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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_276/2022  
 
 
Urteil vom 9. November 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiber Caprara. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Advokat Marco Albrecht, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, 
Postfach 157, 4502 Solothurn, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Landesverweisung (Art. 66a StGB), Strafzumessung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 17. Mai 2022 (STBER.2021.44). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A. Das Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt sprach A.________ am 18. Dezember 2020 vom Vorwurf der qualifizierten Widerhandlung gegen das Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG; SR 142.20) betreffend "B.________", "C.________", D.________ und E.________ frei. Es verurteilte ihn wegen Nötigung, Geldwäscherei begangen als schwerer Fall, gewerbs- und bandenmässiger Widerhandlung gegen das Bundesgesetz vom 29. September 2017 über Geldspiele (Geldspielgesetz, BGS; SR 935.51), der mehrfachen, teils qualifizierten Widerhandlung gegen das AIG betreffend F.________ und G.________ zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 26 Monaten, unter Gewährung des bedingten Vollzugs für eine Teilstrafe von 17 Monaten bei einer Probezeit von drei Jahren. Weiter verhängte es eine bedingte Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je Fr. 30.-- bei einer Probezeit von drei Jahren. Es rechnete die ausgestandene Haft von 91 Tagen sowie 30 Tage für Ersatzmassnahmen auf die Freiheitsstrafe an. Schliesslich verwies es A.________ für die Dauer von fünf Jahren des Landes und befand über die weiteren Neben-, Kosten- und Entschädigungsfolgen.  
 
B.  
Das Obergericht des Kantons Solothurn stellte am 17. Mai 2022 die Rechtskraft folgender Punkte des erstinstanzlichen Urteils fest: Freispruch vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das AIG betreffend "B.________", "C.________", D.________ und E.________ sowie Schuldsprüche der Geldwäscherei begangen als schwerer Fall und der gewerbs- und bandenmässigen Widerhandlung gegen das Geldspielgesetz. Das Obergericht sprach A.________ vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das AIG betreffend G.________ frei. Hingegen sprach es ihn schuldig der Nötigung und der mehrfachen Widerhandlung gegen das AIG betreffend F.________ und zwei nicht näher identifizierbare Frauen aus Mazedonien. Es verurteilte ihn zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 28 Monaten, unter Gewährung des bedingten Vollzugs für 18 Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren, sowie zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je Fr. 30.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren. Auf den unbedingt vollziehbaren Teil der Freiheitsstrafe (10 Monate) rechnete es 91 Tage Haft und 30 Tage für Ersatzmassnahmen an. Es verwies A.________ für die Dauer von 4 Jahren des Landes, unter Eintragung im Schengener Informationssystem (SIS). Weiter befand es über die beschlagnahmten Vermögenswerte, die Ersatzforderung sowie die Kosten- und Entschädigungsfolgen. 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 17. Mai 2022 sei betreffend Höhe der Freiheitsstrafe und Vollzugsform, Landesverweisung und deren Ausschreibung im SIS aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter seien die genannten Punkte aufzuheben und er sei zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren zu verurteilen. Er sei nicht des Landes zu verweisen und auf eine Ausschreibung im SIS sei zu verzichten. Schliesslich ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. 
Die kantonalen Akten wurden beigezogen. Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer wurde von der letzten kantonalen Instanz strafrechtlich verurteilt und führt frist- und formgerecht Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht (Art. 42 Abs. 1, Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG). Auf seine Beschwerde ist unter Vorbehalt einer genügenden Begründung (Art. 42 Abs. 2, Art. 106 Abs. 2 BGG) einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe das Verfahren zu Unrecht nicht nach Art. 409 StPO an die erste Instanz zurückgewiesen. Die erste Instanz sei zunächst von einer obligatorischen Landesverweisung ausgegangen und habe über den Weg der Berichtigung nach Art. 83 StPO eine fakultative Landesverweisung ausgesprochen. Diese sei nicht durch das Gesamtgericht beraten worden, sondern stamme vom Gerichtspräsidenten und von der Gerichtsschreiberin.  
 
2.2. Die Vorinstanz erwägt, die erste Instanz habe im Urteilsdispositiv (in Anwendung von Art. 66a Abs. 1 lit. n StGB) eine obligatorische Landesverweisung ausgesprochen, jedoch in der nachträglich redigierten schriftlichen Urteilsbegründung darauf hingewiesen, dass bloss eine fakultative Landesverweisung möglich sei, zumal die qualifizierte Widerhandlung gegen das AIG vor Inkrafttreten von Art. 66a StGB begangen worden sei.  
 
2.3. Das Bundesgericht hat sich zur Frage, wann eine Rückweisung nach Art. 409 StPO in Betracht fällt, wiederholt geäussert. Darunter fällt namentlich die falsche Besetzung des Gerichts (BGE 149 IV 284 E. 2.2 mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden.  
 
2.4. Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss die Verletzung von Grundrechten rügen will, ohne konkrete Normen anzurufen und sich mit deren Inhalt und deren Anwendung auf seinen Fall zu befassen, genügt er den hierfür geltenden strengen Anforderungen an die Begründungspflicht nicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.1; 143 II 283 E. 1.2.2; je mit Hinweisen). Darauf ist nicht einzutreten.  
Nicht einzutreten ist sodann auf die Rüge, die erstinstanzliche Gerichtsbesetzung hinsichtlich der "Urteilsberichtigung" (fakultative statt obligatorische Landesverweisung) sei gesetzeswidrig und der Fehler sei keiner Berichtigung zugänglich gewesen. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich nicht, dass der Beschwerdeführer entsprechende Rügen vor der Vorinstanz gegen das erstinstanzliche Urteil, gegen eine Berichtigung oder gegen die dortige Gerichtsbesetzung vorgebracht hätte. Diesbezüglich rügt der Beschwerdeführer vor Bundesgericht auch keine Gehörsverletzung und keine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung. Insoweit fehlt es an der Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs (Art. 80 Abs. 1 BGG). Schliesslich ist auch nicht ersichtlich, dass mit der Begründung eine formelle Berichtigung des erstinstanzlichen Urteils dispositivs nach Art. 83 StPO erfolgt wäre, zumal das Dispositiv sowohl in der unbegründeten wie auch in der begründeten Fassung gleich lautete.  
Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, wenn sie das Verfahren angesichts der erwähnten Umstände nicht nach Art. 409 StPO an die erste Instanz zurückweist. Das Vorliegen eines "schwerwiegenden Verfahrensfehlers", welcher eine Rückweisung der Sache an die erste Instanz erfordert hätte (vgl. BGE 143 IV 408 E. 6.1 mit Hinweisen), ist zu verneinen. Auch wenn Widersprüche im erstinstanzlichen Urteil vorhanden sein mögen (im Dispositiv wird der Artikel der obligatorischen, in der Begründung jener der fakultativen Landesverweisung als anwendbare Bestimmung genannt), deren Gründe die erste Instanz offen legt, so begründet dies noch keinen Rückweisungsgrund. Denn den in der Urteilsberatung getroffenen Annahmen kommt genauso wie einer darauf basierenden mündlichen Kurzbegründung an der Urteilseröffnung keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. Urteil 6B_28/2018 vom 7. August 2018 E. 4.3.3), wenn ein Urteil aufgrund der Strafhöhe, wie im vorliegenden Fall, schriftlich begründet werden muss (Art. 82 Abs. 1 lit. b StPO). 
 
2.5. Nach dem Gesagten ist die vorinstanzliche Anordnung der Landesverweisung bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer beanstandet weder die von der Vorinstanz festgestetzte Dauer noch die Ausschreibung der Landesverweisung im SIS, womit auf diese Punkte nicht einzugehen ist.  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer beanstandet die vorinstanzliche Strafzumessung.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Das Gericht misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Art. 47 Abs. 1 StGB). Die Bewertung des Verschuldens richtet sich gemäss Art. 47 Abs. 2 StGB nach der Schwere der Verletzung oder der Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden. Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen und ist an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB).  
 
3.2.2. Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung wiederholt und ausführlich dargelegt. Darauf kann verwiesen werden (BGE 147 IV 241 E. 3.1 f.; 144 IV 313 E. 1, 217 E. 2 f.; 142 IV 137 E. 9.1; 141 IV 61 E. 6.1; 136 IV 55 E. 5.4 ff.; je mit Hinweisen). Es liegt im Ermessen des Sachgerichts, in welchem Umfang es den verschiedenen Strafzumessungsfaktoren Rechnung trägt. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur in die Strafzumessung ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 144 IV 313 E. 1.2; 136 IV 55 E. 5.6; je mit Hinweisen).  
 
3.2.3. Gemäss Art. 50 StGB hat das Gericht, sofern es sein Urteil zu begründen hat, die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung festzuhalten und seine Überlegungen in den Grundzügen wiederzugeben, sodass die Strafzumessung nachvollziehbar ist (BGE 144 IV 313 E. 1.2; 134 IV 17 E. 2.1; Urteile 6B_244/2021 vom 17. April 2023 E. 5.3.6; 6B_1265/2021 vom 29. Dezember 2022 E. 5.2). Dasselbe ergibt sich aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO (Urteil 7B_181/2022 vom 27. September 2023 E. 2.2.3).  
 
3.3. Anders als der Beschwerdeführer geltend macht, hat sich die Vorinstanz nicht an der erstinstanzlichen Strafzumessung zu orientieren und Abweichungen zu begründen. Vielmehr nimmt die obere kantonale Instanz eine eigenständige Strafzumessung vor, die aus sich selbst heraus verständlich sein muss (vgl. Urteile 6B_485/2022 vom 12. September 2022 E. 8.4.1; 6B_27/2020 vom 20. April 2020 E. 3.3.1 mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdeführer aus Unterschieden zwischen der erst- und zweitinstanzlichen Strafzumessung eine Bundesrechtsverletzung herzuleiten versucht, genügt er den Begründungsanforderungen nach Art. 42 Abs. 2 BGG nicht, denn insoweit setzt er sich nicht hinreichend mit der vorinstanzlichen Strafzumessung auseinander.  
Soweit der Beschwerdeführer ausführt, es bestehe ein rechnerischer Widerspruch zwischen Urteilsdispositiv und Begründung, ist ihm nicht beizupflichten. Die Vorinstanz setzt für die gewerbs- und bandenmässige Geldwäscherei gestützt auf das von ihr als mittelschwer qualifizierte Tatverschulden eine Einsatzstrafe von 30 Monaten Freiheitsstrafe fest. Für den schweren Fall der Geldwäscherei asperiert sie vier Monate Freiheitsstrafe (unter Aussprechung einer separaten zusätzlichen Geldstrafe von 50 Tagessätzen), für die Nötigung zwei Monate und für die Widerhandlung gegen das AIG einen halben Monat. Sie gelangt so anhand der objektiven und subjektiven Tatkomponenten zu einem Zwischenfazit von 36.5 Monaten und zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen. Bei der Täterkomponente veranschlagt die Vorinstanz die Vorstrafen als um einen Monat straferhöhend, das Nachtatverhalten hingegen als strafmindernd, dies um 7.5 Monate bei der Freiheitsstrafe sowie um 10 Tagessätze bei der Geldstrafe. Weiter wertet sie die auszusprechende Landesverweisung aufgrund ihres pönalen Charakters leicht strafmindernd, dies im Umfang von zwei Monaten. Insgesamt gelangt die Vorinstanz zu einer Freiheitsstrafe von 28 Monaten und zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen. Dieses Ergebnis stimmt mit den vorinstanzlichen Erwägungen überein. Es ist nicht ersichtlich, worin der Beschwerdeführer, der in seiner Beschwerde bloss punktuelle Strafzumessungserwägungen der Vorinstanz nennt, eine Diskrepanz zwischen der vorinstanzlichen Begründung und deren Urteilsdispositiv sieht. Jedenfalls taugt ein Vergleich zwischen dem erst- und zweitinstanzlichen Urteilsdispositiv sowie der Hinweis auf einen einzelnen Zwischenschritt nicht, um solches zu begründen. Der Vorwurf, dass das vorinstanzliche Urteil betreffend die Strafzumessung "schwerste Mängel aufweisen und offensichtlich mit einem grossen Mass an Nachlässigkeit behaftet" sein soll, ist offensichtlich verfehlt. 
Eine Ermessensüberschreitung ist nicht ersichtlich. Insbesondere war die Vorinstanz nicht gehalten, eine Freiheitsstrafe von 16 Monaten festzusetzen, welche der Beschwerdeführer fordert und welche dem Tatverschulden nicht entspricht. 
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner angespannten finanziellen Situation ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. November 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Caprara