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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2A.431/2006/fco 
 
Urteil vom 14. September 2006 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, Müller, 
Gerichtsschreiber Hatzinger. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch 
Fürsprecher Gabriel Püntener, 
 
gegen 
 
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern, 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, 
Speichergasse 12, 3011 Bern. 
 
Gegenstand 
Ausweisung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 30. Mai 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ (geb. 1964, Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro), reiste 1987 erstmals als Saisonnier in die Schweiz ein. Im März 1993 folgten ihm seine Ehefrau und die zwei gemeinsamen Kinder (geb. 1989 bzw. 1992) im Rahmen des Familiennachzugs. Die Niederlassungsbewilligung hat er seit dem Jahr 1998, in welchem ein drittes Kind in der Schweiz geboren wurde. Am 11. April 2001 verurteilte ihn die Corte delle Assise criminali Lugano zu 7 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus sowie einer bedingten Landesverweisung von 10 Jahren wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz; er war im Juli 2000 in Chiasso mit ca. 10 kg Heroin (Reinheitsgrad: 34,6 %) angehalten worden. Aufgrund dieser Verurteilung wies der Migrationsdienst des Kantons Bern X.________ am 19. April 2005 für unbestimmte Zeit aus der Schweiz aus. Eine Beschwerde gegen diese Verfügung wies die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern am 28. Dezember 2005 ab. 
B. 
Gegen deren Beschwerdeentscheid gelangte X.________ an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 30. Mai 2006 ab (Zustellung: 14. Juni 2006), soweit es darauf eintrat, und setzte eine Ausreisefrist bis zum 28. Juli 2006 an. 
C. 
X.________ hat am 14. Juli 2006 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Er beantragt, die Entscheide des Verwaltungsgerichts sowie der Polizei- und Militärdirektion aufzuheben. Die Parteientschädigung für die beiden vorinstanzlichen Verfahren sei aufgrund der dort eingereichten Honorarnoten festzusetzen; die diesbezüglichen Verfahrenskosten seien dem Kanton Bern aufzuerlegen. Für das vorliegende Verfahren sei dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung zu gewähren. 
 
