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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_83/2019  
 
 
Urteil vom 6. Mai 2019  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Rösler, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 17. Dezember 2018 (IV 2016/378). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1963, hatte 1981 das Handelsdiplom erlangt und arbeitete seit 1991 im Betrieb ihres Ehemannes. Daneben führte sie eine Kaffeebar, wobei sie sich auch dort insbesondere um das Personelle und das Administrative kümmerte, und war zudem in verschiedenen Funktionen für die Ortsbürgergemeinde tätig. Im Dezember 2012 meldete sie sich unter Hinweis auf eine Depression bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen zog die Berichte des behandelnden Psychiaters Dr. med. B.________ sowie einen Abklärungsbericht für Selbstständigerwerbende bei. Am 26. März 2013 gewährte sie Frühinterventionsmassnahmen in Form von Support (Coaching) am Arbeitsplatz. Schliesslich holte sie ein polydisziplinäres Gutachten des Begutachtungszentrums BL BEGAZ, Binningen, vom 11. Januar 2016 ein. Mit Verfügung vom 3. Oktober 2016 lehnte sie den Anspruch auf eine Invalidenrente ab. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 17. Dezember 2018 teilweise gut und sprach A.________ ab 1. Juni 2013 bis 31. März 2016 eine ganze Invalidenrente zu. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, es sei ihr ab dem 1. April 2016 mindestens eine halbe Invalidenrente zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Ergänzung des medizinischen Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Bundesgericht verzichtet auf die Durchführung eines Schriftenwechsels. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann das Bundesgericht nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die Aufhebung der von der Vorinstanz ab dem 1. Juni 2013 zugesprochenen ganzen Invalidenrente per 31. März 2016 vor Bundesrecht standhält. Umstritten ist dabei, ob das kantonale Gericht eine aus psychischen Gründen eingeschränkte Arbeitsfähigkeit ab diesem Zeitpunkt zu Recht als nicht mehr ausgewiesen erachtete. Zur Frage stehen des Weiteren die erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung. 
 
3.   
Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung des Rentenanspruchs nach Art. 28 IVG massgeblichen Bestimmungen, insbesondere zur Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der zu beachtenden Regeln zum Beweiswert eines ärztlichen Berichts oder Gutachtens (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352), namentlich auch zu den Unterschieden, die sich diesbezüglich aus einem Behandlungs- beziehungsweise aus einem Begutachtungsauftrag ergeben (BGE 124 I 170 E. 4 S. 175; Urteil 8C_29/2018 vom 6. Mai 2018 E. 5.2.2). Ebenfalls richtig dargelegt finden sich im angefochtenen Gerichtsentscheid sodann die bundesgerichtlichen Vorgaben für die Abklärung des funktionellen Leistungsvermögens im Falle psychischer Leiden nach dem sogenannten strukturierten Beweisverfahren (BGE 141 V 281; vgl. ferner BGE 143 V 409 und 418). Es wird darauf verwiesen. 
 
4.   
Nach Würdigung der medizinischen Akten, namentlich auch der Berichte des behandelnden Psychiaters, erachtete die Vorinstanz das BEGAZ-Gutachten als voll beweiskräftig. Ab dem Zeitpunkt der dort erfolgten Untersuchungen im November und Dezember 2015 sei mit den Experten von einer 70%igen Arbeitsfähigkeit (sechs Stunden täglich ohne Verminderung des Rendements) in sämtlichen bisher ausgeübten Tätigkeiten auszugehen. In erwerblicher Hinsicht ergebe sich ab dem 1. April 2016 ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 30 % beziehungsweise maximal 37 % bei Berücksichtigung eines leidensbedingten Abzuges auf der Seite des Invalideneinkommens, der auf höchstens 10 % festzusetzen sei. 
 
5.   
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass das BEGAZ-Gutachten den Vorgaben nach BGE 141 V 281 nicht zu genügen vermöge. Inwiefern die sich auf das Gutachten stützenden Feststellungen des kantonalen Gerichts zum Gesundheitszustand offensichtlich unrichtig wären oder seine Beurteilung die Anforderungen an ein strukturiertes Beweisverfahren gemäss BGE 141 V 281 verletzte, ist nicht erkennbar. So äusserte sich das kantonale Gericht insbesondere zum Schweregrad der Gesundheitsschädigung, die sich gemäss dem psychiatrischen Gutachter als schwankend präsentiere. Es wechselten sich Phasen tage- oder wochenweiser schwerer Leistungseinbusse und des Aufgebens der Sozial- und der persönlichen Kompetenz mit Zeiten, in denen die Beschwerdeführerin sogar übermässig leistungsfähig sei. Im Längsverlauf sei die depressive Störung etwa mittelschwer ausgeprägt gewesen. Bei der neuropsychologischen Abklärung hätten die von der Beschwerdeführerin geklagten kognitiven Einschränkungen keine Bestätigung gefunden. Als Ressourcen seien ihre gute Ehe, ein grosser Freundeskreis, das von ihr nach Abschluss der Massnahme durch die IV-Stelle weitergeführte Coaching und ihre auch weiterhin ausgeübte Tätigkeit bei der Ortsbürgergemeinde zu berücksichtigen. Sie erlaubten es ihr auch, ihre Krankheit gegenüber den Mitarbeitern im Betrieb zu verschweigen. Hinsichtlich der Konsistenz verwies die Vorinstanz insbesondere auf das gute, adäquate Funktionieren in der Untersuchungssituation gegenüber der limitierenden Selbsteinschätzung der Beschwerdeführerin. Gestützt darauf setzte sie die invalidenversicherungsrechtlich relevante Einschränkung auf 30 % fest, entsprechend der von den Gutachtern attestierten Arbeitsunfähigkeit. 
Inwiefern im Rahmen der 70%igen Arbeitsfähigkeit anforderungsreichere Tätigkeiten, wie namentlich die Unterstützung ihres Ehemannes in der Geschäftsleitung wegen depressionsbedingter Konzentrationseinbussen, nicht mehr zumutbar seien, lässt sich - nachdem die neuropsychologischen Abklärungen durch die BEGAZ-Gutachter keine entsprechenden Defizite ergaben - nicht ersehen. An der vorinstanzlichen Beurteilung ändert auch nichts, dass der behandelnde Psychiater am 1. Juni 2015, also ein halbes Jahr vor der Begutachtung, eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit bescheinigte. Es wird nicht dargetan, inwiefern die vorinstanzliche Feststellung, es sei danach bis zum Zeitpunkt der gutachtlichen Abklärungen eine Verbesserung eingetreten, offensichtlich unrichtig wäre; namentlich liegen keine neueren Berichte vor, die der gutachtlichen Einschätzung widersprächen. Dies gilt insbesondere auch insoweit, als geltend gemacht wird, die (ausschliesslich eingesetzte) Pharmakotherapie habe trotz hoher Dosierung keine Verbesserung des Leidens bewirkt. Diesbezüglich gab der psychiatrische Gutachter zu bedenken, dass sich die geklagte eingeschränkte Belastbarkeit und die zunehmende Erschöpfung bei einem apathisch-depressiven Syndrom mit Antriebsstörung auch auf die verabreichte Medikamentenkombination mit drei verschiedenen Tranquilizern sowie zwei Antidepressiva zurückführen liessen. Weshalb die - gemäss Beschwerdeführerin gutachtlich weiter zu klärende - Diagnose einer Dysthymie zu einer anderen Beurteilung der Leistungsfähigkeit hätte führen müssen, ist nicht erkennbar. Schliesslich vermag auch der Umstand im Ergebnis kein Indiz gegen die Schlüssigkeit des Gutachtens zu begründen, dass der psychiatrische Gutachter erst auf Nachfrage der IV-Stelle hin angab, die abhängigen, zwanghaften und leistungsorientierten Persönlichkeitszüge sowie der Verdacht auf ängstlich vermeidende Persönlichkeitszüge würden entgegen der Auflistung im Gutachten keine (zusätzliche) Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit zeitigen. 
 
6.  
 
6.1. Bezüglich der erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung stellte die Vorinstanz fest, dass die Einkünfte der Beschwerdeführerin im Betrieb ihres Ehemannes gemäss Auszug aus dem individuellen Konto (IK) seit 1992 schwankend gewesen seien (65'000 bis 68'250 Franken in den Jahren 1992 bis 1997, meistens rund 20'000 Franken bis zum Jahr 2007, 48'000 Franken in den Jahren 2008 und 2009, 50'000 Franken im Jahr 2010, 59'800 Franken im Jahr 2011). Im Lohnausweis 2012 sei ein Lohn von 65'000 Franken deklariert worden. Wegen dieser Schwankungen, aber auch wegen des nicht abzusehenden Geschäftsgangs des Betriebes (gesundheitliche Einschränkungen des Ehemannes) liessen sich die Vergleichseinkommen nach der Vorinstanz nicht zuverlässig feststellen. Unter der Annahme, dass die Beschwerdeführerin als Gesunde insgesamt - im Betrieb ihres Ehemanns sowie für die Ortsbürgergemeinde, jedoch unter Aufgabe der seit jeher nicht gewinnbringenden Geschäftsführertätigkeit in der Bar - zu 100 % erwerbstätig wäre und diese gleichen Tätigkeiten ab dem 1. Januar 2016 insgesamt noch in einem 70 %-Pensum zu verrichten vermöchte, schloss sie, mittels eines "Prozentvergleichs", auf einen Invaliditätsgrad von 30 %. Selbst bei Gewährung einer prozentualen Kürzung des hypothetischen Invalideneinkommes, welche auf höchstens 10 % festzusetzen wäre, resultierte ein Invaliditätsgrad von maximal 37 %. Sie hob deshalb die rückwirkend zugesprochene Rente (unter Berücksichtigung der dreimonatigen Wartedauer nach Art. 88 Abs. 1 IVV) per 31. März 2016 auf.  
 
6.2.  
 
6.2.1. Inwiefern das kantonale Gericht damit Bundesrecht verletzt hätte, ist nicht auszumachen. Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, dass sie ohne gesundheitliche Beeinträchtigung als Handlungsbevollmächtigte mit der kaufmännischen Leitung des Betriebes betraut gewesen, ihr Kompetenzniveau durch die Gesundheitsschädigung jedoch gesunken sei. Die statistischen Durchschnittslöhne der Kompetenzniveaus 2 und 3 wichen um über 20 % voneinander ab. Dies ändert jedoch unter den gegebenen Umständen nichts. Es muss diesbezüglich mit der vorinstanzlichen Feststellung einer 70%igen Arbeitsfähigkeit in Form eines täglich zeitlich reduzierten Pensums, aber ohne Verminderung des Rendements, in sämtlichen angestammten Tätigkeiten mangels offensichtlicher Unrichtigkeit sein Bewenden haben (oben E. 4 und 5). Dass das kantonale Gericht für die Invaliditätsbemessung insgesamt vom jeweils gleichen Verdienst ausgegangen ist, das hypothetische Validen- und Invalideneinkommen jedoch mit Prozentzahlen, nämlich 100 beziehungsweise 70 %, bewertet hat, lässt sich nicht beanstanden (vgl. BGE 114 V 31 E. 3a S. 312 f.; Urteil 9C_271/2018 vom 19. März 2019 E. 3).  
 
6.2.2. Ob ein (behinderungsbedingter oder anderweitig begründeter) Abzug vom hypothetischen Invalideneinkommen vorzunehmen sei, ist eine Rechtsfrage. Demgegenüber stellt die Höhe des Abzuges eine typische Ermessensfrage dar (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f.; Urteil 8C_557/2018 vom 18. Dezember 2018 E. 3.4). Sie ist angesichts der dem Bundesgericht zukommenden Überprüfungsbefugnis letztinstanzlicher Korrektur nur dort zugänglich (Art. 95 und 97 BGG), wo das kantonale Gericht sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also bei Ermessensüberschreitung oder -unterschreitung beziehungsweise bei Ermessensmissbrauch als Formen rechtsfehlerhafter (Art. 95 lit. a BGG) Ermessensbetätigung (BGE 132 V 393 E. 2.2 S. 396 und E. 3.3 S. 399). Eine Bundesrechtsverletzung lässt sich im vorinstanzlich in Betracht gezogenen, aber nicht abschliessend geprüften maximalen 10%igen Abzug - anstelle der beantragten Reduktion um 15 % - nicht erkennen, zumal die behinderungsbedingte Einschränkung bereits bei der im Umfang von 30 % bestehenden Arbeitsunfähigkeit berücksichtigt wurde.  
 
7.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. Mai 2019 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo