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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2P.60/2002 /kil 
 
Urteil vom 16. April 2002 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli, 
Gerichtsschreiber Küng. 
 
A.________ AG, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Duri Pally, Bahnhofstrasse 7, Postfach 101, 7001 Chur, 
 
gegen 
 
B.________, c/o C.________ Co., 
Beschwerdegegner, 
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 2. Kammer, Obere Plessurstrasse 1, 7000 Chur. 
 
Art. 29 BV (Submission) 
 
(Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 2. Kammer, vom 15. Januar 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Gemeinde Scuol schrieb am 5. Juli 2001 die Ingenieur- und Geometerarbeiten im Zusammenhang mit der Vermessung, Vermarkung und Katastererneuerung des Geländeabschnittes "Los 7" in Scuol gemäss kantonalem Submissionsgesetz öffentlich aus. Mit Entscheid vom 4. September 2001 schlug sie die Geometerarbeiten für Fr. 367'992.-- der A.________ AG, Schwarzenburg, zu, da diese das wirtschaftlich günstigste Angebot unterbreitet habe. 
 
Gegen diesen Zuschlag erhob die C.________ Co., Inhaber B.________ und H.________, Chur, (als zweitplatziertes Vermessungsbüro) Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Mit Urteil vom 15. Januar 2002 hiess dieses die Beschwerde gut und erteilte den Zuschlag für Fr. 374'448.-- unter Aufhebung des angefochtenen Vergabeentscheides direkt an B.________. 
B. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 21. Februar 2001 beantragt die A.________ AG dem Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Januar 2002 aufzuheben. 
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hat als Vernehmlassung lediglich die kantonalen Akten eingereicht. 
 
B.________, C.________ Co., beantragt, die Beschwerde abzuweisen. 
 
Die Gemeinde Scuol beantragt, die Beschwerde gutzuheissen. 
C. 
Mit Verfügung vom 18. März 2002 erkannte der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Letztinstanzliche kantonale Entscheide über die Vergabe öffentlicher Arbeiten durch Kantone und Gemeinden unterliegen der staatsrechtlichen Beschwerde ans Bundesgericht. Dabei ist insbesondere der übergangene Bewerber im Sinne von Art. 88 OG zur Beschwerde legitimiert (BGE 125 II 86 E. 2 - 4, S. 92 ff.). 
 
Die Beschwerdeführerin, die ursprünglich den Zuschlag erhalten hatte, ist durch den angefochtenen Entscheid, mit welchem das Verwaltungsgericht den Zuschlag einem anderen Mitbewerber erteilt, in ihren rechtlich geschützten Interessen berührt. Auf ihre frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist daher - im Rahmen der formgerecht erhobenen Rügen (vgl. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) - grundsätzlich einzutreten. 
2. 
2.1 Nach Art. 16 lit. a des Bündner Submissionsgesetzes (SubG/GR; BR803.300) ist ein Angebot von der Berücksichtigung namentlich dann ausgeschlossen, wenn der Anbieter den gemäss Ausschreibung verlangten so genannten Vermerk (Stichwort) nicht oder nicht korrekt anbringt. 
 