Antragsgemäss hat der Abteilungspräsident am 9. August 2006 der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
Das Verwaltungsgericht, die Polizei- und Militärdirektion sowie das Bundesamt für Migration beantragen, die Beschwerde abzuweisen. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
1.1 Gegen Ausweisungsverfügungen gemäss Art. 10 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 98 lit. g OG). Ein Ausschlussgrund im Sinne der Art. 99 bis 102 OG, insbesondere nach Art. 100 lit. b Ziff. 4 OG, liegt nicht vor. Die Beschwerde ist daher grundsätzlich zulässig (vgl. BGE 114 Ib 1 E. 1a S. 2). Verfahrensgegenstand kann aber nur der Entscheid des Verwaltungsgerichts bilden; soweit sich die Eingabe gegen den Entscheid der Polizei- und Militärdirektion richtet, ist darauf nicht einzutreten (BGE 126 II 300 E. 2a S. 302 f.). Für die Anträge des Beschwerdeführers, in beiden kantonalen Beschwerdeverfahren gemäss den entsprechenden Honorarnoten entschädigt zu werden und jene Verfahrenskosten dem Kanton aufzuerlegen, fehlt schliesslich jede Begründung, so dass insoweit auch nicht auf die Beschwerde eingetreten werden kann (vgl. BGE 131 II 449 E. 1.3 S. 452 mit Hinweisen). 
1.2 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 104 lit. a und b OG) gerügt werden; zum Bundesrecht im Sinne von Art. 104 lit. a OG gehört auch das Bundesverfassungsrecht (BGE 125 II 508 E. 3a S. 509 mit Hinweis). Die Unangemessenheit des angefochtenen Entscheids kann der Beschwerdeführer jedoch nicht rügen (vgl. Art. 104 lit. c OG). Angemessenheit bedeutet in diesem Zusammenhang nicht Verhältnismässigkeit, sondern Zweckmässigkeit. Das Bundesgericht prüft die Verhältnismässigkeit der angefochtenen Massnahme zwar frei, der kantonalen Behörde bleibt aber in Bezug auf die Zweckmässigkeit ein gewisser Ermessensspielraum, der der bundesgerichtlichen Überprüfung entzogen ist (BGE 116 Ib 353 E. 2b S. 356 f.; 114 Ib 1 E. 1b S. 2). Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, ist das Bundesgericht im Übrigen an deren Sachverhaltsfeststellung gebunden, sofern diese nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften erfolgt ist (Art. 105 Abs. 2 OG). 
2. 
Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer wegen eines Verbrechens gerichtlich bestraft wurde und somit den Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG erfüllt hat. Die Ausweisung sei auch angemessen im Sinne von Art. 11 Abs. 3 ANAG und Art. 16 Abs. 3 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAV; SR 142.201). Zwar habe sich der Beschwerdeführer über längere Zeit klaglos verhalten, sei beruflich integriert und kein Wiederholungstäter. Die Vorinstanz ging aber von einem erheblichen sicherheitspolizeilichen Interesse an der Ausweisung aus; ausschlaggebend bei der detaillierten Interessenabwägung war das schwere Verschulden und die nicht auszuschliessende Rückfallgefahr. Trotz der langen Anwesenheit sei eine Rückkehr und die Wiedereingliederung des Beschwerdeführers im Kosovo zumutbar und möglich. Daran ändere sein Interesse und dasjenige der Ehefrau sowie der Kinder am Verbleib in der Schweiz nichts. 
3. 
Bei einer Gesamtbetrachtung erweist sich die Ausweisung nicht als unverhältnismässig. 
3.1 Auch der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass der vom Verwaltungsgericht angenommene Ausweisungsgrund vorliegt. Zwar wurde er für einen einzigen Drogentransport verurteilt; sein Verhalten gab seit der bedingten Entlassung im Juli 2005 keinen Anlass zu Klagen. Unbehelflich ist aber sein Einwand, die einmalige Tatbegehung verringere das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung. Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, ist ein solches Interesse bei schwerer Betäubungsmitteldelinquenz, wie sie hier gegeben ist, wesentlich, wird in diesem Zusammenhang doch eine strenge Praxis verfolgt (BGE 125 II 521 E. 4a/aa S. 526 f.; vgl. auch Urteil 2A.531/2001 vom 10. April 2002, E. 3.1.1). Ausgesprochen wurde vorliegend eine Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren. Das Verwaltungsgericht ging insofern auch zu Recht von einem ausserordentlich schweren Verschulden des Beschwerdeführers aus (vgl. BGE 129 II 215 E. 3.1 S. 216), der aus rein finanziellen Gründen, ohne selbst drogensüchtig zu sein, rund 10 kg Heroingemisch in die Schweiz einführen wollte, obwohl er zum Zeitpunkt der Verhaftung Sozialhilfe in der Höhe von immerhin Fr. 4'250.-- pro Monat erhielt. Im Strafverfahren legte er im Übrigen erst nach zwanzigtägiger Untersuchungshaft lediglich ein Teilgeständnis ab. Es besteht somit ein gewichtiges sicherheitspolizeiliches Interesse, den Beschwerdeführer von der Schweiz fernzuhalten (vgl. BGE 122 II 433 E. 2c S. 436 f.; Urteil 2A.470/1999 vom 31. Januar 2000, E. 3b/aa). 
3.2 Der angefochtene Entscheid ist auch hinsichtlich der Beurteilung der Rückfallgefahr nicht zu beanstanden. 
 
Zwar hat sich der Beschwerdeführer in der Schweiz, abgesehen von kleineren Strassenverkehrsdelikten und Ungehorsam im Betreibungsverfahren, bis zu seiner Verhaftung im Juli 2000 während rund 13 Jahren klaglos verhalten; das gilt auch seit seiner bedingten Entlassung (Juli 2005). Jedoch liegt die Annahme der Vorinstanz nahe, eine Rückfallgefahr sei angesichts der unveränderten finanziellen Situation und der offenbarten Gefährlichkeit und Einsichtslosigkeit des Beschwerdeführers nicht auszuschliessen. Obgleich ihm das Tessiner Strafgericht für die Landesverweisung den bedingten Strafvollzug gewährte, bleibt es dem bernischen Migrationsamt unbenommen, den Beschwerdeführer auszuweisen; es darf in diesem Fall strenger urteilen als das Strafgericht und seine Interessenabwägung unabhängig von dessen Abwägung vornehmen (BGE 129 II 215 E. 3.2 S. 216 f. mit Hinweisen). Für den Entscheid über die Ausweisung steht das allgemeinere Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Vordergrund. Der Prognose über das Wohlverhalten und dem Resozialisierungsgedanken des Strafrechts ist zwar im Rahmen der umfassenden fremdenpolizeilichen Interessenabwägung ebenfalls Rechnung zu tragen, die beiden Umstände geben aber nicht den Ausschlag (BGE 125 II 105 E. 2c S. 110, 521 E. 4a/bb S. 528; 130 II 176 E. 4.2 S. 185). Im konkreten Fall lautete diese Prognose des Tessiner Strafgerichts gerade nicht vorbehaltlos günstig. Auch das klaglose Verhalten des Beschwerdeführers im Strafvollzug (inkl. Versetzung in das System des Electronic Monitoring) ist nicht ausschlaggebend, wird eine solche Bewährung doch allgemein erwartet (vgl. BGE 130 II 176 E. 4.3.3 S. 188; Urteile 2A.51/2006 vom 8. Mai 2006, E. 4.2.1; 2A.531/2001 vom 10. April 2002, E. 3.1.3; 2A.364/2001 vom 18. Oktober 2001, E. 3b/cc); dieses Verhalten sowie im Übrigen die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers haben die Vorinstanzen denn auch jeweils in ihre insoweit ebenfalls korrekte Interessenabwägung einbezogen. 
3.3 Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers überwiegt das öffentliche Interesse an seiner Fernhaltung im Verhältnis zu seinen privaten Interessen und denen seiner Familie am weiteren Verbleib in der Schweiz. 
3.3.1 Dass die Vorinstanz trotz der langen Anwesenheit des Beschwerdeführers von 19 Jahren, wovon allerdings 5 Jahren im Strafvollzug, und seiner guten beruflichen Integration nicht von der Ausweisung abgesehen hat, ist nicht zu beanstanden. Sie hat aus den engen Beziehungen zu den Landsleuten im Heimatland und in der Schweiz zu Recht geschlossen, dass hier eine soziale Integration weitgehend fehlt; so bevorzugte der Beschwerdeführer gemäss seinen eigenen Angaben im Strafverfahren die persönlichen und telefonischen Kontakte zu Verwandten sowie Landsleuten, indem er deren Treffpunkte intensiv besuchte (vgl. BGE 125 II 521 E. 2b S. 523 f.; 130 II 176 E. 4.4.2 S. 190; Urteil 2A.119/2001 vom 15. Oktober 2001, E. 2b). Die Ausweisung kommt auch nicht zur "Unzeit", sondern ist veranlasst durch die Verurteilung wegen des schweren Betäubungsmitteldelikts (vgl. Urteil 2A.468/2000 vom 16. März 2001, E. 4c). Der Beschwerdeführer ist nicht in der Schweiz geboren, vielmehr reiste er 1987 im Alter von 23 Jahren in die Schweiz ein; er ist damit kein Ausländer der "zweiten Generation" und hat mehr als die Hälfte seines Lebens, insbesondere die prägenden Kindes- und Jugendjahre, in seinem Heimatland verbracht (vgl. BGE 125 II 521 E. 4b S. 528 f.; Urteil 2A.470/1999 vom 31. Januar 2000, E. 3c). Aufgrund des Beziehungsnetzes in der Heimat erscheint ihm eine Rückkehr als zumutbar; daran ändern auch seine gesundheitlichen Beschwerden (Rückenleiden, Diabetes, Depression) nichts (vgl. BGE 128 II 200 E. 5.3 S. 209; Urteil 2A.214/2002 vom 23. August 2002, E. 3.4). 
3.3.2 Die Ausweisung ist zwar mit einer Trennung von der Familie verbunden, was den Beschwerdeführer hart treffen würde und für die Familie mit Nachteilen verbunden wäre. Während der Ehefrau, die seit 13 Jahren in der Schweiz lebt, und dem jüngsten, achtjährigen Kind eine Rückkehr ins Heimatland noch zuzumuten wäre (vgl. BGE 122 II 289 E. 3c; 126 II 377 E. 5d; 124 II 361 E. 3b), ist dies für die beiden älteren Kinder (sechzehn- und vierzehnjährig), die im Kleinkindesalter in die Schweiz gekommen sind, wohl nicht der Fall. Entscheidend ist aber das fremdenpolizeiliche Interesse an der Ausweisung. Angesichts der Schwere der Straftat, an welcher den Beschwerdeführer auch die Familie nicht gehindert hat, überwiegen die privaten Interessen nicht. Die Bekämpfung des Betäubungsmittelhandels stellt ein gewichtiges öffentliches Interesse dar, welches die Ausweisung und den damit verbundenen Eingriff in das Familienleben (Art. 8 Ziff. 2 EMRK) angesichts der Schwere der Straftat und des Verschuldens sowie der weiteren Umstände rechtfertigt (vgl. BGE 125 II 521 E. 5 S. 529; Urteile 2A.531/2001 vom 10. April 2002, E. 3.4 und 4; 2A.364/2001 vom 18. Oktober 2001, E. 4; siehe auch BGE 129 II 215 E. 4.1 S. 218). 
4. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demnach unbegründet und daher abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Migrationsdienst des Kantons Bern wird dem Beschwerdeführer eine neue Ausreisefrist anzusetzen haben. 
 
Aufgrund der sorgfältigen Ausführungen des Verwaltungsgerichts hatte die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung (Art. 152 OG) abzuweisen ist. Damit wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art. 153, 153a und 156 OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (vgl. Art. 159 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Polizei- und Militärdirektion und dem Verwaltungsgericht, Verwaltungsrechtliche Abteilung, des Kantons Bern sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 14. September 2006 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: