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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
M 4/02 
 
Urteil vom 9. Januar 2003 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber Grunder 
 
Parteien 
Z.________, 1947, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Bundesamt für Militärversicherung, Laupenstrasse 11, 3008 Bern, Beschwerdegegner 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern 
 
(Entscheid vom 12. August 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1947 geborene Z.________ meldete am 6. Mai 1970 nach einem militärischen Wiederholungskurs, der vom 4. bis 25. April 1970 gedauert hatte, dem Bundesamt für Militärversicherung (BAMV) Schmerzen im linken Knie, die bei einem Marsch aufgetreten waren und seither andauerten. Der behandelnde Arzt diagnostizierte eine fragliche Meniscusläsion rechts (recte: links) medial, worauf im Oktober 1971 eine Meniskektomie durchgeführt wurde. Das BAMV anerkannte die Haftung. Mit in Rechtskraft erwachsenen Verfügungen vom 12. Juli und 20. August 1996 sprach das BAMV Z.________ eine Integritätsschadenrente von 7,5 % ab 1. September 1995 und eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 23 % ab 1. Januar 1996 zu. 
 
Ab 1997 beklagte sich Z.________ über zunehmende Beschwerden im rechten Kniegelenk (blockierende Schmerzen, Steifegefühl verbunden mit einer drastischen Einschränkung der freien Beweglichkeit gegen Flexion; Berichte des Dr. med. O.________, Facharzt für Allgemeine Medizin FMH, vom 10. November 1997 und 16. April 1999). Am 20. Mai 1999 wurde eine diagnostische Arthroskopie durchgeführt, die eine ganz diskrete Gonarthrose rechts und eine Mikroläsion im Bereiche des lateralen Hinterhorns im rechten Kniegelenk ergab (Bericht des Dr. med. W.________, Facharzt FMH für Chirurgie, vom 21. Mai 1999). Das BAMV holte eine versicherungsmedizinische Stellungnahme des Dr. med. G.________, Ärztlicher Dienst MV, vom 3. Juni 1999 und 1. Februar 2000 ein und lehnte nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren mit Verfügung vom 27. Dezember 2000 die Haftung für die im Frühjahr 1999 gemeldeten Kniebeschwerden rechts mit der Begründung ab, diese seien nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Spätfolge der militärversicherten Schädigung des linken Knies. Die dagegen erhobene Einsprache, aufgrund welcher das BAMV die versicherungsmedizinische Beurteilung des Dr. med. K.________, Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie, Chefärztlicher Dienst des BAMV, vom 13. Februar 2001 eingeholt hatte, wurde mit Entscheid vom 3. Mai 2001 abgewiesen. 
B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher Z.________ beantragte, es sei der Kausalzusammenhang zwischen den Kniebeschwerden am linken und am rechten Knie sowie die Haftung der Militärversicherung für die Kniebeschwerden rechts anzuerkennen und es sei eine verwaltungsexterne fachärztliche Begutachtung vorzunehmen, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 12. August 2002 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert Z.________ die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren. 
 
Das Bundesamt schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmung über die Haftung der Militärversicherung bei während des Dienstes auftretenden, jedoch erst danach festgestellten Gesundheitsschäden und bei Rückfällen und Spätfolgen (Art. 6 MVG) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen zu den Begriffen Rückfall und Spätfolge (BGE 123 V 138 Erw. 3a mit Hinweisen) und zur Rechtsprechung, wonach der Unterschied zwischen den Haftungsvoraussetzungen nach Art. 5 und 6 MVG namentlich darin besteht, dass im ersten Fall der Kausalzusammenhang zwischen der Gesundheitsschädigung und den Einwirkungen während des Dienstes vermutet wird und diese Vermutung nur durch den gegenteiligen Sicherheitsbeweis ausgeschlossen werden kann, während im zweiten Fall das Vorliegen kausaler Folgen von dienstlicher Gesundheitsschädigung mit dem im Sozialversicherungsrecht allgemein erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt sein muss (BGE 123 V 138 Erw. 3a, 111 V 372 Erw. 1b). Entscheidend ist somit, ob der Zusammenhang zwischen Spätfolge oder Rückfall und dienstlicher Gesundheitsschädigung wahrscheinlicher ist als das Fehlen eines solchen (BGE 111 V 374 Erw. 2b; Jürg Maeschi, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung [MVG] vom 19. Juni 1992, Nr. 26 zu Art. 6 MVG). 
1.2 Zu ergänzen ist, dass es nach der Rechtsprechung mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung, der für das gesamte Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren gilt, vereinbar ist, in Bezug auf bestimmte Formen medizinischer Berichte und Gutachten Richtlinien für die Beweiswürdigung aufzustellen. Berichten und Gutachten versicherungsinterner Ärzte kommt Beweiswert zu, sofern sie als schlüssig erscheinen, nachvollziehbar begründet sowie in sich widerspruchsfrei sind und keine Indizien gegen ihre Zuverlässigkeit bestehen. Die Tatsache allein, dass der befragte Arzt in einem Anstellungsverhältnis zum Versicherungsträger steht, lässt nicht schon auf mangelnde Befangenheit schliessen. Es bedarf vielmehr besonderer Umstände, welche das Misstrauen in die Unparteilichkeit der Beurteilung objektiv als begründet erscheinen lassen. Im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung, welche den Arztberichten im Sozialversicherungsrecht zukommt, ist an die Unparteilichkeit des Gutachters allerdings ein strenger Massstab anzulegen (BGE 125 V 353 f. Erw. 3b/ee mit Hinweis). 
2. 
Streitig und zu prüfen ist die Leistunspflicht der Militärversicherung für die am rechten Knie bestehenden Beschwerden. 
2.1 Das kantonale Gericht hat in einlässlicher Würdigung der medizinischen Akten erwogen, die arthroskopisch festgestellten Veränderungen des rechten Knies könnten nicht auf eine direkte oder indirekte traumatische Schädigung während des militärischen Wiederholungskurses im Frühjahr 1970 zurückgeführt werden, weshalb einzig eine Haftung im Sinne einer Spätfolge der vom BAMV anerkannten Knieverletzung links in Frage komme. Dr. med. G.________ lege in seinen Stellungnahmen vom 3. Juni 1999 und 1. Februar 2000 überzeugend dar, in der medizinischen Literatur fände sich keine Bestätigung, dass bei einer Schonung des einen Beines, z.B. wegen einer Kniearthrose, sich am anderen Bein eine Knorpelschädigung durch Überlastung entwickle. Es seien weder bei Beinamputierten, noch bei Protheseträgern, noch bei Poliomyelitispatienten mit gelähmtem Bein solche Erscheinungen aufgetreten und beschrieben worden. Bekannt sei einzig, dass bei Beckenschiefstand infolge einer erheblichen Verkürzung des einen Beines und Fehlstellung (Abduktion) des anderen längeren Beines sich sekundär eine Hüftarthrose entwickeln könne, weil das Gewicht eine kleinere Knorpelfläche belaste. Dasselbe sei beobachtet worden bei in Fehlstellung verheilten Frakturen in benachbarten homolateralen Gelenken. Beim Beschwerdeführer sei anamnestisch indessen keine Fehlstellung nachgewiesen. Dr. med. K.________ verdeutliche, dass klar zwischen Fehlstellung oder Fehlhaltung und Überlastung zu unterscheiden sei, welch letztere aus biomechanischer Sicht zu keinen nennenswerten Schädigungen führe. Schliesslich hält das kantonale Gericht, dem als Fachrichter ein Facharzt für Orthopädische Chirurgie beisass, fest, die in der Stellungnahme des Dr. med. K.________ vom 13. Februar 2001 zitierten medizinischen Publikationen stammten von ausgewiesenen orthopädischen Chirurgen mit spezieller Kenntnis der Arthrosekrankheiten und entsprächen allen geforderten wissenschaftlichen Kriterien. 
2.2 Diesen nicht zu beanstandenden Erwägungen ist beizufügen, dass der Beschwerdeführer keine Hinweise dafür liefert, Dr. med. G._______ oder Dr. med. K.________ hätten nicht objektiv Stellung bezogen oder seien gar befangen. Es ergeben sich auch aus den Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass besondere Umstände vorlägen, welche das Misstrauen in die Unparteilichkeit der ärztlichen Beurteilung als begründet erscheinen liessen. Die Schlussfolgerungen der beiden Ärzte sind wissenschaftlich ausgewiesen und ohne weiteres nachvollziehbar. Sie setzen sich mit den möglichen Ursachen der Leiden des Versicherten vertieft auseinander und es kommt ihnen daher voller Beweiswert zu. Daran ändert auch der letztinstanzlich aufgelegte Bericht des Dr. med. Z.________ vom 20. November 2002 nichts. Soweit er darin darlegt, dass gemäss Eintrag in der Krankengeschichte vom 13. September 1999 Beschwerden im rechten Knie plötzlich und wie angeworfen aufgetreten seien, setzt er sich in Widerspruch zu seinem Bericht vom 20. April 2000 an das BAMV, worin angegeben wurde, am im Mai 1999 arthroskopisch untersuchten Kniegelenk rechts bestünden seither keine Beschwerden mehr und die Beweglichkeit sei nicht eingeschränkt. Zudem setzt sich Dr. med. Z.________ mit den Erörterungen der Dres. med. G.________ und K.________ nicht auseinander, sondern gibt lediglich seine Meinung kund, als Ursache für den Knieschaden rechts komme seines Erachtens sowohl eine Fehl- und Überbelastung, wie auch eine reflexartige Mehrbelastung infolge Schmerzen am linken Knie in Frage. Zu den weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers ist insbesondere zu erwähnen, dass in keinem der zahlreichen ärztlichen Berichte über beinahe 30 Jahre hinweg eine Fehlhaltung oder eine Fehlstellung beschrieben wurde. Eine solche lässt sich auch nicht aus den letztinstanzlich aufgelegten digitalen Aufnahmen des Versicherten ersehen. Aus keinem der erhobenen Befunde ergeben sich zudem Anhaltspunkte für eine Überlastungssymptomatik des rechten Beines. So konnte im Laufe der Jahre keine Atrophie des linken Beines oder eine ausgeprägte Entwicklung der Muskulatur am rechten Bein festgestellt werden. Sodann ist nicht zu übersehen, dass der Beschwerdeführer sich erstmals Ende 1997 aktenkundig über Beschwerden im rechten Knie beklagt hatte, mithin von einem beschwerdefreien Intervall von 27 Jahren auszugehen ist. An den Nachweis eines natürlichen Kausalzusammenhangs sind praxisgemäss (RKUV 1997 Nr. U 275 S. 191 Erw. 1c; Urteil S. vom 8. Februar 2002, M 9/01) erhöhte Anforderungen zu stellen, je grösser der zeitliche Abstand zwischen dem versicherten Ereignis und der geltend gemachten Spätfolge ist. Gerade der Umstand, dass der Versicherte im Jahre 1970 ohne äussere Fremdeinwirkungen am linken Knie Schmerzen verspürte, lässt es als wahrscheinlich erscheinen, dass die erstmals 1997 geklagten Beschwerden am rechten Knie nicht als Spätfolge zu betrachten sind, sondern vielmehr aufgrund einer degenerativen Entwicklung entstanden sind, die nicht mit einer Mehrbelastung zusammenhängen. Daher ist festzuhalten, dass der Kausalzusammenhang nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erbracht ist, weshalb keine Haftung der Militärversicherung begründet werden kann. Aufgrund dieses eindeutigen Ergebnisses ist von der beantragten fachärztlichen Expertise abzusehen. 
2.3 Auch die übrigen Vorbringen des Beschwerdeführers sind nicht stichhaltig. Entgegen seiner Auffassung war das kantonale Gericht nicht gehalten, die Quellen der medizinischen Publikationen, auf welche sich Dres. med. G.________ und K.________ stützten, in den Erwägungen zu wiederholen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, die gewürdigten Beweismittel in der Urteilsbegründung detailliert wiederzugeben. Es genügt, dass die Akten der beschwerten Partei zur Verfügung stehen und sie die angerufenen Beweismittel einsehen kann (vgl. BGE 112 Ia 202 Erw. 2a mit Hinweisen; ZAK 1991 S. 99 Erw. 4a). Sodann ist eine allfällige Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, die der Versicherte sinngemäss darin erblickt, dass die Vorinstanz zu den aufgelegten Digitalaufnahmen nicht Stellung genommen hat, als geheilt zu betrachten, da es sich nicht um einen schwerwiegenden Mangel handelt und das Eidgenössische Versicherungsgericht sowohl den Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann (Art. 29 Abs. 2 BV; BGE 127 V 437 Erw. 3d/aa mit Hinweisen). Weiter ist zum Einwand, im angefochtenen Entscheid werde nicht auf die Unterscheidung einer Fehlstellung beim Gehen und einer solchen beim Stehen eingegangen, darauf hinzuweisen, dass eine solche eben nicht vorliegt. Es ist nicht einzusehen, inwiefern eine fehlerhafte Haltung im Stehen belastender sein soll als im Gehen. Schliesslich wird zum bereits im kantonalen Verfahren vorgebrachten Einwand, es handle sich bei den Kniegelenken um paarige Organe, wodurch die Haftung der Militärversicherung nach Art. 4 Abs. 3 MVG begründet werde, auf die Erwägungen im kantonalen Entscheid verwiesen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, zugestellt. 
Luzern, 9. Januar 2003 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: