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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.155/2002 /bie 
 
Urteil vom 11. Juni 2002 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiber Steinmann. 
 
X.________, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Hans Peter Aeberhard, Postfach 38, 3000 Bern 26, 
 
gegen 
 
Einwohnergemeinde Bern, handelnd durch den Gemeinderat, v.d. seinen Rechtskonsulenten, Fürsprecher Andreas Balsiger Betts, Erlacherhof, Postfach, 3000 Bern 8, 
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Rechtsamt, Reiterstrasse 11, 3011 Bern, 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Speichergasse 12, 3011 Bern. 
 
Bauabschlag und Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes 
 
(Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 14. Februar 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die X.________AG ist Eigentümerin der Parzelle Bern Gbbl. Nr. 1475 an der Weissensteinstrasse 22A in Bern. Im Rahmen einer baupolizeilichen Überprüfung stellte das Bauinspektorat der Stadt Bern fest, dass in der Liegenschaft Sex-Studios betrieben werden. Da sie diese Nutzung als nicht zonenkonform erachtete, verpflichtete sie die Eigentümerin mit Verfügung vom 25. März 1999, alle Wohnungen wiederum ihrem ursprünglichen Zweck zuzuführen. 
 
In der Folge reichte der Architekt der X.________AG beim Bauinspektorat am 28. April 1999 ein nachträgliches Baugesuch zur "rechtlichen Absicherung der seit 25 Jahren bestehenden Nutzung als Massagesalon, zugleich Wohndomizil der dort arbeitenden Frauen" ein. Die parallel dazu vom Rechtsvertreter der X.________AG bei der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern (BVE) erhobene Beschwerde wurde von dieser in Anbetracht des nachträglichen Baugesuchs am 3. Juni 1999 abgeschrieben. 
 
Am 27. März 2001 erteilte das Bauinspektorat dem nachträglichen Baugesuch den Bauabschlag und ordnete die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes an. Diese Verfügung wurde der X.________AG mit eingeschriebener Post zugestellt. 
 
Dagegen erhob der Rechtsvertreter der X.________AG am 4. Mai 2001 bei der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion Beschwerde mit dem Antrag, es sei unter Aufhebung der Wiederherstellungsverfügung die Rechtmässigkeit der bisherigen Nutzung festzustellen. Mit Entscheid vom 13. September 2001 trat die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion indessen auf die Beschwerde wegen verspäteter Beschwerdeerhebung nicht ein. Dabei ging sie im Wesentlichen davon aus, dass die Verfügung des Bauinspektorats der X.________AG am 28. März 2001 zugegangen war und mangels eines Vertretungsverhältnisses an diese eröffnet werden durfte. 
 
Auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde der X.________AG bestätigte das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 14. Februar 2002 die Auffassung der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion und wies die Beschwerde ab, ohne die zugrunde liegenden materiellen Fragen betreffend Rechtmässigkeit und Zonenkonformität der Nutzung zu prüfen. 
B. 
Gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts hat die X.________AG beim Bundesgericht am 20. März 2002 staatsrechtliche Beschwerde erhoben und um dessen Aufhebung ersucht. Sie macht im Wesentlichen eine Verletzung des Willkürverbots nach Art. 9 BV und der Verfahrensgarantien im Sinne von Art. 29 BV geltend. Weiter erachtet sie die Eigentumsgarantie gemäss Art. 26 BV als verletzt. Auf die Begründung der Beschwerde im Einzelnen ist, soweit erforderlich, in den rechtlichen Erwägungen einzugehen. Schliesslich ersucht die Beschwerdeführerin um Gewährung der aufschiebenden Wirkung. 
 
Die Einwohnergemeinde Bern und das Verwaltungsgericht beantragen die Abweisung der Beschwerde, die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion verzichtet in einer kurzen Stellungnahme auf einen förmlichen Antrag. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Beschwerdeführerin rügt in erster Linie, dass die Verfügung des Bauinspektorates vom 27. März 2001 ihr selber und nicht (auch) ihrem Rechtsvertreter zugestellt worden war. Sie vertritt die Auffassung, in Anbetracht der gesamten Umstände hätte die Eröffnung vielmehr an den Rechtsvertreter erfolgen müssen. Sie rügt damit eine Verletzung von Art. 9 und Art. 29 BV, ohne dabei geltend zu machen, das kantonale Verfahrensrecht sei in verfassungswidriger Weise angewendet worden. 
 
Die Verfügung des Bauinspektorates kann als Antwort auf das nachträgliche Baugesuch vom 28. April 1999 betrachtet werden. Dieses ist vom Architekten im Namen der Beschwerdeführerin eingereicht worden. In der Folge hat das Bauinspektorat verschiedentlich direkt mit der Beschwerdeführerin korrespondiert, ohne dass von ihrer Seite geltend gemacht worden wäre, sie sei durch ihren Rechtsverteter vertreten und die Korrespondenz hätte über diesen zu erfolgen. Bei dieser Sachlage erscheint es als vertretbar, dass schliesslich der Bauabschlag der Beschwerdeführerin direkt eröffnet und von einer Mitteilung an den Rechtsvertreter abgesehen worden ist. 
 
Daran vermögen auch die konkreten Umstände des Verfahrens nichts zu ändern. Zum einen erfährt der Charakter des Bauabschlages als Antwort auf das nachträgliche Baugesuch durch die Dauer des Verfahrens keine Änderung. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin geht es nicht darum, dass von ihr sinngemäss verlangt worden ist, das Vertretungsverhältnis neu zu bekunden und zu belegen; vielmehr hat ein solches im nachträglichen Baubewilligungsverfahren gar nicht bestanden. Unerheblich ist daher auch der Umstand, dass der Rechtsvertreter parallel zum neuen Baugesuch die Wiederherstellungsverfügung mit Beschwerde bei der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion angefochten hatte; dieses Verfahren ist nämlich angesichts des neuen Baugesuchs bereits am 3. Juni 1999 abgeschrieben worden. Die Abschreibung ist weder im Anschluss an die Eröffnung noch in der Beschwerde an das Verwaltungsgericht beanstandet worden. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die Praxis, wonach Beschwerden gegen Wiederherstellungsbescheide abgeschrieben werden, wenn ein nachträgliches Baugesuch eingereicht wird, verstosse gegen das kantonale Baugesetz, handelt es sich um ein neues rechtliches Vorbringen, für das der kantonale Instanzenzug im Sinne von Art. 86 OG nicht erschöpft worden ist. 
 
Gesamthaft gesehen hält es unter diesen Umständen vor dem Willkürverbot stand, dass die Verfügung mit Bauabschlag und Wiederherstellungsbefehl vom 27. März 2001 der Beschwerdeführerin und nicht (auch) dem Rechtsvertreter eröffnet worden ist. Bei dieser Sachlage - sowie im Lichte des Rechtsgleichheitsgebots - ist auch nicht einzusehen, inwiefern der Beschwerdeführerin eine Toleranz von mehreren Tagen hätte eingeräumt werden müssen. 
2. 
Ferner zieht die Beschwerdeführerin in Zweifel, dass sie die Verfügung des Bauinspektorats tatsächlich am 28. März 2001 erhalten habe. Sie macht insbesondere geltend, dass die per Internet ausgewiesene angebliche Zustellung am 28. März 2001 um 07.21 Uhr nicht stattgefunden haben könne und daher auch der Poststempel vom 28. März 2001 auf der Abholungseinladung keinen Beweis für den Empfang an diesem Tag darstellen könne. Demgegenüber führte das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid aus, dass der Zeitpunkt des Empfangs zwar weder von der bezugsberechtigten Person noch von einer Person der Post handschriftlich bestätigt worden sei. Angesichts der Auskünfte der Post sei im vorliegenden Fall auf den Poststempel abzustellen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb dieser Poststempel keinen hinreichenden Hinweis auf das Abholdatum darstellen solle. 
 
Die Beschwerdeführerin vermag mit ihrer Rüge nicht darzulegen, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts geradezu unhaltbar und damit willkürlich im Sinne von Art. 9 BV sei. Es wird, soweit ersichtlich, von keiner Seite ernsthaft bezweifelt, dass der über das Internet erhaltene Hinweis, die Sendung sei um 07.21 Uhr des 28. März 2001 abgeholt worden, möglicherweise auf einem Irrtum beruhe. Daraus kann indessen nicht geschlossen werden, dass der auf der Abholungseinladung angebrachte Datumsstempel vom 28. März 2001 fehlerhaft sei. Es darf berücksichtigt werden, dass ein solcher Stempel gemäss Auskünften der Post die Auslieferung der Sendung am entsprechenden Tag bedeutet und in diesem Fall auf das Anbringen des Abholdatums verzichtet wird. Schliesslich darf dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Beschwerdeführerin nicht darlegt, an welchem Tage sie denn die Sendung entgegengenommen habe, und keine Begehren stellte, es seien die Personen von Post und ihrem Betrieb zur Frage, wann die Sendung ausgehändigt bzw. in Empfang genommen worden ist, einzuvernehmen. 
 
Bei dieser Sachlage erscheint die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Verfügung des Bauinspektorats vom 27. März 2001 sei der Beschwerdeführerin tatsächlich am 28. März 2001 zugegangen, nicht als willkürlich und hält demnach vor Art. 9 BV stand. 
3. 
Aufgrund der voranstehenden Erwägungen ist davon auszugehen, dass die Verfügung des Bauinspektorats der Beschwerdeführerin eröffnet werden durfte und keine Zustellung an den Rechtsvertreter erforderlich war. Ferner ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht mit guten Gründen als Zustellungsdatum den 28. März 2001 zugrunde legen durfte. Damit erweist sich die Beschwerde insoweit, als mit ihr die Annahme der verspäteten Beschwerdeerhebung vor der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion als willkürlich gerügt wird, als unbegründet. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, inwiefern die (nicht näher spezifizierten) Verfahrensgarantien nach Art. 29 BV verletzt worden sein sollen. 
 
Schliesslich macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Eigentumsgarantie geltend. Sie rügt, dass ihr mit dem Bauabschlag und der Wiederherstellungsverfügung in willkürlicher und unverhältnismässiger Weise sowie ohne Rechtsgrundlage die bisherige Nutzung ihrer Liegenschaft versagt werde. Dabei übersieht sie, dass die Frage der zulässigen Nutzung und der Zonenkonformität nicht Gegenstand des kantonalen Verfahrens bildete und daher im bundesgerichtlichen Verfahren nicht geprüft werden kann (Art. 86 OG). Daher ist in diesem Punkte auf die Beschwerde nicht einzutreten. 
 
Mit dem Entscheid in der Sache selbst wird das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos. 
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 OG). Parteientschädigungen sind keine zu sprechen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Einwohnergemeinde Bern sowie der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion und dem Verwaltungsgericht, Verwaltungsrechtliche Abteilung, des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 11. Juni 2002 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: