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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1C_345/2009 
 
Urteil vom 10. September 2009 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Reeb, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Parteien 
Firma X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Caroline M. López Nagai, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, Zweierstrasse 25, Postfach 9780, 8036 Zürich. 
 
Gegenstand 
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Russland 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 21. Juli 2009 des Bundesstrafgerichts, II. Beschwerdekammer. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Entscheid vom 21. Juli 2009 trat das Bundesstrafgericht, II. Beschwerdekammer, auf eine Beschwerde der Firma X.________ gegen die Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich vom 17. Februar 2009 (betreffend Herausgabe von Bankunterlagen) nicht ein. 
 
B. 
Die Firma X.________ ficht den Entscheid des Bundesstrafgerichtes vom 21. Juli 2009 mit Beschwerde vom 3. August 2009 beim Bundesgericht an und beantragt, der Entscheid sei aufzuheben und das Bundesstrafgericht sei anzuweisen, die Streitsache materiell zu beurteilen. Auf die Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz vom 10. August 2009 replizierte die Beschwerdeführerin am 1. September 2009. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Gemäss Art. 84 BGG ist gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, wenn er eine Auslieferung, eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten oder eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Abs. 1). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Abs. 2). 
 
2. 
Nach Art. 109 BGG entscheidet die Abteilung in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf eine Beschwerde, wenn kein besonders bedeutender Fall vorliegt (Abs. 1). Der Entscheid wird summarisch begründet (Abs. 3; zum vereinfachten Verfahren nach Art. 109 i.V.m. Art. 84 und Art. 107 Abs. 3 BGG vgl. näher BGE 133 IV 125 ff.). 
 
3. 
Zwar geht es in der streitigen Schlussverfügung um die Herausgabe von Bankunterlagen und damit um ein Sachgebiet, bei dem die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 84 Abs. 1 BGG insoweit möglich wäre. Zu prüfen ist jedoch zusätzlich, ob es sich hier um einen besonders bedeutenden Fall handelt. 
 
3.1 Das Bundesstrafgericht stützt seinen Nichteintretensentscheid auf die gesetzlichen Fristbestimmungen und die bundesgerichtliche Praxis. Die Schlussverfügung sei der betroffenen Bank am 19. Februar 2009 zugestellt worden. Die Beschwerde datiere vom 26. März 2009 und sei nicht innert der dreissigtägigen Frist (von Art. 80k IRSG) erhoben worden. Angesichts ihrer Banklagernd-Vereinbarung müsse sich die Beschwerdeführerin die Zustellung an die Bank als fristauslösend anrechnen lassen. 
 
3.2 Die Beschwerdeführerin begründet das Vorliegen eines besonders bedeutenden Falles damit, dass das Bundesstrafgericht den Begriff der Banklagernd-Vereinbarung völlig neu und im Widerspruch zur bisherigen Praxis des Bundesgerichtes definiert habe. 
 
3.3 Die Beschwerde gegen eine Schlussverfügung ist innert 30 Tagen seit der schriftlichen Mitteilung zu erheben (Art. 80k IRSG). Die ausführende Behörde stellt ihre Verfügung dem in der Schweiz wohnhaften Berechtigten zu bzw. dem im Ausland ansässigen Berechtigten mit Zustellungsdomizil in der Schweiz (Art. 80m Abs. 1 IRSG). Der Inhaber von Schriftstücken ist berechtigt, seinen Mandanten über das Vorliegen eines Ersuchens und alle in diesem Zusammenhang stehenden Tatsachen zu informieren, sofern die zuständige Behörde dies nicht ausnahmsweise unter Hinweis auf Art. 292 StGB und dessen Strafandrohung ausdrücklich untersagt hat (Art. 80n Abs. 1 IRSG). Eine Partei oder ihr Rechtsbeistand, die im Ausland wohnen, müssen ein Zustellungsdomizil in der Schweiz bezeichnen. Unterlassen sie dies, kann die Zustellung unterbleiben (Art. 9 IRSV). 
 
