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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
B 44/05 
 
Urteil vom 12. September 2005 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Ursprung und nebenamtlicher Richter Bühler; Gerichtsschreiber Grünvogel 
 
Parteien 
BVG-Sammelstiftung Vaudoise Versicherungen, Place de Milan, 1007 Lausanne, Beschwerdeführerin, vertreten durch die Vaudoise Leben Versicherungs-Gesellschaft, Place de Milan, 1007 Lausanne, 
 
gegen 
 
B.________, 1955, Beschwerdegegnerin, vertreten durch den Rechtsdienst für Behinderte, Bürglistrasse 11, 8002 Zürich 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Schwyz 
 
(Entscheid vom 9. März 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1955 geborene B.________ leidet seit 1982 an Polytoxikomanie (Aethylismus, Benzodiazepine, Neuroleptika) mit konsekutiv depressiver Symptomatik, einer phobischen Störung mit Panikattacken und an einer Zwangsstörung, ohne indessen deswegen (zumindest zunächst) ihre Erwerbstätigkeit aufgeben zu müssen. Verschiedene stationär durchgeführte Entzugsbehandlungen waren ohne Erfolg geblieben, als die damalige Arbeitgeberin von B.________, die Firma M.________, ihr am 18. Januar 1996 das Arbeitsverhältnis mit Wirkung auf den 30. Juni 1996 kündigte. Als Begründung wurden übermässige, vorwiegend krankheitsbedingte Kurzabsenzen genannt. Am 1. November 1996 konnte B.________ bei der Firma G.________ ein neue Stelle als Sekretärin antreten. In dieser Funktion war sie bei der BVG-Sammelstiftung Vaudoise Versicherungen berufsvorsorglich versichert. Das Arbeitsverhältnis endigte in gegenseitigen Einvernehmen am 15. Mai 1997, wobei als Grund "Krankheit" angegeben wurde. Seit dem 26. Mai 1997 besteht eine vollständige Arbeitsunfähigkeit. 
 
Nachdem B.________ von der Invalidenversicherung auf entsprechende Anmeldung vom 8. September 1998 hin mit Verfügung vom 12. Januar 1999 eine rückwirkend auf den 1. Mai 1998 festgesetzte ganze Invalidenrente nebst einer Kinderrente zugesprochen erhalten hatte, gelangte sie an die BVG-Sammelstiftung Vaudoise Versicherungen mit dem Antrag auf Ausrichtung einer Invalidenrente, was diese abgelehnte. 
B. 
B.________ liess am 30. September 2004 beim Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz gegen die BVG-Sammelstiftung Vaudoise Versicherungen Klage erheben mit dem Rechtsbegehren, die Vorsorgeeinrichtung sei zu verpflichten, ab 1. Mai 1998 eine Invalidenrente sowie eine Kinderrente gemäss BVG nebst Verzugszins von 5 % auszurichten. 
 
Daraufhin holte das kantonale Verwaltungsgericht u. a. von der vormaligen Arbeitgeberin, der Firma M.________, verschiedene Auskünfte und Unterlagen ein, ehe es die Sammelstiftung mit Entscheid vom 9. März 2005 zur Ausrichtung einer ganzen Invalidenrente sowie einer Kinderrente aus beruflicher Vorsorge ab 1. Mai 1998, nebst Verzugszins von 5 % ab 30. September 2004, verpflichtete. 
C. 
Die BVG-Sammelstiftung Vaudoise Versicherungen lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde einreichen mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die Klage abzuweisen. 
 
B.________ schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht die Leistungspflicht der Beschwerdeführerin für Invalidenleistungen aus der obligatorischen Berufsvorsorge ab 1. Mai 1998 zu Recht bejaht hat oder nicht. Dabei ist mit der Vorinstanz wegen des fehlenden Einbezugs der Vorsorgeeinrichtung im IV-Verfahren von einer fehlenden Bindungswirkung des von der IV-Stelle am 12. Januar 1999 Verfügten gegenüber der Beschwerdeführerin auszugehen (vgl. BGE 130 V 270 Erw. 3.1 mit Hinweis). 
1.1 Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf Invalidenleistungen der obligatorischen beruflichen Vorsorge (Art. 10 und Art. 23 BVG in der jeweils bis 31. Dezember 2004 gültig gewesenen Fassung und Art. 26 Abs. 1 BVG in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG in der seit 1. Januar 1988 gültigen bzw. bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung) sowie das für die Leistungspflicht der ehemaligen Vorsorgeeinrichtung massgebende Erfordernis des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhanges zwischen Arbeitsunfähigkeit und Invalidität (BGE 130 V 275 Erw. 4.1, 123 V 264 Erw. 1c, 120 V 117 f. Erw. 2c/aa und bb mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
Zu ergänzen ist, dass die zwischenzeitig eingetretenen Änderungen der Gesetzesbestimmungen für den vorliegenden Fall ohne Belang sind. Sodann ist Art. 25 BVG zu nennen, wonach mit dem Anspruch auf eine Invalidenrente der obligatorischen Berufsvorsorgeversicherung der Anspruch auf eine Kinderrente für jedes Kind, das im Falle des Todes des Versicherten Anspruch auf eine Waisenrente hätte, akzessorisch verbunden ist. 
1.2 Näher zu erörtern ist weiter die für den Anspruch auf berufsvorsorgliche Invalidenleistungen relevante Arbeitsunfähigkeit. Da darunter die Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich zu verstehen ist (BGE 114 V 286 Erw. 3c), ist in erster Line von Bedeutung, ob sich eine gesundheitliche Beeinträchtigung auf das Arbeitsverhältnis sinnfällig auswirkt oder ausgewirkt hat. Das heisst, es muss arbeitsrechtlich in Erscheinung treten, dass der Versicherte an Leistungsvermögen eingebüsst hat, so etwa durch einen Abfall der Leistungen mit entsprechender Feststellung oder gar Ermahnung des Arbeitgebers oder durch gehäufte, aus dem Rahmen fallende gesundheitlich bedingte Arbeitsausfälle. Mit anderen Worten: Die Leistungseinbusse muss in aller Regel dem seinerzeitigen Arbeitgeber aufgefallen sein. Eine erst nach Jahren rückwirkend festgelegte medizinisch-theoretische Arbeitsunfähigkeit genügt nicht (nicht publizierte Erwägung 4.2 des in SZS 2003 S. 434 zusammengefassten Urteils B. vom 5. Februar 2003, B 13/01; Urteil S. vom 28. Juli 2003, B 86/01, Erw. 5.3). 
 
Die erhebliche Verminderung der Leistungsfähigkeit muss ferner in dem Sinne dauerhafter Natur sein, dass der ihr zugrunde liegende Gesundheitsschaden auf längere Sicht geeignet ist, die Arbeitsfähigkeit des Versicherten erheblich zu beeinträchtigen. Bei wiederholten, kurzfristigen, krankheitsbedingten Arbeitsplatzabsenzen von wenigen Tagen oder einzelnen Wochen dürfte dieses Erfordernis in der Regel kaum erfüllt sein. 
2. 
Die Beschwerdeführerin macht in erster Linie geltend, die zur Invalidität führende Krankheit habe bereits vor Begründung des Vorsorgeverhältnisses am 1. November 1996 zu sinnfälligen erheblichen Arbeitsausfällen geführt. Dies gelte im Besonderen für den Zeitraum, in dem die Versicherte noch bei der Firma M.________ angestellt gewesen sei. Weil die Versicherte alsdann nie mehr richtig genesen sei, müsse in Anwendung der Rechtsprechung für die Abgrenzung der Haftung mehrerer Vorsorgeeinrichtungen eine Leistungspflicht des beschwerdeführenden Versicherers ausgeschlossen werden. 
2.1 Richtig ist, dass eine für den Anspruch auf Invalidenleistungen der obligatorischen Berufsvorsorge relevante Arbeitsunfähigkeit im Sinne des unter Erw. 1.2 hievor Dargelegten bei der Beschwerdegegnerin bereits in ihrem vorletzten Arbeitsverhältnis mit der Firma M.________ eingetreten ist, zumal die Versicherte vom Tag der Kündigungsmitteilung vom 18. Januar 1996 an bis zur effektiven Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. Juni 1996 während rund 5 ½ Monaten ununterbrochen vollständig arbeitsunfähig war (Atteste von Dr. med. R.________ vom 19. Januar, 8. Februar, 1. März und 7. April 1996; Leistungsabrechnung CS Columna vom 22. November 1996 und Bestätigung des Krankenversicherers vom 3. Juli 1996). Für die davor liegende Zeit seit dem Stellenantritt am 1. September 1994 sind dagegen keine länger anhaltenden Perioden mit Arbeitsplatzabsenz nachgewiesen: Die beiden stationären Entzugsbehandlungen im Spital W.________ vom 3. bis 5. Januar 1995 und im Kreisspital T.________ vom 27. März bis 6. April 1995 dauerten nur wenige Tage. 
 
Allein deswegen ist indessen die Beschwerdeführerin nicht aus ihrer Leistungspflicht für die aufgetretene Invalidität befreit, zumal die Versicherte unstreitig seit dem 26. Mai 1997 dauerhaft arbeitsunfähig ist, mithin zu einem Zeitpunkt, als sie gestützt auf Art. 10 Abs. 3 BVG bei der Beschwerdeführerin vorsorgeversichert war. Gefordert ist vielmehr ein direkter zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der bei der Firma M.________ zum Schluss aufgetretenen Arbeitsunfähigkeit und der Invalidität. 
2.2 Diesbezüglich hilft der von der Beschwerdeführerin angerufene Formularbericht vom 28. September 1998 des Psychiaters Dr. med. C.________ an die IV-Stelle Schwyz ebenso wenig weiter. Darin ist die Frage nach der Arbeitsunfähigkeit der Versicherten im bisherigen Beruf wie folgt beantwortet: "Keine sicheren Angaben möglich. Seit 10 Jahren verschiedentlich mehrere Monte (recte: Monate) 100 % auf." Ausserdem wurde zu den erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung Folgendes ausgeführt: 
"..... Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass sie jedes Mal, wenn sie eine neue Stelle antrat, oder wenn Schwierigkeiten am Arbeitsplatz auftraten, vermehrt unter Panikattacken zu leiden hatte, die sich mit den Jahren in eine generalisierte Angststörung ausweiteten. In solchen Krisen intensivierte sie den schon beträchtlichen Alkohol- und Medikamentenkonsum. Dies hatte unweigerlich mit der Zeit die Kündigung zur Folge." 
Diese Angaben enthalten einerseits für eine Zeitspanne von zehn Jahren ein rückwirkendes, ausdrücklich als "unsicher" bezeichnetes und in zeitlicher Hinsicht unbestimmtes ärztliches Arbeitsunfähigkeitsattest. Anderseits wird damit die Wechselwirkung zwischen dem psychischen Gesundheitsschaden der Beschwerdegegnerin und ihrer Polytoxikomanie sowie den Belastungen, denen sie beruflich ausgesetzt war, medizinisch erklärt. Es handelt sich dabei um eine rückwirkende medizinisch-theoretische Beurteilung der bei der Beschwerdegegnerin seit Jahren von Zeit zu Zeit krankheitsbedingt und vorübergehend aufgetretenen Arbeitsunfähigkeit. 
2.3 Hinreichend konkrete Anhaltspunkte, die für eine reduzierte Arbeitsfähigkeit während der Tätigkeit bei der Firma G.________ sprechen, sind im Einklang mit der vorinstanzlichen Auffassung nicht auszumachen. Zwar hielt die Firma gegenüber der IV-Stelle Schwyz im Fragebogen für Arbeitgeber am 15. Oktober 1998 fest, das Arbeitsverhältnis sei "im gegenseitigen Einvernehmen" wegen "Krankheit" aufgelöst worden; krankheitsbedingte Absenzen wurden indessen im Formular nicht vermerkt. Auch spricht der von der Vorinstanz vorgenommene, überschlagsmässige Vergleich zwischen den effektiv geleisteten und den vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden gegen die Annahme einer während der Beschäftigungsdauer von rund 6 ½ Monaten aufgetretenen, länger dauernden Arbeitsunfähigkeit. Es kommt hinzu, dass für die zwischen den beiden fraglichen Arbeitsstellen liegende Zeit der Stellenlosigkeit vom 1. Juli und 31. Oktober 1996 ebenso wenig eine Arbeitsunfähigkeit ausgewiesen ist. Wenngleich die Versicherte das Gegenteil nicht unter Beweis stellen konnte, lag immerhin nicht nur aus ihrer persönlichen, sondern auch aus echtzeitlicher ärztlicher Sicht keine Einschränkung mehr vor. Eine solche ist mit dem 26. Mai 1997 erstmals wieder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, aber noch in der Nachdeckungsfrist gemäss Art. 10 Abs. 3 BVG liegend, ausgewiesen. 
 
Demnach ist die Vorinstanz zu Recht von einer uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit der Versicherten im Rahmen des vereinbarten 90-%igen Arbeitspensums während der ganzen Dauer des Arbeitsverhältnisses von rund 6 ½ Monaten ausgegangen. Es liegt nichts dafür vor, was für eine Anstellung aus sozialen Erwägungen und nur auf Zusehen hin sprechen würde und damit als blosser Wiedereingliederungsversuch zu werten wäre. Zusammen mit der Zeit der Stellenlosigkeit ergibt sich immerhin eine Periode von rund 10 ½ Monaten uneingeschränkter Arbeitsfähigkeit. Damit ist der zeitliche Kausalzusammenhang zwischen vor dem Stellenantritt bestehender Arbeitsunfähigkeit und der nachfolgenden Invalidität unterbrochen und die Beschwerdeführerin zur Leistung von Vorsorgeleistungen im Sinne des vorinstanzlichen Entscheids verpflichtet. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 12. September 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: