muss er in Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Entscheid im Einzelnen darlegen, inwiefern dieser an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet. 
2. 
Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht schon vor, wenn eine andere Lösung vertretbar oder gar vorzuziehen wäre; das Bundesgericht hebt einen Entscheid vielmehr nur auf, wenn dieser mit der tatsächlichen Situation in offensichtlichem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dabei rechtfertigt sich die Aufhebung des angefochtenen Entscheides nur, wenn er auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 129 I 49 E. 4 S. 58 mit Verweis). Dem Sachgericht steht insbesondere bei der Würdigung der Beweise ein grosser Ermessensspielraum zu. Willkür ist hier nur zu bejahen, wenn das Gericht offensichtlich den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels verkannt, ohne vernünftigen Grund ein wichtiges und erhebliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder aus den vorhandenen Elementen offensichtlich unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1 mit Verweisen). 
2.1 Die Beschwerdeführerin rügt den Schluss des Handelsgerichts als willkürlich, wonach es als erstellt erachte, dass die Beschwerdegegnerin ihre Produktelinie VOODOO in der Schweiz über ihren Agenten Jacques Heudorf vertreibe. Das Handelsgericht hat insofern dargelegt, der Zeuge Heudorf gebe an, seit etwa 1999 für die Beschwerdegegnerin tätig zu sein; er vertreibe deren VOODOO-Produkte vor allem in der Romandie und habe diese im März 2001 an der ISPO in Zürich an seinem Stand ausgestellt; ausserdem verwende er die Kataloge der Beschwerdegegnerin in der Schweiz. Aus den bei den Akten liegenden Katalogen der Beschwerdegegnerin leitete das Gericht ab, dass deren Sortiment aus Kleidungsstücken verschiedenster Art bestehe und insbesondere auch Schuhe und Kopfbedeckungen umfasse, wobei zum Teil auch Taschen bzw. Handtaschen abgebildet seien. Der Kleidungsstil in den Katalogen entspricht nach Feststellung des Gerichts in etwa den im Prozess eingereichten Objekten, welche alle mit dem VOODOO-Logo (d.h. der Bildmarke) der Beschwerdegegnerin versehen seien. Das Handelsgericht hat nicht festgestellt, der Zeuge Heudorf habe die Waren der Beschwerdegegnerin selbst ausgeliefert oder über deren Aufmachung etwas ausgesagt, wie die Beschwerdeführerin sinngemäss behauptet. Dass der Zeuge den Vertrieb in der Schweiz so organisiert hat, dass die Ware von der Beschwerdegegnerin direkt an die Kunden geliefert wurden, widerspricht dem Schluss des Handelsgerichts nicht, dass die Beschwerdegegnerin ihre mit der Marke VOODOO gekennzeichneten Waren in der Schweiz über den Agenten Heuberg vertreibt. Die Willkürrüge ist unbegründet. 
2.2 Die Beschwerdeführerin rügt sodann, das Handelsgericht sei in Willkür verfallen, wenn es die Bestätigungen verschiedener Kleiderboutiquen über den Verkauf von mit der VOODOO-Bildmarke der Beschwerdegegnerin versehenen Kleidern als Hinweis auf eine geschäftliche Tätigkeit der Beschwerdegegnerin in der Schweiz vor dem 24. Dezember 2003 werte und in Kombination mit den Rechnungen auf einen zweifelsfreien Nachweis der Verwendung des VOODOO-Zeichens schliesse. Die Beschwerdeführerin hält für auffallend, dass mit den von der Beschwerdegegnerin vorgelegten (allesamt gleich lautenden und im Oktober 2004 ausgestellten) Bestätigungen ein aktueller - kein zurückliegender - Gebrauch bestätigt werde. Das Handelsgericht hat insbesondere aus den Bestätigungen der Kleiderboutiquen und den vorgelegten Rechnungen geschlossen, dass die Beschwerdegegnerin in der Schweiz tätig sei. Es hat anderseits angesichts der Datierung der Rechnungen als zweifelsfrei nachgewiesen erachtet, dass die Beschwerdegegnerin ihre Produkte der VOODOO-Linie in der Schweiz mindestens seit dem Jahre 2001 vermarkte. Das Handelsgericht hat somit den Umstand durchaus beachtet, dass die für den Prozess erstellten Bestätigungen der Kleiderboutiquen einen aktuellen Gebrauch bestätigen. Inwiefern es in Willkür verfallen sein sollte, wenn es die ins Recht gelegten Rechnungen aufgrund der Datierung als Nachweis für einen früheren Gebrauch anerkannte, ist nicht ersichtlich. 
2.3 Das Handelsgericht hat im angefochtenen Urteil aufgrund einer Würdigung sämtlicher ins Recht gelegter Indizien geschlossen, dass die Beschwerdegegnerin mindestens seit dem Jahre 2001 ihre mit der Bildmarke VOODOO versehenen Kleider an eine Vielzahl von Boutiquen in der Schweiz geliefert und diese Kleider mit Katalogen beworben hat. Dabei ist das Handelsgericht entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht in Willkür verfallen, wenn es aufgrund der Zuordnung eines Katalogs zur Winterkollektion 2003/2004 durch den Zeugen Heuberg schloss, dieser Katalog sei vor dem Verkauf der damit beworbenen Ware - und daher vor dem 24. Dezember 2003 - eingesetzt worden. Dass der Katalog selbst kein Datum enthält, macht diesen Schluss ebenfalls nicht willkürlich. Vertretbar und daher nicht willkürlich ist überdies, eine mit Umsatzzahlen erwiesene Geschäftstätigkeit in einem bestimmten Zeitraum zusammen mit dem Nachweis des Vertriebs bestimmter Markenartikel als Beweis des gewerbsmässigen Vertriebs solcher Waren zu dieser Zeit zu anerkennen, wobei die Aufmachung ins Recht gelegter Kleider ohne Willkür auch für die massgebende frühere Periode mitberücksichtigt werden kann, sofern für eine Änderung der Kennzeichnung keine Anhaltspunkte bestehen. Die in diesem Zusammenhang erhobene Willkürrüge der Beschwerdeführerin ist unbegründet. 
2.4 Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich, das Handelsgericht sei in Willkür verfallen, indem es aufgrund der falschen Übersetzung des auf Rechnungen erwähnten Wortes "Baggy" schliesse, damit sei der Verkauf von Handtaschen gemeint, während es sich in Wirklichkeit um spezielle, der heutigen Mode entsprechende Jeans handle. Die Beschwerdeführerin beanstandet damit den Schluss des Handelsgerichts, dass der Beschwerdegegnerin der Nachweis des Verkaufs von mit ihrer Bildmarke VOODOO versehenen Handtaschen in der Schweiz vor dem 24. Dezember 2003 gelungen sei zu Unrecht als willkürlich. Denn das Handelsgericht hat aus dem (von der Beschwerdeführerin anerkannten) Verkauf einer Handtasche auf den Verkauf derartiger Accessoires vor diesem Datum geschlossen; es hat zusätzlich berücksichtigt, dass mehrere Handtaschen in den Katalogen abgebildet waren, welche dem zu den Akten gegebenen Exemplar entsprachen. Dem Umstand, dass nach Ansicht des Handelsgerichts "höchstwahrscheinlich" auch die Position "Baggy" Handtaschen betreffe, kommt insofern für die Würdigung keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Die Willkürrüge ist auch insoweit unbegründet. 
3. 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist unbegründet, soweit darauf einzutreten ist. Diesem Verfahrensausgang entsprechend ist die Gerichtsgebühr der Beschwerdeführerin zu auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie hat der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin die Parteikosten zu ersetzen (Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 19. August 2005 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: