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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
H 119/05 
 
Urteil vom 5. Dezember 2005 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Attinger 
 
Parteien 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
S.________, 1964, Beschwerdegegner, vertreten durch die X.________-Treuhand 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 3. Juni 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die mit rechtskräftiger Nachtragsverfügung vom 13. Februar 2004 für das Jahr 2001 auf Fr. 7932.- festgelegten Beiträge des S.________ aus selbständiger Erwerbstätigkeit wurden von der Ausgleichskasse des Kantons Zürich auf Gesuch hin auf Fr. 4218.- herabgesetzt (Verfügung vom 10. Dezember 2004 und Einspracheentscheid vom 20. Januar 2005). 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, soweit es darauf eintrat, in dem Sinne gut, dass es den Einspracheentscheid aufhob und die Sache an die Ausgleichskasse zurückwies, damit diese unter Vorbehalt zwischenzeitlich erfolgter (teilweiser) Zahlung die Beiträge bis auf den Mindestbeitrag herabsetze (Entscheid vom 3. Juni 2005). 
C. 
Die Ausgleichskasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz "zum Erlass eines neuen Urteils, wobei vom Grundsatz auszugehen sei, dass die Herabsetzung höchstens auf 5,05% des massgebenden Einkommens erfolgen darf". 
 
Während sich S.________ nicht hat vernehmen lassen, schliesst das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Im Lichte der Kognition nach Art. 104 f. und Art. 114 Abs. 1 OG ist als Frage des Bundesrechts frei zu prüfen, ob die vom Beschwerdegegner für das Jahr 2001 geschuldeten, rechtskräftig festgesetzten Beiträge aus selbständiger Erwerbstätigkeit von Fr. 7932.- auf Fr. 4218.- (entsprechend den 5,05 %, welche im Falle einer unselbständigen Erwerbstätigkeit zulasten des Arbeitnehmers gingen; vgl. Art. 5 Abs. 1 AHVG [4,2 %], Art. 3 Abs. 1 IVG [0,7 %], Art. 23a Abs. 1 EOV in der hier anwendbaren, bis 30. Juni 2005 gültig gewesenen Fassung [0,15 %]) oder aber - unter dem Vorbehalt zwischenzeitlich erfolgter teilweiser Zahlung - bis hinab auf den Mindestbeitrag herabzusetzen sind. Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die hiefür massgeblichen Rechtsgrundlagen (Art. 11 Abs. 1 AHVG; BGE 120 V 274 Erw. 5a, 113 V 252 Erw. 3a mit Hinweisen; AHI 2003 S. 70; SVR 2000 AHV Nr. 9 S. 31 Erw. 2a) zutreffend dargetan, so dass darauf verwiesen werden kann. 
2. 
Die Vorinstanz hat in für das Eidgenössische Versicherungsgericht an sich verbindlicher Weise (Erw. 1 hievor) festgestellt, dass zum massgebenden Zeitpunkt, da der Beschwerdegegner die verfügten Beiträge zu bezahlen hatte, "den verfügbaren Mitteln (...) in Höhe von Fr. 30'924.- ein approximativer Notbedarf in Höhe von Fr. 31'212.- gegenüberstehe". Die seitens des kantonalen Gerichts daraus gezogene Schlussfolgerung, dass die volle Bezahlung des Ausstandes in Höhe von Fr. 7869.60.- für den Beschwerdegegner eine unzumutbare Härte bedeute, wird von der Beschwerde führenden Ausgleichskasse - zu Recht - nicht in Frage gestellt (vgl. aber nachfolgende Erw. 4 f.). 
3. 
Uneins sind sich Vorinstanz, Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung einzig hinsichtlich der Tragweite des vom 10. Januar 2001 datierten Urteils M., H 357/00. Dort hat das Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden: 
".., dass die Vorinstanz im hier angefochtenen Entscheid zutreffend festhielt, dass die Gegenüberstellung von Existenzminimum (Fr. 52'950.-) und verfügbaren Mitteln (Fr. 30'334.- [einschliesslich anrechenbaren Vermögens im Betrag von Fr. 17'458.70]) zeigt, dass es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar ist, die noch ausstehenden Beiträge für die Jahre 1997/98 zu entrichten, 
dass sich diese Festellung indessen - entgegen der im vorinstanzlichen Entscheid vertretenen Auffassung - keineswegs in dem Sinne bloss auf eine "vollumfängliche" Beitragsbezahlung erstreckt, dass dem Beschwerdeführer deren (Teil-)Entrichtung insoweit nach wie vor zumutbar wäre, als die Herabsetzung "unter denjenigen Betrag, den auch ein unselbstänig Erwerbstätiger .... vom massgebenden Lohn an der Quelle zu entrichten hätte (5,05 %)", nicht gewährt werden könne, 
dass vielmehr angesichts der dargelegten wirtschaftlichen Notlage die Herabsetzung grundsätzlich bis zum Mindestbeitrag möglich ist, 
dass diese Feststellung nur insofern der Einschränkung bedarf, als für vorbehaltslos bezahlte Beiträge eine Herabsetzung entfällt (unveröffentlichtes Urteil I. vom 28. Juni 1989, H 207/88), 
dass die Verwaltung nach diesen Grundsätzen über das Ausmass der Herabsetzung zu verfügen haben wird, 
dass das Eidgenössische Versicherungsgericht die im vorinstanzlichen Entscheid zitierte anderslautende Rechtsprechung (ZAK 1950 S. 276, 1954 S. 72, 1961 S. 448) längst aufgegeben hat (vgl. die hievor angeführte in der amtlichen Sammlung publizierte Rechtsprechung),..." 
Die Beschwerde führende Ausgleichskasse zieht daraus den Schluss, dass das Gericht die Möglichkeit einer Herabsetzung bis auf den Mindestbeitrag nur auf dem Hintergrund der dem angeführten Urteil zugrunde liegenden wirtschaftlichen Notlage als gerechtfertigt betrachtet habe (Existenzminimum von Fr. 52'950.- bei verfügbaren Mitteln von Fr. 30'334.-); im Falle des Beschwerdegegners liege jedoch nur eine ganz geringfügige Differenz von Fr. 288.- vor (Einkommen Fr. 30'924.-; Existenzminimum Fr. 31'212.-), weshalb "hier nicht eine am Elend grenzende Notlage gegeben (sei) und sich eine Herabsetzung bis zum Mindestbeitrag nicht vertreten" lasse. Hätte das Eidgenössische Versicherungsgericht mit dem hievor zitierten Urteil H 357/00 eine grundlegend neue Praxis einleiten wollen, wäre dieses Urteil publiziert worden. 
 
Das Bundesamt für Sozialversicherung argumentiert in die gleiche Richtung, wenn es, in Erläuterung seiner Verwaltungspraxis (Rz 3053 f. der Wegleitung des BSV über die Beiträge der Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen in der AHV, IV und EO [WSN]), dafür hält, es könne "unter den Ansatz des üblichen Beitrages für Arbeitnehmende des anrechenbaren Einkommens herabgesetzt werden, wenn die Voraussetzungen für die Uneinbringlichkeit der Beiträge erfüllt sind (beispielsweise wenn die Versicherten Armenunterstützung bzw. Sozialhilfe beziehen oder laufend Verlustscheine ausstellen lassen)". Des Weitern bringt das Bundesamt für Sozialversicherung vor: 
"Das Ausmass der Herabsetzung richtet sich wie in der Frage der Unzumutbarkeit nach der gegenwärtigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beitragsschuldners. Nach Rz 3048 WSN gilt als Masstab für den Umfang der Herabsetzung das Verhältnis zwischen der Gesamtheit der wirtschaftlichen Mittel der Versicherten und deren Notbedarf bzw. das Ausmass, in welchem das Einkommen das betreibungsrechtliche Existenzminimum unterschreitet. Folglich ist die soziale Härte bei der Beitragsherabsetzung individuell zu berücksichtigen, insbesondere auch dann, wenn die Voraussetzungen für eine Herabsetzung unter den Ansatz des üblichen Beitrages für Arbeitnehmende gegeben sind. Es ist daher stets zu vergleichen, in welchem Ausmass die verfügbaren Mittel unter dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum liegen. Bei S.________ steht einem Einkommen von Fr. 30'924.- ein Notbedarf von Fr. 31'212.- gegenüber. Die Fr. 288.-, um welche das betreibungsrechtliche Existenzminimum unterschritten wird, entsprechen bei weitem nicht der negativen Diffrenz von Fr. 22'616.- im EVG-Urteil vom 10. Januar 2001, in welchem eine schwierige Situation vorlag, wie dies bei einer Sozialhilfe beziehenden Person der Fall ist. Aufgrund der an Elend grenzenden Notlage erwog das EVG die Herabsetzung auf den Mindestbeitrag." 
4. 
Indessen ist auf folgenden, von den Verfahrensbeteiligten nicht erwähnten Punkt hinzuweisen. Im angefochtenen Entscheid hat das kantonale Gericht die von der Verwaltung ermittelten Beträge über den approximativen Notbedarf und die verfügbaren Mittel - da unbestritten - übernommen und als wirtschaftliche Notlage qualifiziert. Dem ist nur im Ergebnis beizupflichten. Aus den Akten geht nämlich hervor, dass sich die seitens der Beschwerde führenden Ausgleichskasse dem Beschwerdegegner angerechneten verfügbaren Einnahmen samt und sonders aus Sozialhilfebeiträgen zusammensetzen (vom Mitarbeiter der Ausgleichskasse am 10. Dezember 2004 ausgefülltes Berechnungsblatt "Existenzminimum/verfügbare Mittel"): 
"Unterstützungsleistung Soziale Dienste gemäss telefonischer Auskunft (12 x Fr. 2570.-): Fr. 30'924.-". 
Wenn aber bei Lichte besehen die anzurechnenden "verfügbaren Mittel" ausschliesslich aus Beiträgen der öffentlichen Sozialhilfe bestehen, liegt eine wirtschaftliche Notlage im Sinne der Rz 3048 ff. WSN vor. Wird der Lebensunterhalt einer beitragspflichtigen Person ausschliesslich aus - absolut subsidiären - Mitteln der öffentlichen Sozialhilfe gedeckt, ist die Herabsetzung der geschuldeten Beiträge bis zum Mindestbeitrag nach Art. 11 AHVG möglich. Die gegenteilige Betrachtungsweise würde bedeuten, dass die öffentliche Hand nicht nur das Existenzminimum, sondern darüber hinaus auch die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen zu gewährleisten hätte. Das ist nach der klaren gesetzlichen Ordnung ausgeschlossen, hat doch die öffentliche Sozialhilfe im Falle der Zahlungsunfähigkeit einzig den gesetzlichen Mindestbeitrag zu übernehmen (Art. 11 Abs. 2 AHVG). 
5. 
Bei dieser Sachlage, welche von der Vorinstanz im Einzelnen nicht festgestellt worden ist und daher vom Eidgenössischen Versicherungsgericht trotz enger Kognition (Erw. 1 hievor) von Amtes wegen zu korrigieren ist (BGE 97 V 137 Erw. 1 in fine), kann offen bleiben, ob eine Herabsetzung von Beiträgen aus selbständiger Erwerbstätigkeit unter die Hälfte des Arbeitnehmeranteils am paritätischen Beitrag (5,05 %) auch dann in Frage kommt, wenn die anrechenbaren Einnahmen das Existenzminimum nur leicht unterschreiten. 
6. 
Bei diesem Verfahrensausgang hat die Ausgleichskasse die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 OG). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 700.- werden der Ausgleichskasse des Kantons Zürich auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 5. Dezember 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: