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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 152/02 
 
Urteil vom 28. Januar 2003 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Parteien 
S.________ , Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Klein, Malzgasse 18, 4052 Basel, 
 
gegen 
 
Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Basel-Stadt, Utengasse 36, 4058 Basel, Beschwerdegegner 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel 
 
(Entscheid vom 2. Mai 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 8. August 2001 stellte das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) Basel-Stadt fest, dass S.________ (geb. 1974) vom 1. Juli 2001 bis 6. August 2001 die Kontrollvorschriften nicht erfüllt habe, und verneinte einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung für diese Zeitspanne. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies die Kantonale Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt (heute: Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt) mit Entscheid vom 2. Mai 2002 ab. 
C. 
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, die Sache sei unter Aufhebung des kantonalen Entscheides und der Verfügung vom 8. August 2001 zu näheren Abklärungen an das KIGA zurückzuweisen. Eventuell seien der kantonale Entscheid und die Verfügung vom 8. August 2001 aufzuheben, und es sei von einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung abzusehen. 
Das KIGA und das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 8. August 2001) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Bestimmungen anwendbar. 
2. 
2.1 Gemäss Art. 8 Abs. 1 AVIG hat die versicherte Person Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn sie u.a. die Kontrollvorschriften des Art. 17 AVIG erfüllt (lit. g). Nach Art. 17 Abs. 2 AVIG muss sie sich möglichst frühzeitig, jedoch spätestens am ersten Tag, für den sie Leistungen nach Art. 7 Abs. 2 lit. a oder b AVIG beansprucht, persönlich beim Arbeitsamt ihres Wohnorts zur Arbeitsvermittlung melden und von da an die Kontrollvorschriften des Bundesrates befolgen. Laut Art. 17 Abs. 3 AVIG hat die versicherte Person auf Weisung des zuständigen Arbeitsamtes u.a. an Besprechungen oder Orientierungsveranstaltungen teilzunehmen (lit. b). 
2.2 Nach Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG ist die versicherte Person in der Anspruchsberechtigung einzustellen, wenn sie die Kontrollvorschriften oder die Weisungen des Arbeitsamtes nicht befolgt. Widersetzt sie sich nach Ablauf der gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG verfügten Einstellungsdauer immer noch der Teilnahme an einem Beratungsgespräch (oder an einer arbeitsmarktlichen Massnahme), so entzieht ihr die kantonale Amtsstelle laut Art. 30a Abs. 1 AVIG den Leistungsanspruch. Ist die arbeitslose Person zu einem späteren Zeitpunkt zur Mitwirkung an der Eingliederung bereit, so hat sie, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, erneut Anspruch auf Versicherungsleistungen (Abs. 2). 
3. 
3.1 Gemäss den Akten war die Beschwerdeführerin ab 11. Juni 2001 zu 100% arbeitsunfähig. An einem Beratungsgespräch vom 14. Juni 2001 vereinbarte die zuständige Sachbearbeiterin der Verwaltung gemäss Gesprächsprotokoll, dass die Versicherte sich selbst melden werde, sobald sie wieder zu 50% arbeitsfähig sein werde. Die volle Arbeitsunfähigkeit dauerte bis 30. Juni 2001 (Zeugnisse von Dr. med. J.________, FMH Innere Medizin, speziell Endokrinologie - Diabetologie, vom 13. Juni 2001). Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Arztzeugnis in den Briefkasten der Verwaltung eingeworfen und in der Folge zweimal vergeblich telefonisch versucht zu haben, die Sachbearbeiterin zu erreichen. Das Zeugnis scheine intern nicht an die richtige Person gelangt zu sein. Als in der Folge nichts geschehen sei, habe die Versicherte die Verwaltung am 6. August 2001 auf eigene Initiative persönlich aufgesucht und einen neuen Beratungstermin für den 8. August 2001 erhalten. 
3.2 Arbeitslosenkasse und kantonales Gericht vertreten die Auffassung, der Beschwerdeführerin stehe für die hier streitige Zeitspanne kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung zu. Es hätten während dieser Periode keine Kontroll- und Beratungsgespräche stattgefunden, weshalb die allgemeine Anspruchsvoraussetzung des Art. 8 Abs. 1 lit. g AVIG mangels Befolgen der Kontrollvorschriften nicht erfüllt sei. Mit dem Einwerfen eines Arztzeugnisses in den Briefkasten der Verwaltung und zwei telefonischen Versuchen habe die Beschwerdeführerin ihre Pflichten nicht erfüllt. 
 
Demgegenüber macht die Versicherte geltend, ihren Obliegenheiten mit dem erwähnten Vorgehen genügt zu haben. Auf jeden Fall aber käme als Sanktion nur eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung, nicht aber eine vollständige Verneinung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung in Frage. Angesichts der Umstände des Falles sei selbst eine Einstellung nicht gerechtfertigt. 
3.3 Mit ihrer Betrachtungsweise übersehen Verwaltung und Vorinstanz, dass der Gesetzgeber im Rahmen der zweiten Teilrevision des AVIG vom 23. Juni 1995 vom bisherigen System mit Erfüllung der Kontrollpflicht durch das Stempeln abgerückt ist und die persönliche Beratung und Betreuung der Arbeitslosen durch die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) eingeführt hat. Mit dem neuen Konzept der Beratungs- und Kontrollgespräche hat er gleichzeitig die Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen neu geregelt. Nach der Meldung beim Arbeitsamt führt die Nichtbefolgung der Kontrollvorschriften ohne entschuldbaren Grund zur Einstellung in der Anspruchsberechtigung (Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG). Widersetzt sich die versicherte Person auch nach Ablauf der Einstellungsdauer der Teilnahme an einem Kontroll- oder Beratungsgespräch, so wird ihr der Leistungsanspruch entzogen, bis sie zur Mitwirkung bereit ist und die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt (Art. 30a AVIG). Im Unterschied zur früheren Regelung mit dem Stempeln wirkt sich die Verletzung der Kontrollpflicht nach der Anmeldung beim Arbeitsamt nicht mehr anspruchsvernichtend aus, sondern wird mit einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung und als ultima ratio mit einem Leistungsentzug geahndet (Urteil L. vom 26. Mai 2000, C 422/99; Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz. 254 und 263). Dieser neuen gesetzlichen Ausgestaltung der Sanktionen bei Verletzung der Kontrollvorschriften widerspricht die Vorgehensweise von Arbeitslosenkasse und Vorinstanz. Die Voraussetzungen für einen vollständigen Leistungsentzug als ultima ratio sind vorliegend umso weniger gegeben, als die Beschwerdeführerin sich keinem Beratungsgespräch widersetzt hat. 
3.4 Indessen hat die Versicherte dadurch, dass sie ein Arztzeugnis in den Briefkasten der Verwaltung einwarf, und hernach bloss noch zweimal telefonisch vergeblich Kontakt zur zuständigen Sachbearbeiterin suchte, ihren Kontrollpflichten nicht genügt. Bereits anlässlich früherer Perioden krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit war die Versicherte vom KIGA darauf hingewiesen worden, dass sie sich telefonisch zu melden habe, sobald sie wieder zu 50% arbeitsfähig sein werde (Schreiben des KIGA vom 2. und 16. Mai 2001). Somit wusste die Beschwerdeführerin, dass sie sich vorliegend am ersten Werktag nach Ablauf der Arbeitsunfähigkeit wieder beim KIGA hätte melden müssen. Dass sie dies unterlassen hat, wird unter einstellungsrechtlichen Gesichtspunkten näher zu prüfen und mit einer angemessenen Einstellung in der Anspruchsberechtigung zu ahnden sein. Zu diesem Zweck wird die Sache an das KIGA zurückgewiesen. 
4. 
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 134 OG). Die Beschwerdeführerin obsiegt nach dem Gesagten mit dem Hauptantrag, weshalb ihr eine Parteientschädigung für den vorliegenden Prozess zuzusprechen ist (Art. 159 Abs. 1 OG). Da im Bereich der Arbeitslosenversicherung kein bundesrechtlicher Anspruch im Sinne von Art. 104 lit. a OG auf Parteientschädigung besteht (vgl. Art. 103 AVIG), ist es nicht Sache des Eidgenössischen Versicherungsgerichts, die Vorinstanz zur Zusprechung einer Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu verpflichten. Die Beschwerdeführerin hat jedoch die Möglichkeit, beim kantonalen Gericht einen entsprechenden Antrag zu stellen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid der Kantonalen Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt vom 2. Mai 2002 und die Verfügung des KIGA vom 8. August 2001 aufgehoben, und es wird die Sache an dieses zurückgewiesen, damit es über eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung befinde. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Das KIGA hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (inkl. Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, der Öffentlichen Arbeitslosenkasse Basel-Stadt und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt 
 
Luzern, 28. Januar 2003 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: 
 
i.V.