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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1B_425/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 14. März 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Eusebio, Chaix, 
Gerichtsschreiber Mattle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Guido Hensch, 
 
gegen  
 
Strafgericht des Kantons Basel-Landschaft, 
Grenzacherstrasse 8, Postfach 810, 4132 Muttenz. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; amtliche Verteidigung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 6. September 2016 des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft erhob am 1. Dezember 2015 beim Strafgericht Basel-Landschaft Anklage gegen A.________ wegen mehrfachen Betruges, mehrfacher Urkundenfälschung sowie eventuell wegen Widerhandlung gegen das Arbeitslosenversicherungsgesetz. 
Zuvor wurde mit Verfügung vom 16. November 2015 ein Gesuch von A.________ um Gewährung der amtlichen Verteidigung von der Staatsanwaltschaft abgewiesen. Gegen diese Verfügung erhob A.________ beim Kantonsgericht Basel-Landschaft Beschwerde, welche mit Beschluss vom 19. Januar 2016 teilweise gutgeheissen wurde. Das Kantonsgericht wies die Sache zur neuen Beurteilung, nämlich zur Prüfung der finanziellen Bedürftigkeit von A.________, an die Staatsanwaltschaft zurück. Die Staatsanwaltschaft beantragte mit Eingabe vom 29. Juni 2016 an das Strafgericht die Abweisung des Gesuchs um amtliche Verteidigung. 
 
B.   
Das Strafgericht wies mit Verfügung vom 21. Juli 2016 den Antrag von A.________ auf amtliche Verteidigung mangels finanzieller Bedürftigkeit ab. A.________ erhob gegen diese Verfügung wiederum Beschwerde, welche das Kantonsgericht am 6. September 2016 abwies. 
 
C.   
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 14. November 2016 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Ihm sei für das Strafverfahren ab dem 5. November 2015, spätestens aber ab dem 1. Dezember 2015, Rechtsanwalt Guido Hensch als amtlicher Verteidiger zur Seite zu stellen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren. 
Mit Eingabe vom 21. November 2016 hat der Beschwerdeführer unaufgefordert einen Betreibungsregisterauszug eingereicht. 
Das Kantonsgericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Strafgericht liess sich nicht vernehmen. Mit Verfügung vom 6. Dezember 2016 hat der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Eingabe vom 15. Dezember 2016 hält der Beschwerdeführer sinngemäss an der Beschwerde fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, mit dem das Kantonsgericht die Abweisung des Gesuchs des Beschuldigten um Einsetzung eines amtlichen Verteidigers schützte; dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen grundsätzlich zulässig (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 BGG). Er schliesst das Verfahren indessen nicht ab; es handelt sich mithin um einen Zwischenentscheid, gegen den die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zulässig ist, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur (BGE 133 IV 139 E. 4 S. 140 f.) bewirken könnte. Das ist bei der Verweigerung der amtlichen Verteidigung der Fall (BGE 133 IV 335 E. 4 S. 338; Urteil 1B_219/2016 vom 1. September 2016 E. 1; je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer, der im Strafverfahren beschuldigt wird und dessen Gesuch um amtliche Verteidigung abgelehnt wurde, ist zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1 BGG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde in Strafsachen vorbehältlich E. 1.2 hiernach einzutreten.  
 
1.2. Gegenstand des angefochtenen Beschlusses und damit möglicher Streitgegenstand ist einzig das abgewiesene Gesuch des Beschwerdeführers um Bestellung einer amtlichen Verteidigung. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus Kritik am Entscheid des Kantonsgerichts vom 19. Januar 2016 sowie an der Verfahrensführung durch die Staatsanwaltschaft übt, welche nicht die Frage seiner amtlichen Verteidigung betrifft, namentlich die Kritik an der offenbar nicht gewährten amtlichen Verteidigung der Mitbeschuldigten.  
 
1.3. Die Verfassungsbeschwerde ist im Verhältnis zur Beschwerde in Strafsachen subsidiär (Art. 113 BGG). Weil vorliegend die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist, ist auf die vom Beschwerdeführer gleichzeitig erhobene Verfassungsbeschwerde nicht einzutreten. Soweit er eine Verletzung seiner verfassungsmässigen Rechte in genügender Weise rügt, ist darauf im Rahmen der von ihm erhobenen Beschwerde in Strafsachen einzugehen.  
 
2.  
Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Abs. 2). Von der beschwerdeführenden Person kann die Feststellung des Sachverhalts wiederum nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (Art. 9 BV) ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen (Art. 42 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). 
 
3.  
 
3.1. Die Verteidigung ist in den Art. 128 ff. StPO geregelt. In besonders schwer wiegenden Straffällen ist sie unter bestimmten Voraussetzungen - etwa wenn die Untersuchungshaft mehr als 10 Tage gedauert hat oder eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr in Aussicht steht (Art. 130 lit. a und b StPO) - notwendig, d.h. der beschuldigten Person muss auf jeden Fall ein Verteidiger zur Seite gestellt werden. Bestimmt sie keinen Wahlverteidiger, muss ihr diesfalls zwingend ein amtlicher Verteidiger bestellt werden (Art. 132 Abs. 1 lit. a StPO). In Bagatellfällen besteht dagegen grundsätzlich kein Anspruch auf amtliche Verteidigung (Art. 132 Abs. 2 StPO). Steht für den Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von über 4 Monaten, eine Geldstrafe von über 120 Tagessätzen oder gemeinnützige Arbeit von mehr als 480 Stunden in Aussicht, liegt jedenfalls kein Bagatellfall mehr vor (Art. 132 Abs. 3 StPO). In den dazwischen liegenden Fällen relativer Schwere ist eine amtliche Verteidigung anzuordnen, wenn der Beschuldigte nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Verteidigung zur Wahrung seiner Interessen geboten erscheint (Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO). Letzteres ist dann der Fall, wenn der Straffall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Probleme aufwirft, denen der Beschuldigte allein nicht gewachsen ist (Art. 132 Abs. 2 StPO).  
 
3.2. Die Vorinstanz ging im angefochtenen Beschluss davon aus, dass es sich nicht um einen Fall von notwendiger Verteidigung im Sinne von Art. 130 StPO handelt. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde dennoch von notwendiger Verteidigung spricht, scheint er die Begrifflichkeiten zu vermischen. Jedenfalls legt er nicht dar, weshalb es sich im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanz um einen Fall von notwendiger Verteidigung im Sinne von Art. 130 StPO handeln sollte. Dies ist auch nicht ersichtlich. Nachfolgend zu prüfen ist, ob dem Beschwerdeführer für das Strafverfahren in Anwendung von Art. 132 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 StPO ein amtlicher Verteidiger zu bestellen ist.  
 
4.  
Vorliegend ist unbestritten, dass eine Verteidigung zur Wahrung der Interessen des Beschwerdeführers geboten ist. Streitig ist, ob der Beschwerdeführer - wie die Vorinstanz annimmt - selbst über die erforderlichen Mittel verfügt. 
 
4.1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 29 Abs. 3 BV, die auch für die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO zu berücksichtigen ist, gilt eine Person dann als bedürftig, wenn sie die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne jene Mittel anzugreifen, die für die Deckung des eigenen notwendigen Lebensunterhalts und desjenigen ihrer Familie erforderlich sind. Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs (BGE 141 III 369 E. 4.1 S. 371; 135 I 221 E. 5.1 S. 223; 128 I 225 E. 2.5.1 S. 232). Dazu gehören nicht nur die Einkommens-, sondern auch die Vermögensverhältnisse (BGE 124 I 97 E. 3b S. 98 mit Hinweisen). Zu diesem Zweck sind neben den Einkommens- und Vermögensverhältnissen auch die finanziellen Verpflichtungen des Rechtssuchenden zu berücksichtigen. Letztere sind aber nur dann auf der Bedarfsseite zu veranschlagen, wenn sie effektiv geleistet werden (BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223 f.). Verfallene Schulden sind zu berücksichtigen, soweit sie effektiv abbezahlt werden (vgl. BGE 135 I 221 E. 5.2 S. 224 ff.).  
 
4.2. Der Beschwerdeführer beanstandet in tatsächlicher Hinsicht, dass die beträchtlichen Schulden der Eheleute von der Vorinstanz gänzlich unberücksichtigt geblieben seien.  
Dies trifft nicht zu. Die Vorinstanz hat bei der Berechnung der Bedürftigkeit die belegten Auslagen der Eheleute für die Abbezahlung der Schulden miteinbezogen und somit die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Schulden mitberücksichtigt. Falls es sich diesbezüglich nicht ohnehin um unzulässige neue Vorbringen im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG handelt, ergibt sich auch aus dem vom Beschwerdeführer eingereichten Betreibungsregisterauszug nichts anderes. Soweit der Beschwerdeführer die Rüge, die Vorinstanz habe den entscheidwesentlichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig und in Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV festgestellt, überhaupt in genügender Weise begründet hat, vermag er damit nicht durchzudringen. 
 
4.3. Der Beschwerdeführer rügt ferner, dass die Verhältnisse der Ehefrau des Beschwerdeführers zur Beurteilung der Bedürftigkeit nicht herangezogen werden dürften.  
Die Pflicht des Staats, der bedürftigen Partei die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, geht der Beistands- und Beitragspflicht aus Familienrecht nach (BGE 138 III 672 E. 4.2.1 S. 674; 127 I 202 E. 3b S. 205; je mit Hinweisen; Urteil 1B_389/2015 vom 7. Januar 2016 E. 5.3). Die Mittel unterstützungspflichtiger Personen, insbesondere jene des Ehegatten, sind - vorbehältlich besonderer, hier nicht gegebener Konstellationen - auch im Strafverfahren zu berücksichtigen (vgl. Urteil 1B_389/2015 vom 7. Januar 2016 E. 5.3 sowie E. 6). 
 
5.   
Die Beschwerde in Strafsachen erweist sich als offensichtlich unbegründet. Sie ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege inklusive unentgeltliche Verbeiständung im Verfahren vor Bundesgericht ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde in Strafsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten. 
 
3.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
4.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
5.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strafgericht des Kantons Basel-Landschaft und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. März 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Mattle