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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_819/2011 
 
Urteil vom 19. Januar 2012 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
H.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung 
(Persönliche Beiträge; Bindung an das Steuerrecht), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 2. September 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Verfügungen vom 7. Februar 2006 und 25. Januar 2007 setzte die Ausgleichskasse des Kantons Zürich die von H.________ für 2006 und 2007 geschuldeten persönlichen Beiträge einschliesslich Verwaltungskosten vorläufig fest. Gestützt auf die Meldungen des Steueramtes des Kantons Zürich, Abteilung Direkte Bundessteuer, vom 17. Januar und 23. Mai 2009 über das mittels einer Ermessenstaxation veranlagte Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit im Nebenerwerb für 2006 (Fr. 90'900.-) und 2007 (Fr. 110'900.-) erliess die Ausgleichskasse am 16. März und 29. Mai 2009 zwei Nachtragsverfügungen über Fr. 9'119.40 und Fr. 10'048.80. Daran hielt sie mit Einsprachentscheid vom 22. Januar 2010 fest. 
 
B. 
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde des H.________ änderte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich den Einsprachentscheid vom 22. Januar 2010 insofern ab, als es das beitragspflichtige Einkommen auf Fr. 77'048.- (2006) und Fr. 97'372.- (2007) festsetzte (Entscheid vom 2. September 2011). 
 
C. 
H.________ hat Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben mit dem Rechtsbegehren, zur Festsetzung der AHV-Beiträge seien die tatsächlichen Einkünfte gemäss den Steuererklärungen 2006 und 2007 heranzuziehen. 
 
Die Ausgleichskasse und das kantonale Gericht verzichten auf eine Stellungnahme und einen Antrag zur Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat keine Vernehmlassung eingereicht. 
 
D. 
H.________ hat sich in einer weiteren Eingabe zur Sache geäussert. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Nach unbestrittener Feststellung der Vorinstanz wurde das der direkten Bundessteuer 2006 und 2007 unterworfene Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit mangels rechtzeitig eingereichter Steuerklärungen aufgrund einer Ermessenstaxation veranlagt. Die betreffenden Angaben der Steuerbehörden (2006: Fr. 90'900.-, 2007: Fr. 110'900.-) sind kraft Art. 23 Abs. 4 AHVV für die Ausgleichskasse absolut, für das kantonale Sozialversicherungsgericht relativ verbindlich (vgl. etwa Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 121/05 vom 14. September 2006 E. 3.2). Diese gestützt auf Art. 9 Abs. 4 AHVG (seit 1. Januar 1997: Art. 9 Abs. 3 AHVG) erlassene Verordnungsbestimmung ist gesetzmässig (ZAK 1992 S. 32, H 4/91 E. 4b mit zahlreichen Hinweisen). 
 
2. 
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe die Frist zur Einreichung der Steuererklärungen aufgrund seiner Überforderung, eine zeitgerechte Buchführung abzuschliessen, verpasst. Für dieses Versäumnis werde er ein zweites Mal bestraft, wenn auch bei der AHV auf die "extrem übertriebene" Einschätzung des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit durch die Steuerbehörde (2006: Fr. 90'900.-, 2007: Fr. 110'900.- bzw. Fr. 77'048.- und Fr. 97'372.- nach nicht offensichtlich unrichtiger und daher für das Bundesgericht verbindlicher Feststellung der Vorinstanz [Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG]) abgestellt werde, wofür es an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Gemäss den im September 2009 während des Einspracheverfahrens nachgereichten Steuererklärungen 2006 und 2007 betrugen die tatsächlichen Einkünfte vor Abzügen Fr. 33'000.- (2006) und Fr. 32'500.- (2007). 
 
3. 
3.1 Hat der Steuerpflichtige trotz Mahnung seine Verfahrenspflichten, wozu insbesondere die Abgabe der Steuererklärung gehört (§ 133 des Zürcher Steuergesetzes vom 8. Juni 1997 ([StG; LS 631.1] und BGE 2C_463/2010 E. 3.2.1), nicht erfüllt oder können die Steuerfaktoren mangels zuverlässiger Unterlagen nicht einwandfrei ermittelt werden, so nimmt die Veranlagungsbehörde die Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen vor. Eine Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen kann der Steuerpflichtige nur wegen offensichtlicher Unrichtigkeit anfechten. Die Einsprache ist zu begründen und muss allfällige Beweismittel nennen (Art. 132 Abs. 2 Satz 1 und 3 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG]; SR 642.11; ebenso für die Staats- und Gemeindesteuern im Kanton Zürich § 139 Abs. 2 Satz 1 und § 140 Abs. 2 StG). 
 
3.2 Der Beschwerdeführer hatte somit die Möglichkeit, die mit seinen Worten extrem übertriebene steuerliche Einschätzung des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit mit Einsprache anzufechten. Auch und schon deshalb besteht kein Grund, von der Rechtsprechung zu Art. 23 Abs. 4 AHVV abzuweichen, wonach die selbständigerwerbenden Versicherten ihre Rechte auch im Hinblick auf die AHV-rechtliche Beitragspflicht in erster Linie im Steuerjustizverfahren zu wahren haben und von den kantonalen Versicherungsgerichten nur ausnahmsweise Berichtigungen vorzunehmen sind (SVR 2007 AHV Nr. 11 S. 29, H 64/06 E. 3.3; Urteil 9C_325/2011 vom 22. Juni 2011). Ein solcher Ausnahmetatbestand ist nicht gegeben, wenn eine nachträgliche Abklärung ergibt und noch weniger wenn eine solche ergeben könnte, dass die Veranlagung für die direkte Bundessteuer bei rechtzeitiger Anfechtung wahrscheinlich korrigiert worden wäre (ZAK 1992 S. 32, H 4/91 E. 3c). Es bestehen keine Anhaltspunkte in den Akten, dass der Beschwerdeführer Einsprache gegen die Veranlagungsverfügungen erhoben hatte. Ausser Frage steht, dass an sich Grund hiezu bestand, da die Höhe des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit weder steuerrechtlich belanglos war noch sozialversicherungsrechtlich unbedeutsam, andernfalls insoweit eine Bindung an die rechtskräftige Steuerveranlagung entfiele (SVR 2007 AHV Nr. 11 S. 29, H 64/06 E. 3.3 mit Hinweisen). 
 
4. 
4.1 Weiter fragt sich, ob die steuerliche Ermessenstaxation in Bezug auf das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit klar ausgewiesene Irrtümer enthält, die ohne weiteres richtiggestellt werden können (SVR 2011 AHV Nr. 12 S. 39, 9C_417/2010 E. 4.4, 2007 AHV Nr. 11 S. 29, H 64/06 E. 3.3; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 121/05 vom 14. September 2006 E. 3.2). Dabei obliegt es - wie im Veranlagungsverfahren dem Steuerpflichtigen (StE 2010 B 23.2 Nr. 39, 2C_ 47/2009 E. 5.4) - grundsätzlich dem Beschwerdeführer, Tatsachen, welche diesen Schluss zulassen, zu behaupten und soweit möglich den Beweis dafür zu erbringen, da es um eine Reduktion der Beitragsschuld geht (vgl. auch Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 17/00 vom 5. Dezember 2000 E. 4a). 
 
4.2 Im vorinstanzlichen Verfahren legte der Beschwerdeführer die Steuererklärungen 2006 und 2007 ins Recht, die er offenbar aufgrund der vorinstanzlich angefochtenen Nachtragsverfügungen vom 16. März und 29. Mai 2009 bei der Steuerbehörde - allerdings verspätet - eingereicht hatte. Damit allein vermochte er indessen den geforderten Nachweis nicht zu erbringen, dass sie das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit klar und offensichtlich viel zu hoch eingeschätzt hatte. Daran ändert die Pflicht, die Steuererklärung wahrheitsgemäss und vollständig auszufüllen und persönlich zu unterzeichnen (vgl. Art. 124 Abs. 2 DBG und § 133 Abs. 2 StG) grundsätzlich nichts, selbst wenn daran (auch) im Beitragsfestsetzungsverfahren eine erhöhte Beweiskraft des Dokuments geknüpft werden wollte. 
 
5. 
Der Beschwerdeführer rügt in seiner nachträglichen Eingabe, die Vorinstanz halte zwar fest, die Ausgleichskasse hätte das beitragspflichtige Einkommen grundsätzlich selber einschätzen und die steuerbaren Einkünfte abziehen müssen, die aufgrund der ihr zugänglichen Informationen nicht als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu qualifizieren seien, nehme aber lediglich in Bezug auf allfälliges Einkommen der Ehefrau eine Korrektur gestützt auf die der Steuerbehörde zu spät eingereichten Unterlagen vor. Die Rüge ist unbegründet. Der Beschwerdeführer übersieht, dass die betreffenden vorinstanzlichen Erwägungen auf den Umstand ausgerichtet sind, dass es sich bei den gemeldeten Einkommen um Gesamteinkommen der Eheleute handelt. 
 
6. 
Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, er könne eine derart hohe Beitragsforderung nicht begleichen. Aus dem Betreibungsverfahren würden Verlustscheine resultieren, was zu Beitragslücken und einer entsprechenden lebenslangen Rentenkürzung führe. Dabei übersieht er die Möglichkeit der Herabsetzung oder des Erlasses der Beiträge unter Garantie der Bezahlung des Mindestbeitrages durch die öffentliche Hand nach Art. 11 AHVG und Art. 31 f. AHVV, was Beitragslücken ausschliesst. 
 
7. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 19. Januar 2012 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Meyer 
 
Der Gerichtsschreiber: Fessler