Gemäss Ziffer 7 der öffentlichen Ausschreibung waren die Offerten an das Meliorations- und Vermessungsamt Graubünden zu richten und mit der Post aufzugeben; zudem wurde darauf hingewiesen, dass Angebote ohne Stempel einer schweizerischen Poststelle sowie unter anderem Eingaben ohne den Vermerk auf dem Couvert ungültig seien. 
2.2 Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, der in den Akten liegende Briefumschlag mit der Offerte der Beschwerdeführerin enthalte den gemäss Ziffer 6 der Submissionsausschreibung vorgeschriebenen Vermerk (Stichwort) "amtliche Vermessung Scuol, Los 7" nicht. Da bei der Auslegung und Anwendung von Art.16 lit. a SubG/GR ein strenger Massstab anzulegen sei, sich die Parteien zu diesem Punkt im Verfahren vor Verwaltungsgericht äussern konnten und weder die Gemeinde Scuol noch die Beschwerdeführerin das Vorliegen eines gravierenden Mangels im Sinne dieses Ausschlussgrundes, beziehungsweise der Ziffern 6 und 7 der Ausschreibung zu widerlegen vermocht hätten, müsse das Angebot der Letzteren für ungültig erklärt werden. 
2.3 Die Beschwerdeführerin behauptet, sie habe ihre Offerte in einem braunen, mit dem verlangten Stichwort versehenen Umschlag am 17. August 2001 der Post übergeben. Dieser Umschlag habe einen Begleitbrief sowie die eigentliche Offerte enthalten, die sich in einem zweiten, mit dem Bürologo versehenen weissen Couvert befunden habe. Der braune Umschlag mit dem Poststempel sei heute nicht mehr auffindbar; es stehe aber fest, dass dieser erst nach Eingang beim Meliorationsamt verloren gegangen sei. 
2.4 Der in Frage stehende braune Umschlag ist aus unbekannten Gründen nicht mehr in den Akten und sein Verbleib auch ungeklärt. Der direkte Beweis, dass er mit einem Poststempel und dem Vermerk versehen war, kann deshalb von keiner Partei mehr erbracht werden. Ein solcher direkter Beweis ist indessen nicht zwingend erforderlich, wenn der Nachweis für das Erfüllen solcher Formerfordernisse auch mit anderen tauglichen Mitteln erbracht werden kann (vgl. BGE 109 Ib 343). 
2.4.1 Die Beschwerdeführerin rügt eine willkürliche Beweislastverteilung. Diese erblickt sie darin, dass das Verwaltungsgericht ihr die Beweislast für das Einreichen einer formell gültigen Offerte auferlegt habe. Zudem beruhe die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Gemeinde Scuol, beziehungsweise das Meliorationsamt hätten den Beweis für den Eingang einer korrekten und vollständigen Offerte der Beschwerdeführerin nicht erbracht, auf einem überspitzten Formalismus (Art. 29 Abs. 1 BV). 
2.4.2 Wer die Beweislast trägt, bestimmt sich in verfahrensrechtlichen Fragen nach dem allgemeinen, auch in Art. 8 ZGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsatz, wonach die Beweislosigkeit einer Tatsache zu Ungunsten desjenigen ausschlägt, der aus ihrem Vorhandensein ein Recht ableitet. Die Beweislast für das frist- und formgerechte Einreichen von Eingaben trifft somit grundsätzlich jene Partei, die die entsprechende Handlung vorzunehmen hat. Eine Ausnahme gilt, wenn die beweispflichtige Partei den Beweis aus Gründen nicht erbringen kann, die nicht von ihr, sondern von der Behörde zu verantworten sind. In diesem Fall tritt eine Umkehrung der Beweislast ein: Diese ist dann von der Behörde zu tragen (BGE 92 I 253 E. 3; bestätigt im Urteil 2A.635/1998 vom 15. April 1999, publiziert in Praxis 88 [1999] Nr. 170). 
 
Im vorliegenden Fall beruht indessen der Schluss des Verwaltungsgerichts, die von ihm festgestellten gravierenden Mängel gemäss Art. 16 Abs. 1 lit. a SubG/GR beziehungsweise laut Ziffer 6 und 7 der Ausschreibung seien nicht widerlegt, auf Beweiswürdigung, weshalb die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage der Beweislastverteilung gegenstandslos ist (BGE 114 II 289 E. 2a; vgl. auch Urteil 5P.360/2001 vom 14. Dezember 2001, E. 4c/aa). 
2.4.3 Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren vor Verwaltungsgericht mit der Vorlage der Postaufgabebestätigung bewiesen, dass sie am 17. August 2001 in Schwarzenburg/BE der Schweizerischen Post eine eingeschriebene, an das Meliorationsamt in Chur gerichtete Sendung übergeben hat. Mit Aktennotiz vom 5. Dezember 2001 hat das Meliorations- und Vermessungsamt Graubünden bestätigt, dass die Offerte der Beschwerdeführerin bei dieser Amtsstelle per Post in einem Briefumschlag, versehen mit Poststempel und dem verlangten Vermerk (Stichwort), eingegangen sei. Dieser Umschlag sei versehentlich durch das Sekretariat geöffnet worden, nicht aber das darin nebst einem Begleitbrief enthaltene verschlossene Couvert mit der Offerte der Beschwerdeführerin. 
 
Anhaltspunkte dafür, dass diese Darstellung nicht der Wahrheit entspricht, führt das Verwaltungsgericht nicht an. Es kann unter diesen Umständen als bewiesen erachtet werden, dass die Offerte der Beschwerdeführerin sowohl rechtzeitig der Post übergeben worden als auch mit dem verlangten Vermerk versehen war. Die dem zuständigen Meliorations- und Vermessungsamt eingereichte Offerte erfüllte somit die formellen Anforderungen von Art. 16 lit. a SubG/GR beziehungsweise von Ziffer 6 und Ziffer 7 der Ausschreibung. Auf diesem Amt nahm der Abteilungsleiter Vermessung am 22. August 2001 persönlich die Öffnung der Angebote vor. Dabei öffnete er auch erst das Couvert mit der Offerte der Beschwerdeführerin. 
 
Aus den in den Akten liegenden Schriftstücken und Umschlägen ist ersichtlich, dass das weisse Couvert, in welchem sich die Offerte der Beschwerdeführerin bis zur Öffnung befunden hat, mit einem Sichtfenster versehen ist, in welchem allein der auf einem Beiblatt angebrachte Vermerk "Offerte amtliche Vermessung Scuol, Los 7" sichtbar ist. Dieses Beiblatt ist im Gegensatz zum Begleitbrief nicht mit einem Eingangsstempel des Amtes versehen. Es ist somit zu vermuten, dass dieses Beiblatt ebenfalls im verschlossenen weissen Couvert lag und zwar so, dass der Vermerk im Sichtfester erschien. Dies erklärt auch die Tatsache, dass der zuständige Abteilungsleiter im Protokoll über die Offertöffnung keinen Hinweis auf einen fehlenden Vermerk anbrachte. Unter diesen Umständen kann man sich fragen, ob damit nicht sogar der weisse Umschlag als mit dem Vermerk versehen zu betrachten ist. 
 
Irgendwelche Indizien, die darauf schliessen liessen, dass es sich bei dieser im verschlossenen weissen Couvert liegenden Offerte nicht um diejenige handeln könnte, die am 17. August 2001 der Post übergeben worden ist, werden jedenfalls weder geltend gemacht noch sind solche aus den Akten ersichtlich. 
 
Im Übrigen ist mangels entsprechender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass sich die Verwaltung rechtsgetreu verhalten und die bei ihr eingegangenen Offerten korrekt behandelt und bis zur Öffnung in dem Zustand verwahrt hat, in dem sie bei ihr eingetroffen sind. 
Der Schluss des Verwaltungsgerichts, die Offerte sei mit den erwähnten formellen Mängeln behaftet und deshalb ungültig, erweist sich unter diesen Umständen als mit sachlichen Gründen offensichtlich nicht haltbar und damit als willkürlich (Art. 9 BV; statt vieler BGE 120 Ia 31 E. 4b). 
 
Die Frage, ob dem Verwaltungsgericht überspitzter Formalismus vorzuwerfen sei, braucht damit nicht mehr entschieden zu werden. 
3. 
Aus diesen Gründen ist der angefochtene Entscheid aufzuheben. Der Vertrag mit B.________, dem mit dem angefochtenen Urteil der Zuschlag erteilt wurde, ist noch nicht abgeschlossen (act. 7). Es kann daher bei der Aufhebung des angefochtenen Entscheides sein Bewenden haben (BGE 125 II 86 E. 5a, S. 96). 
 
Bei diesem Ausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der unterliegenden Partei, nämlich B.________, aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1, Art. 153 und 153a OG); dieser hat die Beschwerdeführerin auch für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 15. Januar 2002 wird aufgehoben. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdegegner, B.________, auferlegt. 
3. 
Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Scuol und dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 16. April 2002 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: