Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
[AZA 7] 
C 180/00 Gr 
 
I. Kammer 
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Schön, Borella, Rüedi 
und Bundesrichterin Leuzinger; Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Urteil vom 11. Mai 2001 
 
in Sachen 
F.________, 1963, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland, Bahnhofstrasse 32, 4133 Pratteln, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal 
 
A.- Mit Verfügung vom 7. April 1998 forderte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland von F.________ (geb. 1963) einen Betrag von Fr. 13'793. 65 an zu Unrecht ausbezahlten Arbeitslosenentschädigungen zurück. 
 
B.- Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft mit Entscheid vom 21. Juli 1999 ab. 
C.- F.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Rückzahlung sei aufzuheben. 
 
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) sich nicht vernehmen lässt. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Rückforderung der Arbeitslosenkasse zu Recht ergangen ist. Soweit die Vorbringen der Beschwerdeführerin sinngemäss als Gesuch um Erlass der Rückzahlung zu verstehen sind, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten. Hierüber wurde bisher noch keine anfechtbare Verfügung erlassen. 
 
2.- Nach Art. 95 Abs. 1 AVIG muss die Kasse Leistungen der Versicherung, auf die der Empfänger keinen Anspruch hatte, zurückfordern. 
Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts kann die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (BGE 122 V 270 Erw. 2 mit Hinweisen). 
 
Von der Wiedererwägung ist die prozessuale Revision von Verwaltungsverfügungen zu unterscheiden. Danach ist die Verwaltung verpflichtet, auf eine formell rechtskräftige Verfügung zurückzukommen, wenn neue Tatsachen oder neue Beweismittel entdeckt werden, die geeignet sind, zu einer andern rechtlichen Beurteilung zu führen (BGE 122 V 271 Erw. 2). 
Die für die Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verfügungen massgebenden Voraussetzungen gelten auch in Bezug auf die Rückerstattung zu Unrecht bezogener Geldleistungen der Arbeitslosenversicherung gemäss Art. 95 AVIG (BGE 126 V 401 Erw. 2b/cc; 122 V 271 Erw. 2 in fine mit Hinweisen). 
Vorliegend kommt als Rückforderungstitel, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, nur die Wiedererwägung in Betracht, da seit der Zusprechung der umstrittenen Arbeitslosenentschädigungen keine neuen Tatsachen oder Beweismittel bekannt geworden sind. 
 
3.- a) Die Beschwerdeführerin verlor ihre Stelle bei den V.________ Ende April 1997 aus gesundheitlichen Gründen und meldete sich sowohl bei der Invaliden- als auch bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug an. Gemäss Bericht von Dr. med. O.________, Amtsärztin am Gesundheitsamt Basel-Stadt, vom 24. Januar 1996 war sie "ausserhalb der V.________" zu 100% arbeitsfähig. Vom 28. April 1997 bis 31. Mai 1998 absolvierte sie unter dem Titel beruflicher Massnahmen (Umschulung) der IV ein Arbeitstraining und bezog entsprechende Taggelder. Dies deklarierte sie der Arbeitslosenversicherung, welche die IV-Taggelder als Zwischenverdienst abrechnete und der Beschwerdeführerin Differenzzahlungen (versicherter Verdienst abzüglich IV-Taggelder) ausrichtete. Auf Anweisung des damaligen Bundesamtes für Wirtschaft und Arbeit (BWA; heute seco), welches diesen doppelten Leistungsbezug als unzulässig bezeichnete, erging die streitige Rückforderungsverfügung. 
 
b) Es geht vorliegend somit um die Frage nach der Rechtslage, wenn für die selbe Zeitspanne Taggelder der Arbeitslosenversicherung und solche der IV zusammentreffen. 
Gemäss der Rechtsprechung kann ein Versicherter nicht für die selbe Periode Arbeitslosenentschädigung (welche Arbeits- und Vermittlungsfähigkeit voraussetzt) und Renten der IV (die nur bei Erwerbsunfähigkeit ausgerichtet werden) beziehen (ARV 1998 Nr. 15 S. 82 Erw. 5b, 1988 Nr. 5 S. 38 Erw. 4c). Sodann haben Versicherte, denen ein volles Taggeld der Arbeitslosenversicherung zusteht, für die gleiche Zeitspanne keinen Anspruch auf Wartetaggelder der IV (AHI 1998 S. 63 Erw. 2). Im Urteil G. vom 20. Dezember 2000 (C 360/99) hat das Eidgenössische Versicherungsgericht erkannt, dass - abgesehen vom hier nicht massgebenden Art. 28 Abs. 4 AVIG - eine besondere Koordinationsregel für AlV- und IV-Taggelder fehlt. Dies war vom Gesetzgeber bewusst so beabsichtigt worden, weshalb das Gericht keinen Anlass zur Auffüllung einer allfälligen Gesetzeslücke sah. 
Nach diesem Urteil haben vorübergehend vermittlungsunfähige Personen, denen Taggelder der IV zustehen, gemäss der Grundregel von Art. 8 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit Art. 15 AVIG keinen Anspruch auf den selben Zeitraum betreffende Taggelder der Arbeitslosenversicherung. In diesem Fall ging es um eine arbeitslose Person, welche sich zwei von der IV übernommenen Operationen unterziehen musste, entsprechende IV-Taggelder bezog und dabei vorübergehend vermittlungsunfähig war. Somit trafen Taggelder der Arbeitslosenversicherung mit solchen der IV zusammen, welche akzessorisch zu medizinischen Eingliederungsmassnahmen ausgerichtet wurden. Vorliegend bezog die Beschwerdeführerin wohl IV-Taggelder als akzessorische Leistung zu beruflichen Eingliederungsmassnahmen. Indessen sind keine sachlichen Gründe ersichtlich, diese Taggelder anders zu behandeln als jene. Vielmehr gilt auch in solchen Fällen ein reines Prioritätsprinzip: Wem Taggelder des einen Sozialversicherungszweiges zustehen, hat keinen Anspruch auf Taggelder des andern Zweiges (vgl. Kieser, Die Taggeldkoordination im Sozialversicherungsrecht, in: AJP 3/2000 S. 249 ff., insbesondere S. 256 und 258-260). 
 
c) Die Beschwerdeführerin kann daher ebenfalls nur Ansprüche gegen einen der beiden betroffenen Sozialversicherungszweige geltend machen, und zwar bei der Konstellation des vorliegenden Falles ausschliesslich gegenüber der IV. Das ihr gewährte Arbeitstraining wurde aus gesundheitlichen Gründen durchgeführt und lag damit nicht im sachlichen Geltungsbereich der Arbeitslosenversicherung, welche arbeitsmarktlich bedingte Eingliederungsmassnahmen vorsieht. 
Während der Zeitspanne, da die Beschwerdeführerin berufliche Eingliederungsmassnahmen erhielt, erfüllte sie die für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung verlangten Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit und der Vermittlungsfähigkeit nicht. Zweck der beruflichen Massnahmen ist die Verbesserung der aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkten Erwerbsfähigkeit. Solche Massnahmen erreichen ihr Ziel normalerweise nur, wenn sie nicht vorzeitig abgebrochen werden. Daher sind die betreffenden Versicherten im Unterschied zu Arbeitslosen (Art. 17 AVIG) auch nicht verpflichtet, während der Durchführungsdauer regelmässig Stellen zu suchen und die beruflichen Massnahmen sofort abzubrechen, falls sie eine Arbeit finden sollten. Es besteht auch ein Unterschied zu Arbeitslosen, die auf eigene Initiative Kurse besuchen und diese jederzeit abbrechen können und wollen müssen, um den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung nicht zu verlieren (dazu BGE 122 V 265), mit andern Worten also vermittlungsfähig zu bleiben haben. Wären die beruflichen Massnahmen dennoch vorzeitig beendet worden, hätte die Versicherte zwar wieder Anspruch auf Arbeitslosentaggelder erhalten können. Gleichzeitig jedoch wäre das IV-Taggeld entfallen, weshalb sich keine Koordinationsprobleme zwischen zwei Sozialversicherungen stellen würden. 
Nach dem Gesagten konnte die Beschwerdeführerin somit grundsätzlich keine Taggelder der Arbeitslosenversicherung beziehen, solange sie in beruflichen Massnahmen der IV stand. 
 
4.- a) Indessen ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass es nicht um die Zusprechung oder Verweigerung von Arbeitslosentaggeldern, sondern um die Rückforderung bereits ausgerichteter Leistungen geht. Es muss daher ein gültiger Rückforderungstitel vorhanden sein. Nachdem die prozessuale Revision ausscheidet (Erw. 2 hievor), ist im Weiteren zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Wiedererwägung (vgl. Erw. 2 hievor) erfüllt sind. Bestehen nämlich ausreichende Anhaltspunkte, dass trotz Annahme von Erwerbsunfähigkeit durch die IV auf ganze oder teilweise Vermittlungsfähigkeit geschlossen werden muss, können vorerbrachte Leistungen der Arbeitslosenversicherung nicht zurückgefordert werden (ARV 1998 Nr. 15 S. 81 f. Erw. 5b, 1995 Nr. 12 S. 61), da die ursprüngliche Leistungszusprechung diesfalls nicht zweifellos unrichtig war und daher die Voraussetzungen für die Wiedererwägung fehlen (SVR 2000 AlV Nr. 22 S. 63). 
 
b) Auf Grund des erwähnten ärztlichen Berichts von Dr. O.________ vom 24. Januar 1996, wonach ausserhalb der V.________ eine vollständige Arbeitsfähigkeit bestehe, war die Beschwerdeführerin trotz ihrer gesundheitlichen Probleme nicht offensichtlich vermittlungsunfähig. Zudem macht sie geltend, Stellen gesucht zu haben. Auch die Vorinstanz ging im Übrigen davon aus, dass die Vermittlungsfähigkeit an sich gegeben war. Demnach hatte die Arbeitslosenkasse ursprünglich keinen Grund zur Annahme, die Beschwerdeführerin sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, eine Arbeitstätigkeit auszuüben. Es bestanden vielmehr beachtliche Anhaltspunkte, der Beschwerdeführerin Arbeitslosentaggelder zu gewähren. Ausserdem hatte sich die Vorinstanz nicht zur Frage geäussert, ob die seinerzeitige Zusprechung dieser Leistungen zweifellos unrichtig gewesen sei. Damit befasst sich vielmehr erstmals das Eidgenössische Versicherungsgericht. Angesichts dieser Umstände lässt sich nicht sagen, die damalige Taggeldausrichtung sei zweifellos unrichtig gewesen (SVR 2000 AlV Nr. 22 S. 63). Damit sind die Bedingungen für eine Wiedererwägung nicht erfüllt, weshalb die Arbeitslosenkasse ihre Leistungen nicht zurückfordern kann. 
 
5.- Das Verfahren ist kostenfrei, da es bei der Frage der Berechtigung einer Rückerstattung um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht (Art. 134 OG). Somit schadet es der Beschwerdeführerin nicht, dass sie den am 19. Juni 2000 einverlangten Kostenvorschuss nicht geleistet hat. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit 
darauf einzutreten ist, werden der Entscheid des 
Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 21. Juli 1999 und die angefochtene Verfügung der 
Öffentlichen Arbeitslosenkasse Baselland vom 7. April 
 
1998 aufgehoben. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, den Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, dem Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Baselland und dem 
 
 
Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 11. Mai 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der I. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: