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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_522/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 14. März 2017  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichter Schöbi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Traub. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________, 
2. B.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Bezirk Dielsdorf. 
 
Gegenstand 
Errichtung Vertretungsbeistandschaft, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 9. Juni 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ ist an Demenz erkrankt und lebt in einem Pflegeheim. Mit Entscheiden vom 12. November resp. 17. Dezember 2015 richtete die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) des Bezirks Dielsdorf für sie eine Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung ein. Der Sohn von B.________, A.________, erhob im Namen seiner Mutter Beschwerde gegen die Erwachsenenschutzvorkehr. Der Bezirksrat Dielsdorf wies die Beschwerde ab (Entscheid vom 19. April 2016). 
 
B.  
Das Obergericht des Kantons Zürich wies die gegen den Entscheid des Bezirksrats erhobene Beschwerde von A.________, der das Rechtsmittel im eigenen und im Namen seiner Mutter eingereicht hatte, ab, soweit es darauf eintrat (Urteil vom 9. Juni 2016). 
 
C.  
A.________ und B.________ führen Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht. Sie beantragen die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils vom 9. Juni 2016 und die Rückweisung an die Vorinstanz zur neuen Beurteilung. Eventuell sei die "aufschiebende Wirkung der Vertretungsbeistandschaft [...] von Frau B.________ wiederherzustellen". Subeventuell sei die Vertretungsbeistandschaft aufzuheben. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid (Art. 75 Abs. 1 und 2 BGG, Art. 90 BGG). Dieser betrifft den Erwachsenenschutz und damit einen öffentlich-rechtlichen Entscheid, der in unmittelbarem Zusammenhang mit Zivilrecht steht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG). Dagegen steht die Beschwerde in Zivilsachen zur Verfügung. 
 
2.  
Das Bundesgericht überprüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen der Beschwerde in Zivilsachen erfüllt sind (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 139 III 252 E. 1.1). 
 
2.1.  
 
2.1.1. Während das Bundesgericht in der Sache nur Fragen behandelt, die Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens gewesen sind - und diesbezüglich grundsätzlich an den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt gebunden ist (Art. 105 Abs. 1 BGG) - beurteilt es die Sachurteilsvoraussetzungen der letztinstanzlichen Beschwerde erstmalig. Folglich stellt das Bundesgericht die für diese Eintretensfrage massgeblichen Tatsachen selber fest (vgl. BGE 138 III 532 E. 1.2 S. 535).  
 
2.1.2. Der behandelnde Arzt von B.________, Dr. C.________, hatte am 22. September 2015 zuhanden der KESB festgehalten, seine Patientin leide an einer mittelschweren, fortschreitenden Demenz, infolge derer sie nicht in der Lage sei, die Tragweite von Entscheidungen richtig einzuschätzen. Die Urteilsfähigkeit in Bezug auf finanzielle und administrative Angelegenheiten sei nicht mehr gegeben. Aus den Akten ergibt sich nichts, was diese Einschätzung in Frage stellt. Es muss davon ausgegangen werden, dass B.________ nicht mehr in der Lage ist, sich über die hier strittige Frage der Vertretungsbeistandschaft einen Willen zu bilden. Sie ist diesbezüglich urteilsunfähig (Art. 18 ZGB) und somit auch nicht prozessfähig (vgl. Art. 71 BGG in Verbindung mit Art. 14 BZP). Auf die Beschwerde kann daher nicht eingetreten werden, soweit die Betroffene selber Beschwerde führt.  
 
2.2. Zu prüfen bleibt die Beschwerdelegitimation von Sohn A.________.  
 
2.2.1. Nach Art. 76 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Zivilsachen berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Ein tatsächliches und aktuelles Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids genügt (Klett, Basler Kommentar zum BGG, 2. Aufl. 2011, N. 4 zu Art. 76 BGG). Gemäss revidierter, seit 1. Januar 2011 gültiger Fassung von Art. 76 BGG ist ein rechtlich geschütztes Interesse nicht mehr erforderlich (von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Seiler et al. [Hrsg.], 2. Aufl. 2015, N. 8 f. zu Art. 76 BGG).  
 
2.2.2. Vor Bundesgericht wird grundsätzlich ein eigenes schutzwürdiges Interesse der beschwerdeführenden Person vorausgesetzt in Form des praktischen Nutzens, den sie selber aus der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids zöge (URTEILE 5A_729/2015 VOM 17. JUNI 2016 E. 2.2.2, 5A_787/2015 VOM 3. MÄRZ 2016 E. 1.2 UND 5A_338/2015 VOM 1. JULI 2015 E. 1.1; VGL. BGE 141 II 307 E. 6.2 S. 312 [ZU ART. 89 BGG]). Nur für den kantonalen Rechtsweg gilt die Bestimmung von Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB, wonach Personen, welche der betroffenen Person nahestehen, befugt sind, gegen Entscheide der Erwachsenenschutzbehörde Beschwerde zu führen und damit die Interessen der betroffenen Person zu verfolgen (Urteil 5A_112/2015 vom 7. Dezember 2015 E. 2.5.1.1 mit Hinweisen). Vor Bundesgericht richtet sich die Beschwerdebefugnis einzig nach Art. 76 Abs. 1 BGG (Urteile 5A_295/2015 vom 29. Juni 2015 E. 1.2.1 und 5A_345/2015 vom 3. Juni 2015 E. 1.2.2).  
Die Beschwerde von A.________ kann daher nicht an die Hand genommen werden, soweit er im Interesse der von der strittigen erwachsenenschutzrechtlichen Massnahme betroffenen B.________, gleichsam als ihr Sachwalter, argumentiert. Dies trifft etwa zu, wenn er geltend macht, er habe bisher für das Vermögen seiner Mutter gesorgt und dabei ganz im Interesse der Berechtigten gehandelt; so habe er beim Verkauf einer Liegenschaft, die nur noch einen Kostenfaktor dargestellt habe, einen guten Erlös erzielt. Das weitere Vorbringen, wonach das konkrete Handeln der KESB das verfassungs- und konventionsmässig geschützte Privat- und Familienleben (Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 EMRK) beeinträchtige, bezieht sich nicht auf den hier allein zu beurteilenden Verfahrensgegenstand, nämlich die Rechtmässigkeit der Einrichtung einer Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung betreffend administrative und finanzielle Angelegenheiten sowie rechtliche Belange (vgl. Entscheid der KESB vom 17. Dezember 2015). Der Beschwerdeführer macht selber geltend, dass die Behörde ihm die Vertretungsberechtigung in persönlichen Angelegenheiten seiner Mutter (gesundheitliche Belange, Wohnen) zugestehe. Ebenso ausserhalb des massgeblichen Verfahrensgegenstandes bewegt sich das Vorbringen, die KESB habe willkürlich gehandelt, indem sie einen Rechtsanwalt damit beauftragt habe abzuklären, ob er sich strafbar gemacht habe, als er Bargeld vor der KESB in Sicherheit gebracht habe, um seine Erbansprüche zu sichern. Schliesslich kann im Rahmen dieses Verfahrens auch nicht geklärt werden, weshalb die KESB einen Betrag von Fr. 120'000.-- vom Vermögen der Beschwerdeführerin bezogen habe. 
 
2.2.3. Fehlt einer Partei die Legitimation in der Sache, kann sie gleichwohl die Verletzung von Parteirechten rügen, deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft (BGE 142 I 188 E. 3 S. 190; 141 IV 1 E. 1.1 S. 5; 137 II 305 E. 2 S. 308; Urteil 5A_709/2012 vom 15. Februar 2013 E. 3.1.2). Der Beschwerdeführer macht eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs resp. eine Verletzung des Anspruchs auf eine mündliche Verhandlung nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK geltend (zur grundsätzlichen Anwendbarkeit dieser Bestimmung vgl. BGE 117 Ia 190; Urteil 5P.177/2002 vom 10. Juli 2002 E. 2.2). Das Obergericht hat dazu erwogen, mit Blick auf Art. 54 Abs. 4 ZPO, wonach familienrechtliche Verfahren nicht öffentlich sind, scheide eine öffentliche Verhandlung ohne Weiteres aus. Auf eine mündliche Anhörung vor einer gerichtlichen Instanz sei verzichtet worden, nachdem vor der ersten Beschwerdeinstanz (Bezirksrat) kein entsprechender Antrag gestellt worden sei (vgl. BGE 142 I 188 E. 3.1.1 S. 191). In der Tat ist das Öffentlichkeitsprinzip in erster Linie vor der ersten (gerichtlichen) Instanz zu gewährleisten (BGE 120 V 1 E. 3a a.E. S. 7; zur Qualifizierung einer KESB als Gericht im Sinn von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK: zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil 5A_738/2016 vom 17. November 2016 E. 3; zur Qualifizierung des Bezirksrates als Gericht, wenn er als Beschwerdeinstanz gegenüber Entscheiden der KESB fungiert: BGE 139 III 98 E. 3 und 4). Zudem genügt es, wenn eine Instanz im funktionellen Instanzenzug die Verfahrensgarantien nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 29 f. BV sowie effektiven Rechtsschutz im Einzelfall gewährleistet (BGE 138 V 271 E. 3.1 S. 278). Unter diesen Umständen schadet es nicht, dass die Vorinstanz übersehen hat, dass die Öffentlichkeit hier, wo sich Staat und Private gegenüberstehen, nicht bereits mit der Begründung ausgeschlossen werden kann, es handle sich um eine familienrechtliche Auseinandersetzung, welche unter den Ausnahmegrund "Schutz des Privatlebens der Prozessparteien" (Art. 6 Ziff. 1 EMRK) falle (BGE 142 I 188 E. 3.1.2 S. 192). Soweit der Beschwerdeführer auf eine  mündliche (nicht notwendigerweise öffentliche) Anhörung vor Gericht abzielt, besteht ein Anspruch darauf nur, wenn das Gericht einen persönlichen Eindruck über die Partei gewinnen muss (BGE 142 I 188 E. 3.3.1); solches behauptet der Beschwerdeführer nicht. Was schliesslich die Rüge angeht, das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) sei verletzt, so tut der Beschwerdeführer nicht dar (Art. 42 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 BGG), inwiefern ihm auf das ganze Verfahren gesehen nicht genügend Gelegenheit zur Äusserung eingeräumt worden sei (vgl. BGE 142 I 188 E. 3.2.2 und E. 3.3 S. 193). Insbesondere ist nicht ersichtlich, was er aus dem Umstand, dass die Vorinstanz keinen Schriftenwechsel durchgeführt hat, ableiten will; der Verzicht, beim Bezirksrat und der KESB eine Vernehmlassung einzuholen, beeinträchtigt die Teilnahmerechte der Beschwerdeführenden offensichtlich nicht.  
 
3.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführenden kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie haften solidarisch für die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 5 BGG). Parteientschädigungen sind keine zu sprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführenden auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Bezirk Dielsdorf und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. März 2017 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: Traub