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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_322/2022  
 
 
Urteil vom 23. Mai 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, Müller, 
Gerichtsschreiber Gelzer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Lorenzo Marazzotta, 
 
gegen  
 
Verein B.________ 
Beschwerdegegner, 
 
Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft 
des Kantons Zürich (AWEL), 
Walcheplatz 2, Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Informationszugang, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3. Abteilung, 3. Kammer, 
vom 17. März 2022 (VB.2020.00728). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das an den Zürichsee anstossende Grundstück Kat.-Nr. 4865 der Gemeinde Thalwil steht im Eigentum von A.________ (nachstehend: Grundstückeigentümerin). 
 
B.  
Am 11. Juni 2019 stellte der Verein B.________ beim Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) des Kantons Zürich das Gesuch, Einsicht in die kantonale Bewilligung und die baurechtliche Bewilligung der Gemeinde Thalwil für den Bau eines Gebäudes auf dem Grundstück Kat.-Nr. 4865 sowie in alle dazu gehörigen, noch nicht im Staatsarchiv abgelegten Landanlagekonzessionen nehmen zu können. Das AWEL hiess dieses Gesuch, nachdem es der Grundeigentümerin das rechtliche Gehör gewährt hatte, mit Verfügung vom 15. August 2019 gut. Darin schrieb es vor, dass die Namen von in den Akten erwähnten Drittpersonen und die Angaben, die auf die persönlichen und finanziellen Lebensverhältnisse der betroffenen Dritten schliessen lassen, anonymisiert werden. 
Gegen diese Verfügung reichte die Grundstückeigentümerin Rekurs ein. Diesen wies die Baudirektion des Kantons Zürich mit Entscheid vom 23. September 2020 ab, wobei sie die zur Einsicht zugelassenen Dokumente auflistete und bestimmte, dass diese anonymisiert werden, soweit sie Namen von Drittpersonen (inklusive Eigentümerschaft) enthalten. Die Grundstückeigentümerin focht diesen Rekursentscheid mit Beschwerde an, die das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 3. März 2022 abwies. 
 
C.  
Die Grundstückeigentümerin erhebt beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17. März 2022 aufzuheben und das strittige Einsichtsgesuch abzuweisen. Eventuell sei die Einsichtnahme auf die Landanlagekonzessionen zu beschränken. 
Mit Präsidialverfügung vom 20. Juni 2022 erkannte das Bundesgericht der Beschwerde gemäss dem Antrag der Beschwerdeführerin die aufschiebende Wirkung zu. 
Der Verein B.________, das AWEL und das Verwaltungsgericht beantragen, die Beschwerde abzuweisen. 
Die Beschwerdeführerin stellt in ihrer Replik keine neuen Anträge. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid betreffend Informationszugang zu Dokumenten im Gewahrsam öffentlicher Organe und somit ein Entscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG). Ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten. Sie erweist sich indes als offensichtlich unbegründet, sodass sie im Verfahren gemäss Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG mit summarischer Begründung abzuweisen ist. 
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 17 der Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 (KVZH; LS 101) hat jede Person das Recht auf Zugang zu amtlichen Dokumenten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Der damit statuierte Grundsatz der Öffentlichkeit solcher Dokumente mit Geheimhaltungsvorbehalt wird im Gesetz über die Information und den Datenschutz vom 12. Februar 2007 des Kantons Zürich (IDG/ZH; LS 170.4) präzisiert (Urteil 1C_509/2016 vom 9. Februar 2017 E. 3.2 mit Hinweisen). § 20 Abs. 1 IDG/ZH gewährt jeder Person Anspruch auf Zugang zu den bei einem öffentlichen Organ vorhandenen Informationen. Jedoch hat das öffentliche Organ gemäss § 23 Abs. 1 IDG/ZH die Bekanntgabe von Informationen ganz oder teilweise zu verweigern oder aufzuschieben, wenn ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse oder eine rechtliche Bestimmung entgegensteht. Der Begriff der rechtlichen Bestimmung bezieht sich in diesem Zusammenhang auf gesetzliche Regelungen, die bestimmte Informationen oder einen umgrenzten Sachbereich der Geheimhaltung unterstellen (Urteil 1C_452/2018 vom 15. April 2019 E. 4.1 mit Hinweis).  
 
2.2. Die Vorinstanz ging davon aus, das Planungs- und Baugesetz des Kantons Zürich vom 7. September 1975 (PBG/ZH; LS 700.1) enthalte keine rechtliche Bestimmung im Sinne von § 23 Abs. 1 IDG/ZH, welche die Einsicht in rechtskräftige Baubewilligungen ausschliesse. Die baurechtlichen Vorschriften, wonach Baugesuchsunterlagen öffentlich aufzulegen seien und Dritte die Zustellung der baurechtlichen Entscheide verlangen dürften (§ 314 ff. PBG/ZH), unterstellten Baubewilligungen nach dem Eintritt der Rechtskraft nicht der Geheimhaltung. Vielmehr bestehe bei Dokumenten, die einmal öffentlich zugänglich waren, regelmässig kein Geheimhaltungsinteresse. Die Geheimhaltung von rechtskräftigen Baubewilligungen würde dem Zweck des IDG/ZH widersprechen, eine nachträgliche Kontrolle der Praxis der Baubehörden durch die Öffentlichkeit zu ermöglichen.  
 
2.3. Die Beschwerdeführerin bringt sinngemäss vor, das Baubewilligungsverfahren gewährleiste mit der öffentlichen Auflage der Gesuchsunterlagen ein transparentes Handeln der Behörden (§ 314 Abs. 4 PBG/ZH). Wer es unterlasse, innert 20 Tagen seit der öffentlichen Bekanntmachung bei der Baubehörde schriftlich die Zustellung der baurechtlichen Entscheide zu verlangen, verwirke sein Rekursrecht (§ 315 Abs. 1 in Verbindung mit § 316 Abs. 1 PBG/ZH). Habe gemäss dieser Regelung eine Drittperson das Rekursrecht verwirkt und keine Einsicht in die Gesuchsunterlagen genommen, sei es nicht gerechtfertigt, ihr diese Einsicht später noch zu gewähren. Weshalb für eine nachträgliche Kontrolle der Behördenpraxis Baugesuchsunterlagen offenzulegen seien, sei unerfindlich. Die Vorinstanz sei daher in Willkür verfallen, wenn sie verneint habe, dass dem strittigen Informationszugang eine Spezialregelung bzw. eine rechtliche Bestimmung im Sinne von § 23 Abs. 1 IDG/ZH entgegenstehe.  
 
2.4. Ob diese Rüge den Substanziierungsanforderungen für Willkürrügen bezüglich der Anwendung kantonalen Gesetzesrechts genügt (vgl. BGE 148 I 104 E. 1.5; 145 I 26 E.1.3), ist fraglich, kann indessen offen bleiben, weil sie ohnehin offensichtlich unbegründet ist. Die von der Beschwerdeführerin genannten Verwirkungsfristen für die Anfechtung baurechtlicher Entscheide dienen der Verfahrensbeschleunigung und der Schaffung von Rechtssicherheit bezüglich der erteilten Baubewilligungen, nicht jedoch deren späteren Geheimhaltung. So kann gerechtfertigt sein, Personen Einsicht in rechtskräftige Baubewilligungen zu gewähren, um deren Einhaltung bei der Ausführung des Bauprojekts kontrollieren oder namentlich im Hinblick auf die Beachtung des Gleichbehandlungsprinzips die Baubewilligungspraxis feststellen zu können. Die Vorinstanz verfiel daher nicht in Willkür, wenn sie verneinte, dass die Regelung des Baubewilligungsverfahrens im PBG/ZH rechtskräftige Baubewilligungen generell der Geheimhaltung unterstellt.  
 
3.  
 
3.1. Gemäss Art. 13 Abs. 2 BV hat jede Person Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten. Das damit gewährte Recht auf informationelle Selbstbestimmung garantiert als Teilgehalt des Rechts auf Privatsphäre die Herrschaft einer Person über ihre personenbezogenen Daten (BGE 145 IV 42 E. 4.3 mit Hinweisen). Einschränkungen dieses Grundrechts bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt werden und verhältnismässig sein (Art. 36 BV; BGE 146 I 11 E. 3.1.2). Bezüglich der Grundrechte Dritter ist zu beachten, dass Art. 17 KV/ZH und § 20 Abs. 1 IDG/ZH grundsätzlich einen Anspruch auf Einsichtnahme in Unterlagen bei öffentlichen Organen gewähren (Urteil 1C_509/2016 vom 9. Februar 2017 E. 3.2). Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit von Einschränkungen dieses Anspruchs sind gemäss Art. 17 KV/ZH und § 23 Abs. 1 IDG/ZH die Interessen am verlangten Informationszugang gegenüber den entgegenstehenden öffentlichen oder privaten Interessen abzuwägen. Eine Ausnahme vom Grundsatz des freien Zugangs zu Informationen bei öffentlichen Organen kann zur Wahrung privater Interessen gerechtfertigt sein, wenn der Informationszugang mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Persönlichkeit der von den einzusehenden Daten betroffenen Person beeinträchtigen würde. Dass eine solche Beeinträchtigung lediglich denkbar oder (entfernt) möglich erscheint, genügt nicht (Urteil 1C_509/2016 vom 9. Februar 2017 E. 3.3; vgl. auch BGE 142 II 324 E. 3.4 mit Hinweisen).  
 
3.2. Die Vorinstanz verneinte einen unverhältnismässigen Eingriff in den Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung der Beschwerdeführerin und führte dazu zusammengefasst aus, das Interesse des Beschwerdegegners an der strittigen Einsichtname sei gewichtig, da er damit die Baubewilligungspraxis der Behörden bei an den Zürichsee angrenzenden Parzellen überprüfen und beurteilen wolle, was der Zielsetzung des IDG/ZH entspreche. Die Beschwerdeführerin berufe sich einzig auf entgegenstehende private Interessen, die sie namentlich damit begründe, dass die einzusehenden Unterlagen weitreichende Rückschlüsse auf ihre persönlichen und finanziellen Lebensverhältnisse zuliessen. Dies treffe jedoch nicht zu, zumal die Unterlagen bereits einmal öffentlich zugänglich gewesen seien. Es fehlten Hinweise dafür, dass der Beschwerdegegner die erlangten Informationen missbräuchlich dazu verwenden werde, die Beschwerdeführerin in den Medien namentlich zu nennen und anzuprangern. Dazu habe er auch keine Veranlassung, da er sich nur über die Behördenpraxis zur Bewilligung von Bauten auf Seegrundstücken informieren wolle. Die Befürchtung der Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegner werde die politische Diskussion zum Seeuferweg anhand der Überbauung ihres Grundstücks führen, vermöge kein überwiegendes privates Geheimhaltungsinteresse zu begründen, zumal die kritische Berichterstattung über Baubewilligungen grundsätzlich zulässig sei. Dass vor der Einsichtnahme die Namen von Drittpersonen zu anonymisieren seien, trage den betroffenen privaten Interessen ausreichend Rechnung.  
 
3.3. Diese vorinstanzlichen Erwägungen zur Interessenabwägung bei der Prüfung von Grundrechtseinschränkungen sind überzeugend, weshalb darauf verwiesen werden kann (Art. 109 Abs. 3 BGG). Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, vermag einen unverhältnismässigen Eingriff in ihren Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung nicht zu begründen. So widerlegt sie nicht, dass der Beschwerdegegner ein schützenswertes Interesse daran hat, Einsicht in Baubewilligungen für Bauten in Seenähe zu nehmen, um die entsprechende Bewilligungspraxis zu erfassen und im Hinblick auf die Schaffung eines Seeuferwegs prüfen. Sie nennt auch keine konkreten Umstände, die darauf schliessen liessen, der Beschwerdegegner werde die dabei erhaltenen Informationen trotz der Abdeckung ihres Namens dazu verwenden, sie in den Medien namentlich zu nennen und als Eigentümerin eines Seegrundstücks "anzuprangern". Dass der Beschwerdegegner im Rahmen der von ihm geführten politischen Diskussion zu einem Weg entlang dem Seeufer die streitbetroffene Baubewilligung als Beispiel einer ufernahen Bebauung anführen könnte, kann kein erhebliches privates Geheimhaltungsinteresse begründen, zumal diese Bewilligung und die entsprechenden Unterlagen bereits einmal öffentlich zugänglich waren und sie sich in erster Linie auf das bewilligte Bauprojekt und nicht auf die Beschwerdeführerin als Person beziehen. Dass diese Unterlagen Rückschlüsse auf besondere Personendaten zuliessen, wozu namentlich Daten über religiöse, politische oder gewerkschaftliche Tätigkeiten oder strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen gehören (vgl. § 3 Abs. 4 IDG/ZH), macht die Beschwerdeführerin nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich. Unter diesen Umständen ging die Vorinstanz willkürfrei davon aus, der strittigen Einsichtnahme in Baubewilligungen und die dazu gehörenden Unterlagen stünden keine überwiegenden privaten Geheimhaltungsinteressen entgegen.  
 
4.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde im Verfahren gemäss Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen. Die Gerichtskosten sind der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem obsiegenden privaten Beschwerdegegner steht keine Parteientschädigung zu, da er nicht anwaltlich vertreten wurde (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 2 BGG; BGE 133 III 439 E. 4; Urteil 1C_699/2021 vom 10. Oktober 2022 E. 3). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons Zürich und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Mai 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Gelzer