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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_809/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 9. November 2017  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiberin Bianchi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Fabian Blum, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Kosten, Haftentschädigung (Einstellungsverfügung; Drohung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 31. Mai 2017 (SBK.2017.13). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten eröffnete am 27. August 2015 ein Verfahren gegen X.________. Dieser soll am 27. August 2015 seiner Ehefrau A.________ gegenüber gedroht haben, dass er sie, ihren Sohn sowie ihren Rechtsvertreter umbringen werde. Er wurde gleichentags verhaftet und am 30. Oktober 2015 wieder entlassen. 
 
B.   
Am 25. Mai 2016 reichte A.________ eine Desinteresseerklärung ein und beantragte die Sistierung des Verfahrens gemäss Art. 55a StGB. Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten erliess am 6. Juni 2016 eine Sistierungsverfügung. 
Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren am 3. Januar 2017 ein, auferlegte X.________ die Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 6'427.-- und richtete ihm weder Entschädigung noch Genugtuung aus. 
 
C.   
Das Obergericht des Kantons Aargau wies die Beschwerde von X.________ mit Entscheid vom 31. Mai 2017 ab. 
 
D.   
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt zusammengefasst, in Aufhebung des Urteils des Obergerichts seien die Verfahrenskosten der Einstellungsverfügung auf die Staatskasse zu nehmen und es sei ihm eine Genugtuung von Fr. 12'800.-- sowie seinem amtlichen Verteidiger für das vorinstanzliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 1'340.95 auszurichten. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Beweiswürdigung der Vorinstanz sei willkürlich. Die Vorinstanz habe bei der Beweiswürdigung das psychiatrische Kurzgutachten vom 7. Oktober 2015 als Indiz für den Wahrheitsgehalt der Aussagen seiner Ehefrau beigezogen. Das Kurzgutachten basiere auf der Annahme, dass er die Drohungen ausgesprochen habe. Eine dieses Kurzgutachten berücksichtigende Beweiswürdigung sei fehlerhaft i.S. von Art. 97 Abs. 1 BGG.  
 
1.2. Die Beweiswürdigung ist Aufgabe des Sachgerichts (Art. 10 Abs. 2 StPO). Das Bundesgericht greift nur bei Willkür ein (Art. 9 BV; Art. 97 Abs. 1 BGG), namentlich wenn ein Beweismittel offensichtlich verkannt wurde (BGE 140 III 264 E. 2.3) oder der Entscheid schlechterdings unhaltbar erscheint, nicht aber bereits, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar wäre (BGE 141 I 49 E. 3.4, 70 E. 2.2).  
 
1.3. Die Vorinstanz stützt sich bei ihrer Beweiswürdigung auf die Aussagen von A.________ und des Beschwerdeführers. Zusammengefasst erachtet sie die Aussagen von A.________ aufgrund der kohärenten und detaillierten Schilderung als glaubhaft. Unter Berücksichtigung des psychiatrischen Gutachtens erwägt die Vorinstanz, dass die von A.________ geschilderten Drohungen mit der darin gestellten Diagnose des Beschwerdeführers vereinbar seien. Die Tochter, welche nur bei einem Teil der Auseinandersetzung anwesend gewesen sei, habe das Verhalten des Beschwerdeführers als aggressiv beschrieben, wobei sie selbst keine Drohungen wahrgenommen habe. Die Schilderungen des Beschwerdeführers seien im Kernpunkt nicht logisch. Insbesondere seien seine Erklärungen für die panische Reaktion von A.________ nicht nachvollziehbar und die von ihm behauptete psychische Instabilität von A.________ sei wenig glaubhaft. Darauf basierend erwägt die Vorinstanz, es sei klar nachgewiesen, dass der Beschwerdeführer seiner Ehefrau gegenüber gedroht habe, er werde sie, ihren Sohn sowie ihren Rechtsvertreter umbringen.  
 
1.4. Der Einwand, dass die Vorinstanz das psychiatrische Gutachten als Indiz beizog, ist unbehelflich. Die darin gestellte Diagnose stellt auf Persönlichkeitsmerkmale des Beschwerdeführers ab, welche für die Einschätzung der Glaubwürdigkeit von A.________ durchaus von Relevanz sind. Die Beweiswürdigung der Vorinstanz ist nicht als willkürlich zu qualifizieren.  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 426 und 430 StPO sowie Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK. Zusammengefasst macht er geltend, die Vorinstanz verstosse gegen die Unschuldsvermutung, indem sie nach umfassender Beweiswürdigung zum Schluss gekommen sei, er habe gegenüber seiner Ehefrau gedroht, dass er sie, ihren Sohn sowie ihren Rechtsvertreter umbringen werde. Die Vorinstanz erwecke den Eindruck, dass sein Verhalten strafrechtlich missbilligt werde. Daran sollen auch die Verweise auf Art. 28 und 28b ZGB nichts ändern.  
 
2.2. Der beschuldigten Person können die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig oder schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO). Unter den gleichen Voraussetzungen kann gemäss Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO eine Entschädigung oder Genugtuung herabgesetzt oder verweigert werden. Diese Bestimmung kodifiziert die Praxis des Bundesgerichts und der EMRK-Organe, wonach eine Kostenauflage möglich ist, wenn die beschuldigte Person in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise gegen eine geschriebene oder ungeschriebene Verhaltensnorm (insbesondere im Sinne von Art. 28 ZGB oder Art. 41 OR) klar verstossen und dadurch die Einleitung des Strafverfahrens bewirkt hat (Urteil 6B_414/2016 vom 29. Juli 2016 E. 2.4). In tatsächlicher Hinsicht darf sich die Kostenauflage nur auf unbestrittene oder bereits klar nachgewiesene Umstände stützen. Diese Grundsätze gelten auch für die Verweigerung einer Parteientschädigung (BGE 120 Ia 147 E. 3b S. 155; 119 Ia 332 E. 1b S. 334; 112 Ia 371 E. 2a S. 374; Urteil 6B_948/2013 vom 22. Januar 2015 E. 2.2.1; je mit Hinweisen).  
Das Bundesgericht prüft frei, ob der Kostenentscheid direkt oder indirekt den Vorwurf strafrechtlicher Schuld enthält und ob die beschuldigte Person in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise gegen geschriebene oder ungeschriebene Verhaltensnormen klar verstiess und dadurch das Strafverfahren veranlasste. Unter Willkürgesichtspunkten prüft es diesbezüglich die Sachverhaltsfeststellungen sowie gegebenenfalls kantonales Recht (Urteil 6B_414/2016 vom 29. Juli 2016 E. 2.4 mit Hinweis). 
Diese Rechtsprechung gilt in gleicher Weise bei Verfahrenseinstellungen gestützt auf Art. 55a Abs. 3 StGB (Urteil 6B_414/2016 vom 29. Juli 2016 E. 2.4 mit Hinweisen). 
 
2.3. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die vorgenommene Beweiswürdigung im Rahmen des Einstellungsverfahrens die Unschuldsvermutung verletze. Wenn eine umfassende Beweiswürdigung vorgenommen werden müsse, beruhe das zivilrechtlich vorwerfbare Verhalten nicht auf klar nachgewiesenen Umständen.  
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz im Rahmen der Kostenauferlegung i.S. von Art. 426 Abs. 2 StPO die während der Untersuchung festgestellten Umstände würdigt. Sofern die Vorinstanz auf die für das zivilrechtliche Verschulden klar nachgewiesenen Umstände abstellt (E. 2.4), ist die Unschuldsvermutung nicht tangiert. 
 
2.4. Die vom Beschwerdeführer gegenüber seiner Ehefrau geäusserte Drohung, er werde sie, ihr Kind sowie ihren Anwalt umbringen, kann als klar nachgewiesen gelten. Sie ist als ernst zu nehmende Bedrohung gegen die physische Integrität i.S. von Art. 28 und 28b ZGB zu qualifizieren. Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer ein persönlichkeitsverletzendes Verhalten i.S. von Art. 28 und 28b ZGB vor.  
Es verletzt kein Bundesrecht, die Auferlegung der Verfahrenskosten und die Verweigerung einer Entschädigung mit persönlichkeitsverletzenden Drohungen zu begründen (vgl. Urteile 6B_414/2016 vom 29. Juli 2016 E. 2.4.1 f.; 6B_1130/2014 vom 8. Juni 2015 E. 3.2). Die Rüge erweist sich als unbegründet. 
 
2.5. Der Kostenentscheid präjudiziert die Entschädigungsfrage. Es gilt der Grundsatz, dass bei Auferlegung der Kosten keine Entschädigung oder Genugtuung auszurichten sind (BGE 137 IV 352 E. 2.4.2 S. 357). Angesichts der verfahrensrechtlich begründeten Kostenauflage stehen dem Beschwerdeführer weder Entschädigung noch Genugtuung zu.  
 
3.   
Die Beschwerde ist abzuweisen. Der Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Dem Beschwerdeführer werden die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. November 2017 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Bianchi