Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 347/00 /Hm 
 
Urteil vom 20. August 2002 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber Attinger 
 
Parteien 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
V.________, 1958, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Häberli, Strassburgstrasse 11, 8004 Zürich 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
(Entscheid vom 27. April 2000) 
 
In Erwägung, 
dass die IV-Stelle des Kantons St. Gallen auf eine erneute Anmeldung des V.________ (geb. 1958) zum Leistungsbezug vom 28. Dezember 1994 hin (betreffend Umschulung, Arbeitsvermittlung, Invalidenrente), nach Abklärungen in beruflicher und medizinischer Hinsicht, dessen Eingliederung an die Hand nahm, und zwar laut Verfügung vom 1. Oktober 1996 in Form einer Umschulung zum Hotelportier im Rahmen einer praktischen Einarbeitung und unter begleitender Weiterführung der Sprachschulung in Deutsch, Französisch und Englisch, 
 
dass laut Gesprächsnotiz der zuständigen IV-Berufsberaterin vom 20. November 1996 die verfügte Umschulung zum Hotelportier den Angaben des Versicherten zufolge habe abgebrochen werden müssen, da er den Anforderungen nicht gewachsen gewesen sei und trotz Deutschunterricht seine Sprachkenntnisse nicht ausreichend habe verbessern können, 
 
dass die IV-Stelle daraufhin die Rentenfrage prüfte, indem sie namentlich am 14. März 1997 eine medizinische Abklärung anordnete, 
 
dass die IV-Stelle im Vorbescheid vom 14. Juli 1997 zur Auffassung gelangte, V.________ sei aus gesundheitlichen Gründen seit dem 13. März 1995 nicht mehr in der Lage, als Maschinenführer zu arbeiten, dass er aber trotz seiner Behinderung eine einfache und repetitive Tätigkeit in der Kunststoff verarbeitenden Produktion halbtags bei einem Leistungsgrad von 90 % ausüben könne, was bei einem Valideneinkommen von Fr. 45 760.- und einem Invalideneinkommen von Fr. 22 842.- zu einem Invaliditätsgrad von 50 % führe, weshalb ihm ab 1. November 1996 eine halbe Invalidenrente zustehe, nachdem er bis am 21. November 1996 (wegen der Eingliederung) ein Taggeld bezogen habe, 
 
dass die IV-Stelle, trotz der im Vorbescheidverfahren seitens des Versicherten vorgebrachten Einwände, ihren Standpunkt bestätigte und mit Verfügung vom 11. Dezember 1997, bei einem auf Fr. 50 457.- berichtigten Valideneinkommen und einem Invaliditätsgrad von neu 55 %, mit Wirkung ab 1. November 1996 eine halbe Invalidenrente zusprach, 
 
dass V.________ hiegegen Beschwerde an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen führte mit dem Rechtsbegehren, die IV-Stelle sei zu verpflichten, ihm ab 1. November 1996 eine ganze Invalidenrente auszurichten, 
dass die IV-Stelle in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde schloss, 
 
dass V.________ in der Replik an seinen Anträgen und sachverhaltlichen Ausführungen in der Beschwerde festhielt und die IV-Stelle auf eine Duplik verzichtete, 
 
dass das angerufene Gericht erwog, da in Anbetracht von Art. 28 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 1 IVG jeder Rentenzusprechung die Prüfung der Eingliederungspflicht und der objektiven Eingliederungsaussichten vorausgegangen sein müsse, enthalte die angefochtene Verfügung (betreffend Invalidenrente) notwendigerweise eine stillschweigende Verneinung der Eingliederungsfähigkeit und der objektiven Eingliederungsaussichten; wiewohl sich die Beschwerde nur gegen die Zusprechung einer halben statt einer ganzen Invalidenrente richte, könne der Streitgegenstand nicht auf die Rentenfrage beschränkt worden sein, bilde doch die Verneinung der Eingliederungsfähigkeit die notwendige Voraussetzung für die Prüfung des Rentenanspruches, was vorliegend umso mehr zu gelten habe, als tatsächlich ein (erfolgloser) Versuch einer beruflichen Wiedereingliederung unternommen worden sei, weshalb geprüft werden müsse, ob die Verwaltung zu Recht auf weitere berufliche Eingliederungsmassnahmen verzichtet habe, 
 
dass das kantonale Gericht in der Folge zur Auffassung gelangte, die IV-Stelle habe - bei ihrer nach erfolgtem Scheitern der beruflichen Eingliederung vorgenommenen Prüfung der Rentenfrage - übersehen, dass der Versicherte in Bezug auf seine intellektuellen und ausbildungsmässigen Voraussetzungen eine Ausnahme darstelle, weshalb die Verwaltung seine Eingliederung "von Grund auf neu (hätte) anpacken müssen, und zwar mit dem Ziel einer höherwertigen Tätigkeit"; indem die IV-Stelle dies unterlassen habe, sei der Grundsatz "Eingliederung vor Rente" missachtet worden, weshalb die Sache, unter Aufhebung der angefochtenen Verfügung, zur Abklärung und allfälligen Durchführung einer Umschulung in eine höherwertige Tätigkeit an die Verwaltung zurückzuweisen sei, 
 
dass die Vorinstanz im Weitern bezüglich des Rentenanspruches erwog, mit dem bezüglich der beruflichen Eingliederung Gesagten stehe "gleichzeitig fest, dass neben der Verneinung einer weiteren beruflichen Eingliederung auch die Zusprache einer halben Rente aufzuheben" sei, was aber nicht bedeute, dass der Versicherte für die Zeit ab November 1996 (Ende der Taggeldphase) bis zur allfälligen Aufnahme einer neuen Umschulung nicht doch eine Invalidenrente beanspruchen könne, was aber nicht gestützt auf Art. 28 Abs. 2 IVG zu prüfen sei, sondern "gestützt auf Art. 29 Abs. 1 lit. (b) IVG anhand der Arbeitsunfähigkeit des Rekurrenten auf einem konkreten, ohne Umschulungsmassnahmen offen stehenden Arbeitsmarkt", 
 
dass diese Erwägungen das kantonale Gericht dazu führten, die Verfügung vom 11. Dezember 1997 in teilweiser Gutheissung der Beschwerde insoweit aufzuheben, "als darin der Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen abgelehnt" worden sei, die Sache zur Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens betreffend berufliche Eingliederungsmassnahmen an die IV-Stelle zurückzuweisen und diese schliesslich zu verpflichten, dem Versicherten für das kantonale Gerichtsverfahren eine ermessensweise auf Fr. 2500.- festgelegte Parteientschädigung zu bezahlen, dies alles aber ohne dispositivmässige Aufhebung der verfügten halben Invalidenrente (Entscheid vom 27. April 2000), 
 
dass die IV-Stelle Verwaltungsgerichtsbeschwerde führt mit den Anträgen auf Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides vom 27. April 2000 und Bestätigung der Verfügung vom 11. Dezember 1997, eventualiter auf Aufhebung der vorinstanzlich zugesprochenen Parteientschädigung von Fr. 2500.- und Rückweisung der Sache an das kantonale Gericht zur Festlegung einer reduzierten Parteientschädigung, 
 
dass das Verwaltungsgericht und V.________ die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen, wobei sich Letzter zusätzlich mit dem Eventualbegehren vernehmen lässt, die Sache sei (im Hinblick auf den Rentenanspruch) zur Festlegung des Invaliditätsgrades an die Vorinstanz zurückzuweisen, 
 
dass das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet, 
 
dass im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren in Invalidenversicherungssachen (Art. 69 IVG in Verbindung mit Art. 84 f. AHVG) betreffend Leistungen nur über Anspruchsberechtigungen zu entscheiden ist, hinsichtlich deren die IV−Stelle eine Verfügung erlassen hat und/oder hinsichtlich deren sie es - in Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes sowie des Prinzips der Rechtsanwendung von Amtes wegen - unterlassen hat, eine Verfügung zu treffen, obwohl dazu nach der Aktenlage oder den Parteivorbringen hinreichender Anlass bestanden hätte (zuletzt Urteil G. vom 17. Mai 2002, I 535/01), 
 
dass, im Lichte dieser - ständiger Praxis entsprechender - Grundsätze zur Festlegung des Streitgegenstandes im iv-rechtlichen Beschwerdeverfahren, im hier zu beurteilenden Fall Thema des kantonalen Prozesses zunächst der Rentenanspruch bildete, kann es doch nach der Aktenlage in keiner Weise beanstandet werden, dass die IV-Stelle nicht (erneut) noch gesondert über den Eingliederungsanspruch verfügte, nachdem dieser Gegenstand eines sich - über Jahre hinziehenden - faktischen Verwaltungshandelns sowie von Mitteilungen und Verfügungen gebildet und im Zeitpunkt des Verfügungserlasses betreffend die Rente weder nach der Aktenlage noch mit Blick auf die Anträge des Versicherten Anlass bestanden hatte, zusätzlich zur Rentenverfügung eine formelle Verfügung über die Eingliederungsberechtigung zu erlassen, 
 
dass sodann der Vorinstanz zwar in dem Sinne beizupflichten ist, dass jede verfügte (teilweise oder vollständige) Rentenzusprechung die Annahme in sich schliesst, die versicherte Person sei in dem von der Verwaltung zugestandenen Ausmass der Erwerbsunfähigkeit nicht (mehr) eingliederungsfähig, 
 
dass daher dem kantonalen Gericht auch darin zuzustimmen ist, dass bei Beschwerden, welche sich gegen Verfügungen über die Zusprechung einer (ganzen, halben oder Viertels-)Rente der Invalidenversicherung richten, im Umfange der von der Verwaltung anerkannten Erwerbsunfähigkeit in allen Fällen die Möglichkeit besteht, die Priorität der Eingliederungsberechtigung vor dem Rentenanspruch von Amtes wegen zu prüfen, 
 
dass aber, entgegen dem, was die Vorinstanz anzunehmen scheint, eine solche - im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes und der Rechtsanwendung von Amtes wegen in Anbetracht des bestehenden materiellrechtlichen Zusammenhanges zwischen Eingliederung und Rente zulässigerweise einsetzende - gerichtliche Prüfung nur unter Berücksichtigung der prozessualen Regeln erfolgen darf, welche die Rechtsprechung für die Ausdehnung des Beschwerdeverfahrens über den verfügten Gegenstand hinaus aufgestellt hat (BGE 122 V 36 Erw. 2a mit Hinweisen), was vom Eidgenössischen Versicherungsgericht überprüft werden kann (SVR 1996 ALV 72 219), 
 
dass das kantonale Gericht den bei ihm anhängig gemachten Rentenprozess auf die Eingliederungsfrage ausgedehnt hat, ohne die hiefür nach der soeben erwähnten Rechtsprechung erforderlichen Voraussetzungen (Tatbestandsgesamtheit, Spruchreife, Prozesserklärung der Verwaltung) zu prüfen, 
dass der angefochtene Gerichtsentscheid daher schon aus diesem Grunde aufzuheben ist, fehlt es doch (jedenfalls) an der dritten Voraussetzung (Prozesserklärung seitens der Verwaltung), was gleichzeitig eine Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör der IV-Stelle im kantonalen Verfahren bedeutet, 
 
dass der vorinstanzliche Entscheid aber auch aus materiellrechtlichen Gründen bezüglich der Eingliederungsfrage nicht bestätigt werden kann, muss doch die vom kantonalen Gericht angenommene subjektive Eingliederungsfähigkeit (vgl. AHI 2002 S. 108) des Beschwerdegegners in einen höherrangigen Beruf als unrealistisch bezeichnet werden, nachdem der Versicherte trotz seitens der Verwaltung gewährter, fortgesetzter Unterstützung nicht in der Lage war, den sprachlichen Anforderungen für eine Portieranstellung gerecht zu werden, weshalb die Voraussetzungen nach Art. 8 Abs. 1 IVG nicht gegeben sind, 
 
dass es daher in keiner Weise zu beanstanden ist, dass die IV-Stelle nach dem Scheitern der Eingliederungsbemühungen nur über den Rentenanspruch verfügte, 
 
dass deshalb die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen ist, damit es die verfügte Zusprechung einer halben Invalidenrente auf ihre Rechtmässigkeit und Angemessenheit hin überprüfe, was bisher nicht geschehen ist, 
 
dass bei dieser Verfahrenserledigung die vorinstanzlich zugesprochene Parteientschädigung aufzuheben ist, weshalb der entsprechende Eventualantrag der Beschwerde führenden IV-Stelle gegenstandslos wird, 
 
dass somit die IV-Stelle letztinstanzlich insoweit obsiegt, als der kantonale Gerichtsentscheid im Eingliederungspunkt aufgehoben wird, hingegen insofern unterliegt, als ihre Verfügung vom 11. Dezember 1997 betreffend die Zusprechung einer halben Invalidenrente ab 1. November 1996 nicht, wie beantragt, bestätigt, sondern diesbezüglich die Sache an das kantonale Gericht zurückgewiesen wird, in welchem Umfange der Beschwerdegegner vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht einen Teilerfolg erreicht, 
 
dass in dieser Verfahrenssituation die Beschwerde führende IV-Stelle dem anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen hat (Art. 159 OG), 
 
erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 27. April 2000 aufgehoben, und es wird die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie über die Beschwerde gegen die Verfügung vom 11. Dezember 1997 betreffend Zusprechung einer haben Invalidenrente entscheide. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 300.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse Ostschweizer Handel, St. Gallen, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 20. August 2002 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: