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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_849/2017  
 
 
Urteil vom 18. Juli 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Oswald. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1.  Sammelstiftung BVG der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft, 
Richtiplatz 1, 8304 Wallisellen, 
2.  Sammelstiftung Berufliche Zusatzvorsorge der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft, Richtiplatz 1, 8304 Wallisellen, 
beide vertreten durch Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft AG, Richtiplatz 1, 8304 Wallisellen, 
Beschwerdeführerinnen, 
 
gegen  
 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Linda Keller, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge (Invalidenrente; Anpassung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 10. Oktober 2017 (BV 2015/7). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die 1956 geborene A.________ war zuletzt bis 31. Juli 1998 als Hilfsarbeiterin bei der B.________ AG angestellt und bis Ende August 1998 bei den jeweiligen Rechtsvorgängerinnen der heute am Recht stehenden Sammelstiftungen BVG und Berufliche Zusatzvorsorge der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft (fortan: die Vorsorgeeinrichtungen) für die berufliche Vorsorge versichert.  
 
A.b. Mit Verfügung vom 13. August 1998 sprach die IV-Stelle des Kantons St. Gallen (fortan: IV-Stelle) A.________ mit Wirkung ab 1. Februar 1998 aufgrund einer Diskushernie eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu (Invaliditätsgrad: 70 %).  
Die Berner Lebensversicherungs-Gesellschaft als Vertreterin der jeweiligen Rechtsvorgängerinnen der Vorsorgeeinrichtungen anerkannte gestützt darauf eine Leistungspflicht und richtete ab 24. Februar 1999 Invaliden- und Kinderrenten aus (Schreiben vom 2. Juli 1999). 
 
A.c. Im Rahmen einer durch die IV-Stelle im November 2010 eingeleiteten Überprüfung des Anspruchs auf Rente und Hilflosenentschädigung wurde A.________ medizinisch abgeklärt (Gutachten der MEDAS Ostschweiz vom 18. März 2011 sowie Verlaufsgutachten vom 14. November 2013 je in den Disziplinen Allgemeinmedizin, Neurologie, Orthopädie und Psychiatrie). Gemäss den Experten bestand spätestens seit dem 18. März 2011 eine Arbeitsfähigkeit von 50 %, ohne Besserung des Gesundheitszustands seit Juni 1998.  
Gestützt auf die Expertise vom 18. März 2011 teilten die Vorsorgeeinrichtungen mit Schreiben vom 8. März 2013 mit, die bisherigen Renten würden (rückwirkend) ab 1. Januar 2011 entsprechend einem Invaliditätsgrad von 50 % angepasst. 
Die IV-Stelle zog ihre Verfügung vom 13. August 1998 am 8. bzw. 9. Januar 2014 in Wiedererwägung und setzte die bisherige ganze Rente auf eine halbe herab. Hiergegen führte A.________ Beschwerde an das kantonale Versicherungsgericht. Am 11. März 2014 widerrief die IV-Stelle (lite pendente) die Verfügungen vom Januar 2014 und bestätigte die Weiterausrichtung der bisherigen ganzen Rente (aufgrund Unverwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit). Die Verfügung vom 11. März 2014 erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen schrieb das Beschwerdeverfahren am 14. April 2014 ab. 
Mit Schreiben vom 17. April 2014 bestätigten die Vorsorgeeinrichtungen die Reduktion der bisherigen Renten (rückwirkend) ab 1. April 2011 entsprechend einem Invaliditätsgrad von 50 %. 
 
B.   
Mit Klage vom 9. April 2015 beantragte A.________, es sei festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine rückwirkende Herabsetzung der Invalidenrenten durch die Vorsorgeeinrichtungen nicht erfüllt seien. Diese seien zu verpflichten, ihren Leistungsanspruch zu berechnen und ab dem 1. April 2011 Rentenleistungen basierend auf einem Invaliditätsgrad von 100 % zu erbringen. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess das Leistungsbegehren mit Entscheid vom 10. Oktober 2017 gut. 
 
C.   
Die Vorsorgeeinrichtungen führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der Entscheid des Versicherungsgerichts sei aufzuheben und die Klage vom 9. April 2015 abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung von Eingliederungsmassnahmen sowie zur Ermittlung des nach deren Durchführung zumutbaren Invalideneinkommens an die Vorinstanz zurück zu weisen. Sodann beantragen sie aufschiebende Wirkung der Beschwerde. 
 A.________ beantragt Abweisung der Beschwerde und Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Vorsorgeeinrichtungen können Rentenabänderungen seitens der Invalidenversicherung (hier: Verfügung vom 11. März 2014) nachvollziehen, aber auch auf Grund eigener Abklärungen gleichsam "autonom" Rentenanpassungen vornehmen (BGE 133 V 67 E. 4.3.5 S. 71). Letzteres setzt grundsätzlich einen Rückkommenstitel im invalidenversicherungsrechtlichen Sinn voraus (vgl. BGE 143 V 434 E. 3.3.2 S. 439 [obligatorische berufliche Vorsorge] bzw. E. 3.4.2 S. 440 [weitergehende Vorsorge bei Fehlen anderslautender reglementarischer resp. statutarischer Anordnung]). Hiervon abweichende reglementarische Bestimmungen sind in concreto weder geltend gemacht noch ersichtlich. 
 
2.  
 
2.1. Bei der Beschwerdegegnerin wurde im Zeitpunkt der ursprünglichen Rentenzusprache nebst einer rezidivierenden Diskushernie von Seiten der Hausärztin auch eine schwere reaktive Depression diagnostiziert. Wie die Vorsorgeeinrichtungen indes in ihrer Beschwerde implizit selbst geltend machen, wurden die strittigen vollen Renten allein aufgrund der somatischen Beschwerden der Versicherten gewährt. Eine Besserung des somatischen Gesundheitszustands ist gemäss - nicht offensichtlich unrichtiger, und für das Bundesgericht deshalb verbindlicher (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG) - Feststellung der Vorinstanz seit Juni 1998 nicht eingetreten. In casu vermöchte eine allfällige Veränderung des psychischen Gesundheitszustands (gemäss MEDAS-Gutachten mittelschwere depressive Störung) - bei laufenden vollen Renten aufgrund im Wesentlichen gleichbleibender somatischer Beschwerden - zum vorneherein (auch mit Blick auf die anwendbaren reglementarischen Bestimmungen) keine  anspruchsrelevante Veränderung des Sachverhalts zu begründen (vgl. hierzu etwa BGE 141 V 9 E. 5.2 S. 12 f.). Eine Revision im invalidenversicherungsrechtlichen Sinn kommt deshalb nicht in Frage.  
 
2.2. Die Leistungszusprache vom 2. Juli 1999 stützte sich - entgegen der offensichtlich unrichtigen Feststellung der Vorinstanz, die insoweit zu korrigieren ist (Art. 105 Abs. 2 BGG) - nicht allein auf eine Einschätzung der Hausärztin, sondern auch auf fachärztliche Konsiliarberichte (vgl. insbesondere die Berichte der Neurochirurgie des Spitals C.________ vom 25. April und 25. Juni 1997) sowie die Einschätzung des IV-Arztes. Aus der Formulierung der IV-Stelle im Vorbescheid vom 5. Juni 1998 (es seien der Versicherten nurmehr körperlich leichte Tätigkeiten im Ausmass von ca. 30 % zumutbar) erhellt zudem, dass - entgegen der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung, die auch diesbezüglich zu korrigieren ist - die Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit berücksichtigt wurde. Davon, dass die notwendigen fachärztlichen Abklärungen überhaupt nicht oder nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt worden wären, und die ursprüngliche Verfügung damit zweifellos unrichtig im wiedererwägungsrechtlichen Sinn wäre (BGE 141 V 405 E. 5.2 S. 414 f.), kann mithin keine Rede sein.  
 
2.3. Offen bleiben kann bei diesem Verfahrensausgang insbesondere die Frage nach dem sachlichen Konnex zwischen den gemäss MEDAS-Gutachten invalidisierenden Beschwerden psychiatrischer Natur (depressive Störung, derzeit mittlere Ausprägung, mit somatischem Syndrom) und der während laufendem Vorsorgeverhältnis eingetretenen Arbeitsunfähigkeit. Ebenso erübrigt sich eine Rückweisung der Sache zur weiteren Abklärung von Eingliederungsmassnahmen sowie zur Ermittlung des nach deren Durchführung zumutbaren Invalideneinkommens.  
 
3.   
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten unbegründet und die angefochtene Erkenntnis im Ergebnis zu bestätigen. 
Mit dem Entscheid in der Hauptsache wird das Gesuch der Beschwerdeführerinnen um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
4.   
Die unterliegenden Beschwerdeführerinnen werden kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Sie haften solidarisch für die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 5 BGG). 
Die obsiegende Beschwerdegegnerin hat Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Diese ist praxisgemäss ihrer Rechtsvertreterin auszurichten (vgl. etwa Urteil 6B_760/2016 vom 29. Juni 2017 E. 5) und ist von den Beschwerdeführerinnen zu gleichen Teilen unter solidarischer Haftung zu tragen (Art. 68 Abs. 4 i.V.m. Art. 66 Abs. 5 BGG). Damit wird das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gegenstandslos. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden den Beschwerdeführerinnen je zur Hälfte und unter solidarischer Haftung auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerinnen haben die Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren unter solidarischer Haftung mit je Fr. 1'200.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. Juli 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Oswald