3.4 Zur Frage des Fristenlaufes bei Eröffnung von Rechtshilfeverfügungen an die betroffene kontenführende Bank wird in der bundesgerichtlichen Praxis wie folgt differenziert: Zwar sei die Bank nicht automatisch Stellvertreterin ihres Kunden, weshalb die Rechtsmittelfrist mangels spezieller interner Vereinbarung erst ab dem Zeitpunkt laufe, in dem die Bank den Kunden über die Rechtshilfemassnahmen informiert. Anders sei jedoch zu entscheiden, wenn zwischen der Bank und ihrem Kunden eine Korrespondenzvereinbarung besteht, wonach die Bank sowohl die Dokumente über die interne Kundenbeziehung als auch den Kunden betreffende externe Post weiterzuleiten oder zu verwahren habe. Im Falle einer sogenannten Banklagernd-Vereinbarung seien die der Bank zugestellten amtlichen Dokumente als dem Kunden rechtsgültig eröffnet anzusehen. Dabei könne es nicht darauf ankommen, ob die Bank ihren zivilrechtlichen Verpflichtungen zur Information und Weiterleitung tatsächlich nachgekommen ist oder nicht. Die Rechtsmittelfrist beginne vielmehr ab dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Kunde die fraglichen Informationen zur Kenntnis genommen hätte, falls die Bank ihrer internen Informationspflicht ohne Verzug nachgekommen wäre (BGE 124 II 124 E. 2d/aa S. 127 f. mit Hinweisen). Zwar könne diese Praxis für die von der Rechtshilfe Betroffenen streng erscheinen. Sie liege jedoch im öffentlichen Interesse an einem zügigen Rechtshilfeverfahren (vgl. Art. 17a IRSG) sowie im Interesse der Rechtssicherheit. Gerade bei Banklagernd-Vereinbarungen bestehe andernfalls die Gefahr von prozessualen Missbräuchen und Trölerei (BGE 124 II 124 E. 2d/dd S. 129 f. mit Hinweisen; Urteil 1A.212/2003 vom 30. August 2004 E. I/7.2-7.3). 
 
3.5 Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, dass die Beschwerdeführerin weder ihren Sitz in der Schweiz, noch hier ein Zustellungsdomizil bezeichnet habe. Ebenso wenig hätten sich ihre Rechtsvertreter vor Erlass der Schlussverfügung vom 17. Februar 2009 bei der Staatsanwaltschaft als Parteivertreter konstituiert. Es sei nicht Aufgabe der ausführenden Behörde gewesen, die Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin ausfindig zu machen. Die Schlussverfügung sei daher zu Recht der betroffenen Bank als Inhaberin der zu übermittelnden Unterlagen zugestellt worden. Zur Frage des Fristenlaufes bei Eröffnung von Rechtshilfeverfügungen an die kontenführende Bank verweist das Bundesstrafgericht ausführlich und zutreffend auf die oben erwähnte Praxis des Bundesgerichtes. Auch der Grundsatz von Treu und Glauben rechtfertige im vorliegenden Fall kein Abweichen von der genannten Gesetzgebung und Rechtsprechung. Die Beschwerdeführerin lege selber dar, dass sich ihre Rechtsvertreter erst mit FAX-Mitteilung vom 23. Februar 2009, 19.06 Uhr (somit vier Tage nach der erfolgten Zustellung an die Bank) als Parteivertreter konstituiert hätten, obwohl die eingereichte Anwaltsvollmacht schon vom 20. Januar 2009 datiere. Spätestens am 24. Februar 2009, anlässlich eines Telefonates zwischen der Staatsanwaltschaft und einer Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin, sei dieser bekannt gewesen, dass am 19. Februar 2009 eine fristauslösende Zustellung an die Bank erfolgt sei. Dass die Staatsanwaltschaft der Rechtsvertreterin am 24. Februar 2009 auch noch eine Kopie der Schlussverfügung per FAX und ausdrücklich "zur Kenntnis" zustellte, habe nach Treu und Glauben nicht zu einem neuen Fristenlauf (erst ab Eingang dieser FAX-Mitteilung) geführt. 
 
3.6 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, das Bundesstrafgericht habe den Begriff der Banklagernd-Vereinbarung völlig neu und im Widerspruch zur bisherigen Praxis des Bundesgerichtes definiert, findet in den Akten keine Stütze. Der angefochtene Entscheid basiert auf der (oben dargelegten) Gesetzgebung und Rechtsprechung. Dass das Bundesstrafgericht dem abweichenden Rechtsstandpunkt der Beschwerdeführerin nicht gefolgt ist, begründet hier keinen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 BGG (vgl. BGE 133 IV 125 E. 1.4 S. 128 f.; 129 f.; 131 f.; 271 E. 2.2.2 S. 274 mit Hinweisen). Ebenso wenig ist ersichtlich, dass im vorliegenden Fall elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden wären; und auch sonst wie erscheint der Fall nicht von aussergewöhnlicher Tragweite. 
 
3.7 Die Beschwerde erweist sich als unzulässig. 
 
4. 
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, dem Bundesstrafgericht, II. Beschwerdekammer, und dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 10. September 2009 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Forster