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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_563/2021  
 
 
Urteil vom 9. Februar 2023  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin, 
Bundesrichterin Kiss, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Andreas Binder und Rechtsanwältin Céline Schmidt, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Balthasar Wicki und Rechtsanwältin Arife Asipi, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Werkvertrag; Zwischenentscheid, 
 
Beschwerde gegen den Zwischenentscheid des Handelsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, 
vom 29. September 2021 (HOR.2020.41). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die B.________ AG (Beschwerdegegnerin) bezweckt hauptsächlich die Produktion, den Vertrieb und Handel mit Holz und holzverwandten Produkten sowie die Beratung für die Holzindustrie. Die A.________ AG (Beschwerdeführerin) ist im Bereich der Herstellung von Lacken, Lackfarben, Anstrichstoffen usw. tätig. 
Ab 2013 entwickelte die Beschwerdeführerin einen für die X.________-Platten der Beschwerdegegnerin passenden Stammlack (weiss und transparent), den sog. Y.________-Lack. Damit realisierte die Beschwerdegegnerin zwischen 2014 und 2017 zahlreiche Projekte mit X.________-Fassadenelementen im Aussenbereich. 
 
A.a.  
Im Sommer 2017 informierte die Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin darüber, dass die Rezeptur des Y.________-Lacks angepasst werden müsse, und sie nahm in der Folge mehrere Anpassungen der Rezeptur vor. Nach der Verwendung der Y.________-Lackvarianten 2017 kam es im Winter 2017/2018 zu neun Schadensfällen mit dem sog. Schadensbild 1 (kleine Risse auf der lackierten Oberfläche). An den daraus entstandenen Kosten der Beschwerdegegnerin beteiligte sich die Beschwerdeführerin mit Fr. 98'990.--. 
Ab Herbst 2018 traten weitere Schadensfälle mit dem sog. Schadensbild 2 auf, wobei der Lack grossflächig abplatzte. Über die Regelung des Schadensbildes 2 konnten sich die Parteien nicht einigen. 
 
B.  
Am 25. August 2020 erhob die Beschwerdegegnerin Klage beim Handelsgericht des Kantons Aargau und beantragte, die Beschwerdeführerin sei zu verpflichten, ihr aus 46 Schadensfällen insgesamt Fr. 499'132.45 zuzüglich Zins seit den für die einzelnen Teilforderungen jeweils genannten Fälligkeitsdaten zu bezahlen. Im entsprechenden Umfang sei der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes Z.________ aufzuheben. 
Die Beschwerdegegnerin behauptete im Wesentlichen, der von der Beschwerdeführerin speziell für sie hergestellte Lack sei mangelhaft geliefert worden, wodurch bei den lackierten X.________-Fassandenelementen im Aussenbereich grossflächige Lackabplatzer auftreten würden. Die Beschwerdeführerin habe daher jene Kosten zu ersetzen, die die Beschwerdegegnerin für die Demontage, Neulackierung und Remontage der X.________-Fassadenplatten aufgewendet habe. Die Beschwerdeführerin bestritt die Mangelhaftigkeit des gelieferten Lacks und dass sie für die Nachbesserungskosten der Beschwerdegegnerin aufzukommen habe. 
Das Handelsgericht beschränkte das Verfahren in der Folge auf die Frage des gültigen Einbezugs der beschwerdeführerischen AGB sowie des dortigen Ausschlusses der Haftung für Mangelfolgeschäden. 
 
B.a.  
Mit Zwischenentscheid vom 29. September 2021 erkannte das Handelsgericht, dass der in den beschwerdeführerischen AGB (Ziff. 3.4) enthaltene Haftungsausschluss für Mangelfolgeschäden zwischen den Parteien nicht rechtsgültig vereinbart worden sei. 
Die Gerichtskosten von Fr. 6'298.50 auferlegte es der Beschwerdeführerin und verpflichtete diese, der Beschwerdegegnerin Fr. 16'900.-- Parteientschädigung zu bezahlen. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin, der Zwischenentscheid des Handelsgerichts sei aufzuheben und die Rechtsbegehren gemäss Klage vom 25. August 2020 seien abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an das Handelsgericht zurückzuweisen. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde hiess die Instruktionsrichterin am 2. Dezember 2021 gut. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde betrifft eine Zivilsache (Art. 72 BGG) und richtet sich gegen den Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts, das gemäss Art. 6 ZPO als einzige Instanz entschieden hat (Art. 75 Abs. 2 lit. b BGG). Die Beschwerde ist unabhängig vom Streitwert zulässig (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG). Die Beschwerdeführerin ist mit ihren Anträgen unterlegen (Art. 76 Abs. 1 BGG) und die Frist zur Einreichung der Beschwerde ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG).  
 
 
1.2.  
 
1.2.1. Der angefochtene Entscheid schliesst das Verfahren nicht im Sinne von Art. 90 BGG ab. Es ist kein End-, sondern ein Zwischenentscheid, der nicht den Ausstand oder die Zuständigkeit (Art. 92 BGG) betrifft. Gegen solche, andere selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können, oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. a und b BGG).  
Entgegen dem deutschen und dem italienischen Wortlaut muss das durch den Endentscheid entfallende Beweisverfahren sowohl lang als auch kostspielig sein (vgl. Urteil 5A_297/2021 vom 29. Oktober 2021 E. 3.1). Die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden aus prozessökonomischen Gründen bildet eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 144 III 475 E. 1.2; 141 III 80 E. 1.2; 134 III 188 E. 2.2). Diese Ausnahme ist restriktiv zu handhaben, zumal die Parteien keiner Rechte verlustig gehen. Wenn sie einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG nicht selbstständig anfechten, können sie ihn mit dem Endentscheid anfechten, soweit er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG; BGE 144 III 475 E. 1.2; 138 III 94 E. 2.2; 134 III 188 E. 2.2). Dementsprechend obliegt es der beschwerdeführenden Partei, darzutun, dass die Voraussetzungen von Art. 93 BGG erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich in die Augen springt (BGE 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2; 137 III 324 E. 1.1). 
Macht die beschwerdeführende Partei geltend, die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG seien erfüllt, ist zu differenzieren: Geht bereits aus dem angefochtenen Urteil oder der Natur der Sache hervor, dass ein bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erforderlich sein wird, darf auf lange Ausführungen verzichtet werden. Andernfalls hat die beschwerdeführende Partei im Einzelnen darzutun, welche Tatfragen offen sind und welche weitläufigen Beweiserhebungen in welchem zeit- oder kostenmässigen Umfang erforderlich sind. Zudem hat sie unter Aktenhinweisen darzulegen, dass sie die betreffenden Beweise im kantonalen Verfahren bereits angerufen oder entsprechende Anträge in Aussicht gestellt hat (BGE 133 IV 288 E. 3.2; 118 II 91 E. 1a; Urteil 4A_288/2021 vom 13. Juli 2021 E. 2.1 mit Hinweisen). Das Bundesgericht prüft frei, ob die Voraussetzung, dass bei einer Gutheissung der Beschwerde ein bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden kann, erfüllt ist (BGE 118 II 91 E. 1a; Urteil 4A_605/2021 vom 5. Mai 2022 E. 1.1). 
 
1.3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, es liege ein selbstständig anfechtbarer Zwischenentscheid vor, weil die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde. Wäre die Vorinstanz richtigerweise zum Schluss gelangt, dass die Anwendung der beschwerdeführerischen AGB gültig vereinbart worden sei, so bestünde ein Haftungsausschluss seitens der Beschwerdeführerin für Mangelfolgeschäden. Da die Beschwerdegegnerin einzig solche Schäden geltend machte, wäre die Klage daher bei Gutheissung der Beschwerde abzuweisen.  
Mit ihrer Begründung zeigt die Beschwerdeführerin nicht rechtsgenüglich auf, inwiefern bei Gutheissung der Beschwerde ein langwieriges und kostspieliges Beweisverfahren erspart würde. Dies ergibt sich auch nicht ohne Weiteres aus dem angefochtenen Entscheid. Daraus erhellt im Gegenteil, dass die Vorinstanz über die Gewährleistungsfrage an sich bereits Beweis geführt hat. Sie erachtete gestützt auf schriftliche Unterlagen und Parteibefragungen als erstellt, dass die Parteien eine fünfjährige Gewährleistung vereinbart haben, wobei auch über deren Umfang gesprochen worden sein müsse. Die AGB der Beschwerdeführerin seien hingegen nicht Teil eines Konsenses gewesen. Somit ist allenfalls noch über die Mangelhaftigkeit oder -freiheit des von der Beschwerdeführerin gelieferten Stammlacks W.________ Beweis zu führen. Damit aber die gesetzlichen Voraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG erfüllt sind, muss das Beweisverfahren in Bezug auf Dauer und Kosten erheblich von einem üblichen Prozess abweichen (Urteil 4A_605/2021 vom 5. Mai 2022 E. 1.2.2 mit Hinweisen). Dass dies vorliegend der Fall wäre, ist nicht ersichtlich oder seitens der Beschwerdeführerin hinreichend dargetan. Namentlich genügt hierzu nicht, dass allenfalls ein Gutachten zur Mangelhaftigkeit des Stammlacks W.________ einzuholen und acht Zeugen zu befragen sind, wobei dies nicht feststeht. Auch dass zwei Zeugen allenfalls rechtshilfeweise einzuvernehmen sind, begründet nicht per se ein ausserordentlich langwieriges oder kostspieliges Beweisverfahren. Aus dem angefochtenen Entscheid erhellt, dass die Zeugen bereits einmal einvernommen wurden und dies keine besonderen Probleme verursachte. Die Voraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG sind daher nicht erfüllt. 
Es kann offen bleiben, ob das Bundesgericht, sollte es die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin teilen, einen verfahrensabschliessenden Endentscheid fällen könnte. Die Beschwerde ist unzulässig. Darauf ist nicht einzutreten. 
 
2.  
Ausgangsgemäss hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen. Sie hat die Beschwerdegegnerin angemessen zu entschädigen (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. Februar 2023 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt