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[AZA] 
H 215/99 Hm 
 
II. Kammer  
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; 
Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Urteil vom 29. Februar 2000  
 
in Sachen 
 
G.________ und S.________, Beschwerdeführer, vertreten 
durch Rechtsanwalt W.________, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse Luzern, Würzenbachstrasse 8, Luzern, Be- 
schwerdegegnerin, 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern 
 
    A.- Mit Verfügungen vom 18. Juli 1997 verpflichtete 
die Ausgleichskasse des Kantons Luzern G.________ und 
S.________, Direktoren mit Einzelunterschrift der in Kon- 
kurs gefallenen Firma P.________, in solidarischer Haft- 
barkeit mit B.________ Schadenersatz im Umfang von Fr. 
66'760.45 für unbezahlt gebliebene Sozialversicherungs- 
beiträge zuzüglich Verzugszinsen und Mahngebühren zu leis- 
ten. 
 
    B.- Auf Einspruch hin erhob die Kasse Klage gegen die 
Eheleute G.________ und S.________ und B.________. Mit Ent- 
scheid vom 20. Mai 1999 hiess das Verwaltungsgericht des 
Kantons Luzern die Klagen unter solidarischer Haftung der 
drei Belangten im Umfang von Fr. 66'655.45 gut. B.________ 
wurde darüber hinaus zur Zahlung zusätzlicher Fr. 2026.95 
verurteilt. 
 
    C.- S.________ und G.________ lassen Verwaltungsge- 
richtsbeschwerde führen und beantragen, sie seien von jeg- 
licher Schadenersatzpflicht freizusprechen. Eventuell sei 
die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen. 
    Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Verwal- 
tungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichten der als Mit- 
interessierter beigeladene B.________ und das Bundesamt für 
Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so 
weit eingetreten werden, als die Schadenersatzforderung 
kraft Bundesrechts streitig ist. Im vorliegenden Verfahren 
ist deshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem 
Umfang nicht einzutreten, als sie sich gegen die Schaden- 
ersatzforderung für entgangene Beiträge an die kantonale 
Familienausgleichskasse richtet (vgl. BGE 119 V 80 Erw. 1b, 
118 V 69 Erw. 1b mit Hinweis). 
 
    2.- Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht 
um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleis- 
tungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht 
nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht 
verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Miss- 
brauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachver- 
halt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter 
Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt 
worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und 
b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
 
    3.- Das kantonale Verwaltungsgericht hat unter Hinweis 
auf Gesetz (Art. 52 AHVG) und Rechtsprechung (vgl. statt 
vieler BGE 123 V 15 Erw. 5b) die Voraussetzungen zutreffend 
dargelegt, unter welchen Organe juristischer Personen den 
der Ausgleichskasse wegen Verletzung der Vorschriften über 
die Beitragsabrechnung und -zahlung (Art. 14 Abs. 1 AHVG
Art. 34 ff. AHVV) schuldhaft verursachten Schaden zu erset- 
zen haben. Richtig sind auch die Grundsätze zum Begriff des 
Organs im materiellen Sinne (BGE 114 V 213 ff. mit zahlrei- 
chen Hinweisen). Darauf wird verwiesen. 
 
    4.- a) Das kantonale Gericht hat festgestellt, dass 
beide Beschwerdeführende im Handelsregister als Direktoren 
mit Einzelunterschrift eingetragen waren. Den Einwendungen 
der Beklagten, mit administrativen Belangen und insbeson- 
dere dem AHV-Abrechnungswesen nicht befasst gewesen zu 
sein, begegnete die Vorinstanz mit der Feststellung, eine 
entsprechende Aufteilung der Kompetenzen zwischen Verwal- 
tungsrat und Direktorium einerseits sowie innerhalb des 
Direktoriums anderseits sei urkundenmässig (Organisations- 
reglement, Verwaltungsratsbeschlüsse, Protokolle) nicht 
bewiesen. Dieses Beweises hätte es aber bedurft, wenn 
G.________ geltend mache, "nur" als Verkaufsdirektor ein- 
gesetzt gewesen zu sein. Der Hinweis, die sozialversiche- 
rungsrechtlichen Belange seien ausschliesslich über die 
Firma I.________ abgewickelt worden, sei unbehelflich, 
müssten doch gerade eine solche Aufgabenübertragung hin- 
sichtlich Löhnen und Sozialversicherungen durch eine ent- 
sprechende Vereinbarung zwischen den Gesellschaften ausge- 
wiesen und in einem solchen Fall seitens der übertragenden 
P.________ durch ihre Organe die Kontrollpflichten wahr- 
genommen worden sein. Dass die ganze Administration im 
Sozialversicherungsbereich über die I.________ abgewickelt 
worden wäre, sei aktenmässig widerlegt, zumal P.________ 
und I.________ in der Person der als Direktorin für beide 
Gesellschaften arbeitenden R.________ jedenfalls hinsicht- 
lich Information miteinander verflochten waren, weshalb 
G.________ nicht einwenden könne, über keine Informationen 
und Einflussmöglichkeiten verfügt zu haben. Es liege auch 
ein Arbeitsvertrag vor, welchen er namens der P.________ am 
1. April 1994 unterzeichnet habe. In einem Gesuch betref- 
fend Erwerbstätigkeit als Jahresaufenthalter sei seine 
Funktion ausdrücklich als Geschäftsführer/Direktor bezeich- 
net worden. Seine einflussreiche Stellung in der P.________ 
werde schliesslich durch die Protokollvereinbarung vom 
4. Oktober 1995 dokumentiert, worin er sich - im Rahmen 
einer Übernahme von Aktien der P.________ - verpflichtete, 
dafür besorgt zu sein, dass auf den Stichtag/Übernahmetag 
sämtliche Passiv-Konten der P.________ ausgeglichen seien. 
Bezüglich S.________ verwies die Vorinstanz ebenfalls auf 
die über die Eheleute R.________ bestehende Verflechtung 
der Unternehmen P.________ und I.________ und kam zum 
Schluss, dass auch sie den aus der kundgegebenen Funktion 
als einzelzeichnungsberechtigte Direktorin sich ergebenden 
Anschein der Organstellung nicht zu beseitigen vermöge, 
insbesondere nicht durch den von ihr geltend gemachten 
Grund für die Ernennung zur Direktorin, der darin bestand, 
dass eine Person am Hauptsitz der Gesellschaft ständig 
zugegen sein musste und gegen aussen als deren Vertreter 
mit entsprechender Unterschriftsberechtigung auftreten 
konnte. 
 
    b) Diese vorinstanzlichen Feststellungen sind für das 
Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlich (Erw. 2), 
wird doch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts vor- 
getragen, was die wiedergegebenen Annahmen des kantonalen 
Gerichts in tatsächlicher Hinsicht als offensichtlich un- 
richtig oder als unvollständig oder als unter Verletzung 
wesentlicher Verfahrensvorschriften zu Stande gekommen 
erscheinen lassen könnte. Bei dieser Sachlage kann offen 
bleiben, ob den Beschwerdeführenden als einzelzeichnungs- 
berechtigten Direktoren formelle Organqualität zukommt, 
wovon die Rechtsprechung bei Direktoren in der Regel aus- 
geht (Urteil G. vom 9. September 1998, H 185/97 [zum alten 
bis 30. Juni 1992 in Kraft stehenden Aktienrecht ergan- 
gen]), woran man aber im vorliegenden Fall insoweit zwei- 
feln könnte, als nach dem Gesagten es im Falle der Be- 
schwerdeführenden nur bezüglich der Vertretung (Art. 718 
Abs. 2 OR) zu einer formellen Befugnisübertragung gekommen 
war, nicht jedoch, mangels eines entsprechenden Reglements, 
in Bezug auf die Geschäftsführung (Art. 716b Abs. 1 und 
Abs. 2 OR). So - formelle Organqualität - oder anders - 
materielle Organstellung - hatten die Beschwerdeführenden 
in der Firma P.________ jedoch offensichtlich das Sagen, 
weshalb sie für die massiven Verstösse der Gesellschaft 
gegen die Arbeitgeberpflichten (Art. 51 AHVG) und den 
dadurch der Ausgleichskasse natürlich und adäquat kausal 
verursachten, ziffernmässig letztinstanzlich nicht mehr in 
Frage gestellten Schaden einzustehen haben. Zu Weiterungen, 
namentlich in beweismässiger Hinsicht, besteht kein Anlass. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen,  
    soweit darauf einzutreten ist. 
 
II. Die Gerichtskosten von total Fr. 4000.- werden den  
    Beschwerdeführern auferlegt und mit den geleisteten 
    Kostenvorschüssen verrechnet. Die Differenz von 
    Fr. 4000.- wird den Beschwerdeführern je zur Hälfte 
    zurückerstattet. 
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-  
    richt des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrecht- 
    liche Abteilung, dem Bundesamt für Sozialversicherung 
    und B.________ zugestellt. 
 
 
Luzern, 29. Februar 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: