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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_443/2007 /hum 
 
Urteil vom 10. Oktober 2007 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd, 
Gerichtsschreiber Thommen. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt 
Dr. P. Andri Vital, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Sennhofstrasse 17, 7001 Chur. 
 
Gegenstand 
Fahrlässige schwere Körperverletzung; Verletzung von Verkehrsregeln, 
 
Beschwerde in Strafsachen gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, vom 21. Februar 2007. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am Samstagabend, 3. September 2005, um ca. 20.10 Uhr fuhr X.________ mit seinem Toyota auf einem langen, geraden und leicht abfallenden Abschnitt der Prättigauerstrasse in Klosters Richtung Davos. Unmittelbar vor dem Hotel Cresta wurde er von einem seiner Beifahrer auf ein langsam vor ihm fahrendes Motorrad aufmerksam gemacht. X.________ leitete sofort eine Vollbremsung ein, konnte aber eine leichte Kollision nicht mehr vermeiden. Gemäss Anklageschrift bog der Lenker des Motorrads, A.________, kurz zuvor vom Vorplatz des Hotels Cresta auf die Prättigauerstrasse in Richtung Davos ein, um mit seinem Motorrad auf den 30 Meter entfernten rechtsseitig an der Strasse gelegenen Parkplatz zu fahren. Er fuhr deshalb langsam die Strasse herunter und schwenkte leicht nach links über die Strassenmitte, um nach rechts in die Einfahrt einzubiegen. Bei diesem Manöver vernahm er das Quietschen der Reifen des heranfahrenden Fahrzeugs. Bei der folgenden Kollision wurde sein rechtes Bein eingeklemmt. Er erlitt einen Trümmerbruch am Knie sowie einen Bruch des Waden- und Schienbeins. 
B. 
Mit Urteil vom 7. Dezember 2006, erkannte der Bezirksgerichtsausschuss Prättigau/Davos X.________ der fahrlässigen schweren Körperverletzung (Art. 125 Abs. 2 StGB) sowie der einfachen Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 31 Abs. 1; Art. 32 Abs. 1; Art. 90 Ziff. 1 SVG) für schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 1'000.--. Eine gegen dieses Urteil erhobene Berufung wies das Kantonsgericht Graubünden am 21. Februar 2007 ab. 
C. 
Dagegen führt X.________ Beschwerde in Strafsachen, mit der er unter anderem die Aufhebung des angefochtenen Urteils verlangt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Willkürverbots und des "in dubio pro reo"-Grundsatzes. Die Feststellung, er habe seine gesamte Aufmerksamkeit nur auf die Fussgängergruppe auf der rechten Strassenseite und nicht auch auf den übrigen Verkehr gerichtet, sei eine unbewiesene Behauptung. Ebenso ungeklärt sei, ob er den Motorradfahrer bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte erkennen können. 
1.1 Für die Rüge der offensichtlich unrichtigen und damit im Sinne von Art. 9 BV willkürlichen Sachverhaltsfeststellung sowie für die behauptete Verletzung verfassungsmässiger Rechte gelten die strengen Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG (vgl. zur amtlichen Publikation vorgesehenes Bundesgerichtsurteil 6B_178/2007 vom 23. Juli 2007, E. 1.4). Die Entscheidrelevanz des Mangels ist zu belegen (Art. 97 Abs. 1 BGG). 
1.2 Der Beschwerdeführer legt lediglich seine Interpretation des Unfallgeschehens dar. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Annahme, dass er den unmittelbar links von der Fahrbahnmitte langsam einherfahrenden Motorradfahrer auch früher hätte sehen können, schlichtweg unhaltbar sein soll. Vielmehr ist die verspätete Wahrnehmung des Motorradfahrers gerade die Folge seiner - von der Vorinstanz willkürfrei festgestellten - einseitigen Konzentration auf die Fussgänger rechter Hand. Die Beanstandung der vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen erweist sich daher als rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil. Mangels ausreichender Begründung ist auf die Sachverhaltsrügen nicht einzutreten. 
2. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 31 und Art. 26 SVG. Zu Unrecht gehe die Vorinstanz von einem Grundmass an Aufmerksamkeit aus, das unabhängig vom Vertrauensgrundsatz in jedem Fall geschuldet sei. 
2.1 Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet (Art. 26 Abs. 1 SVG). Aus dieser Bestimmung leitet die Rechtsprechung den Vertrauensgrundsatz ab, wonach jeder Strassenbenützer, der sich selbst verkehrsgemäss verhält, darauf vertrauen darf, dass sich die anderen Verkehrsteilnehmer ordnungsgemäss verhalten (BGE 129 IV 282 E. 2.2.). Gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG hat der Lenker sein Fahrzeug ständig so zu beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Er muss jederzeit in der Lage sein, auf die jeweils erforderliche Weise auf das Fahrzeug einzuwirken und auf jede Gefahr ohne Zeitverlust zweckmässig zu reagieren. Er muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden (Art. 3 Abs. 1 VRV; BGE 127 II 302, E. 3c). 
2.2 Die Vorinstanz kommt in tatsächlicher Hinsicht zum Schluss, dass der Beschwerdeführer seine gesamte Aufmerksamkeit den Fussgängern auf dem rechten Trottoir zuwandte, obwohl keine Anzeichen dafür bestanden, dass diese die Strasse überqueren wollten. Hätte er seine Aufmerksamkeit auch nach vorne gerichtet, so hätte er den leicht links von der Strassenmitte fahrenden Motorradfahrer bemerkt. Es steht somit fest, dass die Aufmerksamkeit des Beschwerdeführers einseitig fokussiert und damit nicht situationsangemessen war. Das Ausserachtlassen der übrigen Verkehrsteilnehmer verunmöglichte ihm eine rechtzeitige Reaktion. Selbst wenn man mit dem Beschwerdeführer davon ausginge, dass er sich nicht nur auf die Fussgänger, sondern vor allem auf seine Fahrbahnhälfte konzentrierte, entlastet ihn dies - wie die Vorinstanz zutreffend hervorhebt - nicht. Der Motorfahrzeugführer hat auch Gefahrenquellen auf der Gegenfahrbahn im Auge zu behalten. Zusammenfassend steht fest, dass der Beschwerdeführer sein Fahrzeug nicht in dem von Art. 31 Abs. 1 SVG vorgeschriebenen Umfang beherrschte. Die Annahme einer Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG verletzt kein Bundesrecht. Weil sich die eingetretenen Verletzungsfolgen im Übrigen zweifelsfrei direkt auf die geschilderte Sorgfaltspflichtverletzung zurückführen lassen, ist die vorinstanzliche Verurteilung wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung nach Art. 125 Abs. 2 StGB nicht zu beanstanden. 
2.3 Auch die Mitberücksichtigung des Vertrauensgrundsatzes führt zu keinem anderen Ergebnis. Dieser besagt, dass bei der Bemessung der aufzubringenden Sorgfalt grundsätzlich von verkehrsregelkonformem Verhalten der übrigen Verkehrsteilnehmer ausgegangen werden darf, auch wenn verkehrsregelwidriges Verhalten häufig genug ist, um vorhersehbar zu sein (BGE 129 IV 282 E. 2.2; s.a. Guido Jenny, Basler Kommentar zu Art. 18 StGB N 78 und 89 ff.). Doch auch der Vertrauensgrundsatz erlaubt es einem Verkehrsteilnehmer nicht, sich in Situationen zu manövrieren, in denen er zur adäquaten Erfassung drohender Gefahren nicht mehr in der Lage ist. Insofern verletzt die Vorinstanz mit dem von ihr geforderten 'Grundmass an Aufmerksamkeit' kein Bundesrecht. Die Beschwerde erweist sich insoweit als unbegründet. 
3. 
Zusammenfassend ist die Beschwerde kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG) abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Mit dem Entscheid in des Sache ist das Begehren um aufschiebende Wirkung gegenstandslos geworden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Dem Beschwerdeführer wird eine Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden und dem Kantonsgericht von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 10. Oktober 2007 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: