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{T 0/2} 
1P.271/2001/mks 
 
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG 
********************************** 
 
5. November 2001 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Nay, als präsidierendes Mit- 
glied der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter 
Aeschlimann, Bundesrichter Favre und Gerichtsschreiber 
Steinmann. 
 
--------- 
 
In Sachen 
 
X.________, 
 
gegen 
 
Römisch-katholische Kirchgemeinde Binningen-Bottmingen, 
Landeskirchenrat der römisch-katholischen Landeskirche des 
Kantons Basel-Landschaft, 
Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, 
 
betreffend 
Kirchgemeindeversammlung der römisch-katholischen 
Kirchgemeinde Binningen-Bottmingen vom 24. Juni 1999, 
 
hat sich ergeben: 
 
A.- Die Kirchgemeindeversammlung der römisch-katholi- 
schen Kirchgemeinde Binningen-Bottmingen vom 24. Juni 1999 
hatte gemäss Traktandum 2 über "440 Stellenprozente des 
Seelsorgerteams" zu befinden. Dem Geschäft ging ein Verfah- 
ren voraus, in dem der Landeskirchenrat der römisch-katho- 
lischen Landeskirche mit Entscheid vom 22. März 1999 eine 
frühere Beschlussfassung der Kirchgemeindeversammlung vom 
19. November 1998 über denselben Gegenstand aufgehoben 
hatte. Anlässlich der Kirchgemeindeversammlung vom 24. Juni 
1999 stimmten die Kirchgemeindemitglieder den 440 Stellen- 
prozenten des Seelsorgerteams zu. 
 
Gegen diesen Beschluss der Kirchgemeindeversammlung 
erhob X.________ am 2. Juli 1999 beim Landeskirchenrat Beschwerde. Sie beanstandete darin im Wesentlichen eine unzureichende Information über den Abstimmungsgegenstand, da lediglich von einer Wiederholung der Beschlussfassung wegen eines früheren Formfehlers die Rede gewesen war, die eigentlichen Gründe der Wiederholung indessen nicht näher erläutert worden waren. 
 
Der Landeskirchenrat wies die Beschwerde von X.________ am 7. Juni 2000 ab und erklärte den 
Beschluss der Kirchgemeindeversammlung für gültig. Dagegen 
gelangte diese an das Verwaltungsgericht des Kantons Basel- 
Landschaft. 
 
Mit Entscheid vom 14. März 2001 schrieb das Ver- 
waltungsgericht die Beschwerde ab. In seinen Erwägungen 
hielt es fest, dass die Beschwerde nicht als Stimmrechts- 
beschwerde, sondern grundsätzlich als Verwaltungsgerichts- 
beschwerde entgegenzunehmen sei. Diese setze indessen ein 
aktuelles Interesse voraus, welches deshalb fehle, weil 
X.________ in der Zwischenzeit von der 
Gemeinde Binningen weggezogen sei. Die Legitimation würde 
im Übrigen auch fehlen, wenn die Eingabe als Stimmrechts- 
beschwerde zu behandeln wäre. Unter dem Gesichtswinkel der 
Kostenverlegung führte das Verwaltungsgericht schliesslich 
aus, dass keine Unregelmässigkeiten ersichtlich seien und 
sich die Beschwerde daher als unbegründet erweise. Es ver- 
wies insbesondere auf die gesetzlichen Bestimmungen und ein 
anlässlich der Kirchgemeindeversammlung aufliegendes Infor- 
mationsblatt und machte auf den Umstand aufmerksam, dass 
sich die Kirchgemeindemitglieder anhand der Jahresrechnung 
über die finanziellen Konsequenzen ein Bild machten konnten 
und X.________ von der Möglichkeit, an der 
Versammlung Erklärungen oder Berichtigungen anzubringen, 
keinen Gebrauch machte. 
 
B.- Gegen diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts hat 
X.________ am 12. April 2001 beim Bundes- 
gericht "staatsrechtliche Beschwerde in Form einer Stimm- 
rechtsbeschwerde" erhoben und die Aufhebung des angefoch- 
tenen Entscheides beantragt. Sie beanstandet, dass ihre 
Beschwerde nicht als Stimmrechtsbeschwerde entgegengenommen 
und mangels aktuellen Rechtsschutzinteresses unter Auflage 
der Verfahrenskosten abgeschrieben worden ist, dass die Ver- 
waltungsrichter voreingenommen gewesen seien und dass die 
Stimmbürger immer noch nicht über die wesentlichen Hinter- 
gründe informiert worden seien. Auf die Begründung im Ein- 
zelnen ist in den rechtlichen Erwägungen einzugehen. 
 
Das Verwaltungsgericht beantragt sinngemäss die 
Abweisung der Beschwerde. Der Landeskirchenrat stellt den 
Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einge- 
treten werden könne. Die Kirchgemeinde Binningen-Bottmingen 
hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
Der Instruktionsrichter hat das Gesuch der Be- 
schwerdeführerin, zu den Vernehmlassungen Stellung zu neh- 
men, mit Verfügung vom 3. Juli abgewiesen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- In formeller Hinsicht rügt die Beschwerdeführerin 
vorerst sinngemäss eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV
der einen Anspruch auf ein unabhängiges und unparteiisches 
Gericht einräumt. Sie macht geltend, die Verwaltungsrichter 
seien nicht unabhängig und unparteiisch, weil Dr. Bruno 
Gutzwiller als Präsident des Landeskirchenrates den Ent- 
scheid vom 7. Juni 2000 unterzeichnet hatte und gleichzeitig 
Richter bzw. Vizepräsident des Verwaltungsgerichts ist. 
 
Diese Rüge erweist sich als unbegründet. Der allei- 
nige Umstand, dass ein Organ einer unteren Instanz zu- 
sätzlich als Richter in einem übergeordneten Gericht amtet, 
lässt die übrigen Richter nicht als voreingenommen oder par- 
teiisch erscheinen. Vielmehr müssten zur Bejahung der Par- 
teilichkeit besondere Umstände hinzutreten. Die Beschwerde- 
führerin zeigt keine solche Umstände auf. Sie macht insbe- 
sondere nicht geltend, Dr. Gutzwiller habe am angefochtenen 
Entscheid mitgewirkt oder auf ihn eingewirkt. Dem Leitzettel 
in den Akten kann ferner entnommen, dass das Verfahren vor 
dem Verwaltungsgericht ohne Dr. Gutzwiller durchgeführt 
wurde. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob die 
Beschwerdeführerin den vor Bundesgericht vorgebrachten Um- 
stand nicht schon vor dem Verwaltungsgericht hätte vorbrin- 
gen müssen. 
 
2.- Das Verwaltungsgericht hat einlässlich geprüft und 
begründet, dass die bei ihm erhobene Beschwerde nicht als 
Stimmrechtsbeschwerde im Sinne von § 37 des Gesetzes über 
die Verfassungs- und Verwaltungsprozessordnung (Verwaltungs- 
prozessordnung, VPO), sondern als Verwaltungsgerichtsbe- 
schwerde nach § 43 VPO entgegenzunehmen war. Es stützte sich 
dabei insbesondere auf § 37 Abs. 3 VPO, welcher die anfecht- 
baren Akte aufzählt und dabei Entscheidungen des Landes- 
kirchenrates nicht erwähnt. Weiter verwies es auf die Syste- 
matik der Verwaltungssprozessordnung und die Gesetzesmate- 
rialien zur Verwaltungsprozessordnung und zur Verfassung der 
römisch-katholischen Landeskirche. 
 
In Anbetracht dieser einlässlichen Begründung kann 
dem Verwaltungsgericht nicht vorgeworfen werden, die Verwal- 
tungsprozessordnung in Verletzung des Willkürverbotes 
(Art. 9 BV) ausgelegt und angewendet zu haben. Die Beschwer- 
deführerin bringt nichts vor, was den angefochtenen Ent- 
scheid in dieser Hinsicht als unhaltbar erscheinen liesse. 
Insbesondere ist der Hinweis auf § 32 Abs. 2 VPO unbehelf- 
lich, da gerade streitig ist, ob der Landeskirchenrat der 
Verwaltungsgerichtsbarkeit unterstellt ist. Fraglich könnte 
einzig sein, ob aus der Garantie der politischen Rechte, wie 
sie in Art. 34 Abs. 1 BV und § 21 ff. KV/BL enthalten ist, 
und dem Anspruch auf gerichtliche Kontrolle in Stimmrechts- 
sachen nach § 37 KV/BL Verfahrensansprüche abgeleitet werden 
könnten. Wie es sich damit verhält, braucht nicht im Einzel- 
nen entschieden zu werden, soweit in andern Beschwerdever- 
fahren tatsächlich Rechtsschutz verlangt werden kann und 
gewährt wird. In dieser Hinsicht gilt es insbesondere zu 
beachten, dass das Verwaltungsgericht die Beschwerde der 
Beschwerdeführerin - wenn auch unter einem andern Titel - 
tatsächlich entgegengenommen hat, das aktuelle Interesse an 
der Beschwerdeführung sowohl unter dem Gesichtswinkel der 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde als auch unter jenem der 
Stimmrechtsbeschwerde beurteilt und die Beschwerde im Zu- 
sammenhang mit der Kostenverlegung auch materiell geprüft 
hat. Die Beschwerdeführerin hat demnach durch den Ausschluss 
der Stimmrechtsbeschwerde keinen Nachteil erlitten. Damit 
erweist sich ihre staatsrechtliche Beschwerde in diesem 
Punkte als unbegründet. 
 
3.- Die Beschwerdeführerin erachtet den angefochtenen 
Entscheid auch deshalb als verfassungswidrig, weil ihr wegen 
ihres nach Beschwerdeerhebung erfolgten Umzuges nach Birs- 
felden das aktuelle Interesse abgesprochen worden und ihre 
Beschwerde demnach abgeschrieben worden ist. 
 
Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen der Verwal- 
tungsgerichtsbeschwerde ausgeführt, die Beschwerdeführerin 
habe ihr aktuelles Rechtsschutzinteresse mit ihrem Umzug 
verloren. Eine allfällige Gutheissung würde letztlich zu 
einer Aufhebung des Beschlusses der Kirchgemeindeversammlung 
und zu einer Wiederholung der Abstimmung führen. An dieser 
könnte die Beschwerdeführerin indessen von ihrem neuen Wohn- 
ort aus klarerweise nicht mehr teilnehmen. Es fügte hinzu, 
dass in gleicher Weise auch die Stimmrechtsbeschwerde ein 
aktuelles Rechtsschutzinteresse verlange. Gründe für eine 
Abweichung von diesem Erfordernis seien indessen nicht 
gegeben. 
 
Wie sich damit verhält, kann hier offen bleiben, da 
das Verwaltungsgericht trotz der Verneinung des aktuellen 
praktischen Interesses der Beschwerdeführerin tatsächlich 
zur Kritik an der Kirchgemeindeversammlung Stellung genommen 
und die Beschwerde so materiell geprüft hat. An dieser mate- 
riellen Behandlung ändert der Umstand nichts, dass sich die 
entsprechenden Ausführungen in der Erwägung zur Kostenfolge 
finden. 
 
4.- Das Verwaltungsgericht hat dargelegt, dass bezüg- 
lich des Beschlusses der Kirchgemeindeversammlung keine 
Unregelmässigkeiten ersichtlich seien. Das Traktandum "Be- 
schlussfassung über die 440 Stellenprozente des Seelsorger- 
teams" sei hinreichend klar. Die Kirchgemeindemitglieder 
hätten sich anhand der Jahresrechnung über die Konsequenzen 
Rechenschaft geben können. Zudem sei in einem Informations- 
blatt über die einzelnen Stelleninhaber orientiert worden. 
Schliesslich habe die Beschwerdeführerin von der Möglich- 
keit, an der Versammlung Erklärungen und Berichtigungen 
anzubringen, keinen Gebrauch gemacht. 
 
Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, dass diese 
Erwägungen vor der Garantie der politischen Rechte nicht 
standzuhalten vermöchten. Sie setzt sich mit der Begründung 
des Verwaltungsgerichts nicht näher auseinander. Vielmehr 
beanstandet sie einzig, dass die Stimmbürger der römisch- 
katholischen Kirchgemeinde über gewisse Hintergründe immer 
noch nicht im erforderlichen Ausmass orientiert worden 
seien. Dass diese Hintergründe unter dem Gesichtswinkel 
der freien Willensbildung und unverfälschten Stimmabgabe 
(Art. 34 Abs. 2 BV) - über die erforderliche Information 
über den Abstimmungsgegenstand als solchen hinaus - unab- 
dingbar waren, wird in der Beschwerdeschrift nicht näher 
ausgeführt und ist auch nicht ersichtlich. 
 
Schliesslich kann auf die allgemeinen Grundsätze 
zur Information im Vorfeld von Abstimmungen verwiesen wer- 
den. Danach müssen Abstimmungserläuterungen, soweit solche 
überhaupt verfasst und abgegeben werden, im Allgemeinen eher 
kurz gehalten werden und brauchen nicht sämtliche denkbaren 
Hintergründe aufzuzeigen, müssen indessen auch hinreichend 
vollständig sein und dürfen nicht für die Abstimmung wesent- 
liche Elemente beiseite lassen (vgl. ZBl 99/1989 S. 89 
E. 4b). Dem Gemeinwesen kann in Einzelfällen hinsichtlich 
ungewöhnlicher Konstellationen eine Informationspflicht über 
das Vorgehen und das Verfahren zukommen (ZBl 102/2001 S. 188 
E. 3c, 3d und 4i, mit Hinweisen). Eine solche Informations- 
pflicht kann indessen unter den gegebenen Umständen nicht 
angenommen werden, weil nicht ersichtlich ist, dass die 
Kirchgemeindemitglieder ohne die von der Beschwerdeführerin 
gewünschten Hintergründe ihren Willen nicht frei hätten bil- 
den und zum Ausdruck bringen können. 
 
Die vorliegende Beschwerde ist daher in diesem 
materiellen Punkte unbegründet und demnach abzuweisen, so- 
weit in Anbetracht der rudimentären Begründung überhaupt 
darauf eingetreten werden kann (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). 
 
5.- Schliesslich bemängelt die Beschwerdeführerin, dass 
ihr mit dem angefochtenen Entscheid die Kosten auferlegt 
worden sind. Auf ein verfassungsmässiges Recht beruft sie 
sich allerdings nicht, sodass in dieser Hinsicht auf die Be- 
schwerde nicht einzutreten ist. Im Übrigen ist nicht er- 
sichtlich, dass die Kostenauflage vor der Garantie der poli- 
tischen Rechte oder vor dem Willkürverbot nicht standhielte. 
Insbesondere der Umstand, dass das Bundesgericht bei der Be- 
handlung von Stimmrechtsbeschwerden im Regelfalle keine Ge- 
richtsgebühr verlangt, verwehrt es den Kantonen nicht, auch 
in solchen Bereichen Kosten zu erheben. 
 
6.- Die vorliegende Beschwerde ist daher abzuweisen, 
soweit darauf eingetreten werden kann. Praxisgemäss sind 
keine Kosten zu erheben. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, 
soweit darauf einzutreten ist. 
2.- Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der 
römisch-katholischen Kirchgemeinde Binningen-Bottmingen so- 
wie dem Landeskirchenrat der römisch-katholischen Landes- 
kirche und dem Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Land- 
schaft schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
 
Lausanne, 5. November 2001 
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Das präsidierende Mitglied: 
 
Der Gerichtsschreiber: