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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
B 40/01 
 
Urteil vom 15. Juli 2003 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiber Nussbaumer 
 
Parteien 
BVG-Sammelstiftung der Rentenanstalt, Vorsorgewerk der W.________ AG, General Guisan-Quai 40, 8002 Zürich, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
M.________, 1934, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Jean Baptiste Huber, Untermüli 6, 6300 Zug 
 
Vorinstanz 
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal 
 
(Entscheid vom 7. Februar 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
M.________ (geboren 1934) war von Januar 1974 bis Ende Mai 1991 für die W.________ AG als Arbeitnehmer tätig. Das ursprüngliche Arbeitspensum von 100 % wurde ab 1. März 1982 aus gesundheitlichen Gründen auf 50 % reduziert. Mit Verfügung der AHV-Ausgleichskasse Grosshandel vom 1. September 1982 erhielt M.________ mit Wirkung ab 1. Dezember 1981 eine halbe IV-Invalidenrente zugesprochen, da er aufgrund von chronischen Gelenkschmerzen in Fingern und Knien in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt war. Diese Rente wurde mit Verfügung vom 13. Januar 1993 per 1. Januar 1992 aufgrund eines Invaliditätsgrades von 70 % auf eine ganze Rente erhöht. Die Arbeitgeberin rechnete auf den Löhnen von 1981 bis 1991 die paritätischen Sozialbeiträge ab. Hingegen meldete sie M.________ nicht bei ihrer Pensionskasse, der BVG-Sammelstiftung der Rentenanstalt, an und entrichtete in dieser Zeit auch keine BVG-Beiträge. 1997 erhob M.________ erstmals gegenüber der Sammelstiftung Anspruch auf Ausrichtung von BVG-Leistungen. Diese anerkannte zwar im Schreiben vom 21. Oktober 1997 grundsätzlich die Versicherungspflicht der Arbeitgeberin, lehnte jedoch das Bestehen jeglicher Ansprüche wegen Eintritt der Verjährung ab. 
B. 
Mit Eingabe vom 15. Februar 2000 liess M.________ Klage gegen die Sammelstiftung einreichen mit dem Antrag auf Ausrichtung einer Invalidenrente von 50 % ab 16. Januar 1993 nebst Zins zu 5 % ab mittlerem Verfall. Mit Entscheid vom 7. Februar 2001 hiess das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft (heute: Kantonsgericht Basel-Landschaft) die Klage gut und verpflichtete die BVG-Sammelstiftung der Rentenanstalt, dem Kläger ab 16. Januar 1993 eine halbe Invalidenrente auszurichten nebst Zins zu 5 % ab 15. Februar 2000. 
 
C. 
Die BVG-Sammelstiftung der Rentenanstalt führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Klage abzuweisen. 
 
M.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Nach Art. 2 Abs. 1 BVG unterstehen Arbeitnehmer, die das 17. Altersjahr vollendet haben und bei einem Arbeitgeber einen über dem Grenzbetrag gemäss Art. 7 BVG liegenden Jahreslohn beziehen, der obligatorischen Versicherung. Diese beginnt mit dem Antritt des Arbeitsverhältnisses (Art. 10 Abs. 1 erster Satzteil BVG). Für Personen, die im Sinne des IVG zur Hälfte invalid sind, werden die entsprechenden Grenzbeträge um die Hälfte gekürzt (Art. 4 BVV2). Nicht der obligatorischen Versicherung unterstellt sind Personen, die im Sinne der IV zu mindestens zwei Dritteln invalid sind (Art. 1 Abs. 1 lit. d BVV2). Diese Bestimmung ist nicht gesetzwidrig (BGE 118 V 164 f. Erw. 4a bis d und 243 Erw. 3a). 
1.2 Anspruch auf Invalidenleistungen haben gemäss Art. 23 BVG Personen, die im Sinne der Invalidenversicherung zu mindestens 50 % invalid sind und bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert waren. Nach Art. 23 BVG versichertes Ereignis ist einzig der Eintritt der relevanten Arbeitsunfähigkeit, unabhängig davon, in welchem Zeitpunkt und in welchem Masse daraus ein Anspruch auf Invalidenleistungen entsteht. Die Versicherteneigenschaft muss nur bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gegeben sein, dagegen nicht notwendigerweise auch im Zeitpunkt des Eintritts oder der Verschlimmerung der Invalidität. Diese wörtliche Auslegung steht in Einklang mit Sinn und Zweck der Bestimmung, nämlich denjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Versicherungsschutz angedeihen zu lassen, welche nach einer längeren Krankheit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und erst später invalid werden. Für eine einmal aus - während der Versicherungsdauer aufgetretene - Arbeitsunfähigkeit geschuldete Invalidenleistung bleibt die Vorsorgeeinrichtung somit leistungspflichtig, selbst wenn sich nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses der Invaliditätsgrad ändert. Entsprechend bildet denn auch der Wegfall der Versicherteneigenschaft kein Erlöschungsgrund (Art. 26 Abs. 3 BVG e contrario; BGE 123 V 263 Erw. 1a, 118 V 45 Erw. 5). 
1.3 Entsprechend ihrem Zweck kommt der Bestimmung von Art. 23 BVG auch die Funktion zu, die Haftung mehrerer Vorsorgeeinrichtungen gegeneinander abzugrenzen, wenn eine in ihrer Arbeitsfähigkeit bereits beeinträchtigte versicherte Person ihre Arbeitsstelle (und damit auch die Vorsorgeeinrichtung) wechselt und ihr später eine Rente der Invalidenversicherung zugesprochen wird. Der Anspruch auf Invalidenleistungen nach Art. 23 BVG entsteht in diesem Fall nicht gegenüber der neuen Vorsorgeeinrichtung, sondern gegenüber derjenigen, welcher die Person im Zeitpunkt des Eintritts der invalidisierenden Arbeitsunfähigkeit angehörte. 
 
Damit eine Vorsorgeeinrichtung, der eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer beim Eintritt der Arbeitsunfähigkeit angeschlossen war, für das erst nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses eingetretene Invaliditätsrisiko aufzukommen hat, ist indes erforderlich, dass zwischen Arbeitsunfähigkeit und Invalidität ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht. In sachlicher Hinsicht liegt ein solcher Zusammenhang vor, wenn der der Invalidität zu Grunde liegende Gesundheitsschaden im Wesentlichen derselbe ist, der zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat. Sodann setzt die Annahme eines engen zeitlichen Zusammenhangs voraus, dass die versicherte Person nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht während längerer Zeit wieder arbeitsfähig wurde. Die frühere Vorsorgeeinrichtung hat nicht für Rückfälle oder Spätfolgen einer Krankheit einzustehen, die erst Jahre nach Wiedererlangung der vollen Arbeitsfähigkeit eintreten. Anderseits darf nicht bereits eine Unterbrechung des zeitlichen Zusammenhangs angenommen werden, wenn die Person bloss für kurze Zeit wieder an die Arbeit zurückgekehrt ist. Ebenso wenig darf die Frage des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Arbeitsunfähigkeit und Invalidität in schematischer (analoger) Anwendung der Regeln von Art. 88a Abs. 1 IVV beurteilt werden, wonach eine anspruchsbeeinflussende Verbesserung der Erwerbsfähigkeit in jedem Fall zu berücksichtigen ist, wenn sie ohne wesentliche Unterbrechung drei Monate gedauert hat und voraussichtlich andauern wird. Zu berücksichtigen sind vielmehr die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalles, namentlich die Art des Gesundheitsschadens, dessen prognostische ärztliche Beurteilung und die Beweggründe, die die versicherte Person zur Wiederaufnahme der Arbeit veranlasst haben (BGE 123 V 264 Erw. 1c, 120 V 117 f. Erw. 2c/aa und bb mit Hinweisen). 
2. 
2.1 Der Beschwerdegegner bezieht seit 1. Dezember 1981 eine halbe IV-Invalidenrente wegen chronischen Gelenkschmerzen in Fingern und Knien. Unbestrittenermassen wurde diese Rente wegen desselben Leidens auf den 1. Januar 1992 auf eine ganze Invalidenrente erhöht. Im letztinstanzlichen Verfahren anerkennt die Beschwerdeführerin nunmehr auch, dass der Beschwerdegegner grundsätzlich bei ihr für seine hälftige Arbeitsfähigkeit im Rahmen des BVG versichert gewesen ist. Umstritten ist nach wie vor, ob eine Leistungspflicht der Beschwerdeführerin für die Erhöhung der vor Inkrafttreten des BVG eingetretenen Invalidität wegen desselben Leidens dem Versicherungsprinzip widerspricht und aus diesem Grund verneint werden muss. 
2.2 Nach ständiger Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (BGE 123 V 262; nicht veröffentlichte Urteile B. vom 29. Januar 1998 [B 17/97] und 7. Oktober 1998 [B 48/97]; vgl. auch Urteil G. vom 16. Dezember 2000 [B 29/00]) gilt auch im Bereich der obligatorischen beruflichen Vorsorge das Versicherungsprinzip. Tritt eine Person, welche bereits Bezügerin einer Invalidenrente ist, einer Vorsorgeeinrichtung bei, so haftet diese bei einer Verschlechterung des vorbestandenen Gesundheitszustandes nicht. Dies gilt sowohl, wenn die Person vor dem Anschluss an die Vorsorgeeinrichtung im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit keiner Pensionskasse angehörte (z.B. wegen selbstständiger Erwerbstätigkeit, Urteil vom 29. Januar 1998 [B 17/97], oder wegen einem Geburtsgebrechen, Urteil vom 7. Oktober 1998 [B 48/97]; dazu auch Markus Moser, Das Leistungsrecht der beruflichen Vorsorge im Spiegel der bundesgerichtlichen Rechtsprechung - Aktuelle Entwicklungen, AJP 2000 S. 756 f.) als auch wenn eine teilzeitbeschäftigte Person im bisherigen Rahmen weiter arbeitet und für den nichtversicherten Aufgabenbereich eine halbe Invalidenrente erhält (SZS 2001 S. 85). Dieselben Grundsätze gelangen zur Anwendung, wenn es um die Abgrenzung der Leistung verschiedener Pensionskassen gestützt auf Art. 23 BVG geht (Erw. 1.3 hievor). Dasselbe hat jedoch auch zu gelten, wenn - wie hier - eine Person aus vorobligatorischer Zeit bereits eine Invalidenrente erhält und die Verschlechterung des vorbestandenen Gesundheitszustandes zu einer ganzen Invalidenrente führt (erwähntes Urteil B. vom 7. Oktober 1998, B 48/97). Dieser konstanten Rechtsprechung und dem in Art. 23 BVG festgelegten Versicherungsprinzip widerspricht der kantonale Gerichtsentscheid. Daran ändert nichts, dass im Rahmen des BVG auch eine Person, die zur Hälfte invalid ist, versichert ist. Ihr Versicherungsschutz erstreckt sich auf gesundheitliche Beeinträchtigungen, die mit dem ursprünglichen Leiden nicht in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen (BGE 123 V 269 Erw. 3c letzter Absatz). 
2.3 Die angeführte Rechtsprechung vermag zwar namentlich bei vorbestandenen Leiden nicht ganz zu befriedigen. Sie erfolgte indessen in Abwägung der auch von der Vorinstanz aufgeführten Argumente. Namentlich hat das Eidgenössische Versicherungsgericht im Urteil BGE 123 V 262 das in Art. 23 BVG enthaltene Versicherungsprinzip für den Bereich der obligatorischen Vorsorge bekräftigt, im Bewusstsein, dass das BVG keine gesundheitlichen Vorbehalte für Arbeitnehmer kennt und lediglich Personen, die im Sinne der Invalidenversicherung zu mindestens zwei Dritteln invalid sind, vom Obligatorium ausgenommen sind (Art. 1 Abs. 1 lit. d BVV2). Die mit Art. 23 BVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung verbundenen Unzulänglichkeiten hat jedoch den Gesetzgeber bewogen, Art. 23 BVG im Rahmen der laufenden ersten BVG-Revision zu ändern (vgl. dazu Amtl. Bull. 2003 N 627, 2002 N 544 ff., S 1045; Markus Moser, Anspruchsvoraussetzungen obligatorischer Risikoleistungen, in: Schweizer Personalvorsorge 2003, Heft 3, S. 13 ff.; derselbe, Die berufsvorsorgerechtliche Bindungswirkung von IV-Entscheiden: "Ruhekissen" oder "Prokrustesbett"?, in: Schaffhauser/Stauffer [HrsG], Berufliche Vorsorge 2002], S. 194 ff.) 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 7. Februar 2001 aufgehoben und es wird die Klage vom 15. Februar 2000 abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 15. Juli 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: