Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_407/2022  
 
 
Urteil vom 2. Juni 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichterinnen Escher, De Rossa, 
Gerichtsschreiber Dürst. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Roland Schaub, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Länzlinger und /oder Rechtsanwältin Martina Athanas, 
Beschwerdegegnerin, 
 
C.________. 
 
Gegenstand 
Arresteinsprache, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer, vom 26. April 2022 (ZSU.2022.19). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Am 25. März 2021 stellte die B.________ AG (Gläubigerin) beim Bezirksgericht Kulm ein Arrestgesuch gegen C.________ (Schuldner) und verlangte unter anderem die Verarrestierung der Liegenschaft Grundbuch U.________, Nr. ww, Plan x, Parzelle yyy, D.________strasse (Einfamilienhaus Nr. zz). Das Bezirksgericht Kulm erliess am 29. März 2021 einen Arrestbefehl im beantragten Umfang.  
 
A.b. Die A.________ AG beantragte mit Arresteinsprache vom 12. April 2021 die Entlassung der Liegenschaft aus dem Arrest. Nach einer Rückweisung durch das Obergericht des Kantons Aargau wies das Bezirksgericht Kulm die Einsprache mit Entscheid vom 6. Januar 2022 erneut ab.  
 
B.  
Gegen diesen Entscheid gelangte die A.________ AG am 21. Januar 2022 erneut mit Beschwerde an das Obergericht des Kantons Aargau. Mit Urteil vom 26. April 2022 wies das Obergericht die Beschwerde ab. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 30. Mai 2022 hat die A.________ AG Beschwerde in Zivilsachen, eventualiter subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des Urteils des Obergerichts des Kantons Aargau vom 26. April 2022 und die Aufhebung des Arrestbefehls hinsichtlich der verarrestierten Liegenschaft in U.________. 
Mit Verfügung vom 31. Mai 2022 wurde das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen. 
Es sind die kantonalen Akten, indes keine Stellungnahmen in der Sache eingeholt worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein letztinstanzlicher Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG) über die Weiterziehung eines Arresteinspracheentscheids; er betrifft eine Schuldbetreibungs- und Konkurssache, die mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht weitergezogen werden kann (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG), zumal der Streitwert von Fr. 30'000.-- offensichtlich überschritten ist (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.2. Die dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegende Weiterziehung (Art. 278 Abs. 3 SchKG) des Entscheides über die Einsprache gegen den Arrestbefehl (Art. 278 Abs. 1 und 2 SchKG) gilt wie der Arrestentscheid (BGE 133 III 589 E. 1) als vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG (BGE 135 III 232 E. 1.2). Damit ist die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich zulässig. Als Folge kommt die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht in Betracht (Art. 113 BGG).  
 
1.3. Mit vorliegender Beschwerde kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 142 III 364 E. 2.4). Auch die Anwendung von Bundesgesetzen wird im Rahmen von Art. 98 BGG nur auf Willkür, d.h. auf eine Verletzung von Art. 9 BV hin geprüft (vgl. BGE 116 II 625 E. 3b; Urteil 5A_899/2016 vom 27. November 2017 E. 1.3, nicht publ. in: BGE 143 III 693). Wer sich auf eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) berufen will, muss anhand der angefochtenen Subsumtion im Einzelnen dartun, inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 134 II 244 E. 2.2; 130 I 258 E. 1.3). Willkür liegt zudem nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheids, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 144 I 113 E. 7.1; 141 I 49 E. 3.4).  
 
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG).  
 
2.  
Die Vorinstanz stützte sich bei der Feststellung des Sachverhalts auf ein Strafverfahren gegen den Schuldner im Kanton Zürich (Urteile 6B_1256/2018, 6B_1267/2018 vom 28. Oktober 2019). Sie stellte fest, dass die Liegenschaft in U.________ das einzige Aktivum der Beschwerdeführerin sei. Die Ehefrau des Schuldners halte 100% der Aktien und sei einziges Mitglied des Verwaltungsrates der Beschwerdeführerin. Der Schuldner sei bei der Gläubigerin angestellt gewesen. Es sei offensichtlich, dass die interne Versetzung, die eigene Kündigung sowie die drohende Strafuntersuchung für die Übertragung der Liegenschaft vom Schuldner auf die Beschwerdeführerin ausschlaggebend gewesen sei. Unzweifelhaft habe der Schuldner mit diesem Vorgehen bezweckt, Vermögenswerte als Haftungssubstrat beiseite zu schaffen. Die Ehefrau des Schuldners könne betreffend die Übertragung der Liegenschaft auf die Beschwerdeführerin bzw. auf sie als Inhaberin nicht mehr gutgläubig sein. Eine Gegenleistung habe die Ehefrau bzw. die Beschwerdegegnerin bei der Übertragung der Liegenschaft auch nicht erbracht. Aufgrund dieses Scheingeschäfts erscheine es der Vorinstanz als glaubhaft, dass die Liegenschaft in U.________ nur pro forma auf die Beschwerdeführerin zu Alleineigentum übertragen worden sei und in Wirklichkeit wirtschaftlich dem Vermögen des Schuldners zuzusprechen sei. Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass es zumindest glaubhaft sei, dass der Grundbucheintrag über die Liegenschaft in Bezug auf die Eigentümerschaft materiell unrichtig sei. Die gemäss Grundbucheintrag im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende Liegenschaft in U.________ sei deshalb dem Vermögen des Schuldners zuzurechnen und könne folglich als dem Schuldners gehörender Arrestgegenstand i.S.v. Art. 272 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG mit Arrest belegt werden. 
 
3.  
Anlass zur Beschwerde geben die Voraussetzungen der Verarrestierbarkeit von Vermögensgegenständen des Schuldners gemäss Art. 272 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG
 
3.1. Gemäss Art. 272 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG wird der Arrest bewilligt, wenn der Gläubiger u.a. glaubhaft macht, dass Vermögensgegenstände vorhanden sind, die dem Schuldner gehören. Ein Arrest kann nur auf Sachen und Rechte gelegt werden, die zumindest nach den glaubhaften Angaben des Gläubigers rechtlich - nicht bloss wirtschaftlich - dem Schuldner gehören (vgl. BGE 107 III 103 E. 1; Urteil 5A_629/2011 vom 26. April 2012 E. 5.1). Vermögenswerte hingegen, die nicht auf den Schuldner, sondern lediglich formell (z.B. durch Eigentumserwerb simulierende Geschäfte) auf den Namen eines Dritten (Strohmann) lauten, gehören uneingeschränkt dem Schuldner und sind verarrestierbar (BGE 126 III 95 E. 4a; Urteil 5A_629/2011, a.a.O., E. 5.1), ebenso bei einem Durchgriff, wenn der Schuldner seine Vermögenswerte in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise auf eine von ihm beherrschte Gesellschaft übertragen hat, um sie dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen, was alles vom Arrestgläubiger glaubhaft zu machen ist (BGE 107 III 33 E. 2, 103 E. 1; 105 III 107 E. 3a; Urteil 5A_629/2011, a.a.O., E. 5.1).  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Willkürverbotes (Art. 9 BV).  
 
3.2.1. Willkür im Sinn von Art. 9 BV liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 144 I 113 E. 7.1; 142 II 369 E. 4.3 mit Hinweisen). Willkürlich ist ein kantonaler Entscheid ferner dann, wenn ein Gericht ohne nachvollziehbare Begründung von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung abweicht (BGE 148 III 95 E. 4.1 mit Hinweisen). Wer sich auf eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) berufen will, kann sich demnach nicht darauf beschränken, die Sach- oder Rechtslage aus seiner Sicht darzulegen und den davon abweichenden angefochtenen Entscheid als willkürlich zu bezeichnen. Die rechtsuchende Partei muss vielmehr anhand der angefochtenen Subsumtion im Einzelnen dartun, inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 136 I 49 E. 1.4.1; 134 II 244 E. 2.2) und auch im Ergebnis in krasser Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 144 I 113 E. 7.1; 141 I 49 E. 3.4).  
 
3.2.2. Die Beschwerdeführerin bringt zur Begründung im Wesentlichen vor, dass sie, bzw. mittels Durchgriff die Alleinaktionärin und Ehefrau des Schuldners, im Strafverfahren vom Obergericht Zürich rechtskräftig zu einer Ersatzforderung im Umfang von Fr. 400'000.-- verpflichtet worden sei. Die Vorinstanzen im Strafverfahren sowie das Bundesgericht haben festgehalten, dass die Beschwerdeführerin bzw. die Ehefrau des Schuldners im Umfang des durch die Investition deliktischer Mittel erzielten Wertzuwachses einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt hätten, weshalb die Ersatzforderung statthaft sei. Ein Wertzuwachs des nichtdeliktischen Vermögenswertes, der auf die Investition des deliktisch erlangten Vermögenswertes zurückzuführen ist, sei "begriffstechnisch zwangsläufig" nur möglich, wenn der betreffende Vermögenswert im Eigentum der mit einer Ersatzforderung belegten Partei, vorliegend die Beschwerdeführerin bzw. mittels Durchgriff die Ehefrau des Schuldners, stehe. Mit der Verurteilung zu einer Vermögenseinziehung bzw. zur Leistung einer Ersatzforderung sei auch die Frage nach dem Eigentum an der fraglichen Liegenschaft geklärt worden. Die Vorinstanz sei im Arrestverfahren an den rechtskräftigen Entscheid im Strafverfahren hinsichtlich Eigentum gebunden. Sie könne sich nicht darauf abstützen, dass auch das Strafgericht in ihren Erwägungen den Grundbucheintrag in Bezug auf die Eigentümerschaft materiell als unrichtig beurteilte, da einzig das Dispositiv bindend sei. Eine andere Auffassung würde gemäss der Beschwerdeführerin zu sich widersprechenden unhaltbaren Urteilen führen. Durch diese sich widersprechenden Urteile würde die Beschwerdeführerin bzw. die Ehefrau des Schuldners "zweimal betraft". Einerseits mittels einer Ersatzforderung im Zusammenhang mit der Liegenschaft und andererseits, indem nun dieselbe Liegenschaft zusätzlich als Vollstreckungssubstrat bezüglich einer anderen Person - des Schuldners - verwendet würde.  
 
3.2.3. Mit diesen Beanstandungen vermag die Beschwerdeführerin nicht durchzudringen. Die Vorinstanz hat dem angefochtenen Urteil die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Zugriff auf Vermögenswerte Dritter zugrunde gelegt. Es ist nicht offensichtlich unhaltbar, wenn die Vorinstanz dabei auf die Feststellung des Strafverfahrens abstellt (vgl. Urteil 5A_873/2010 vom 3. Mai 2011 E. 4.2.3 f.). Der Verweis auf die behauptete Bindungswirkung des Dispositivs der besagten Urteile mag daran auch nichts zu ändern. Die Beschwerdeführerin unterstellt diesen Urteilen denn auch zu Unrecht, im Dispositiv die Eigentumsfrage materiell zu entscheiden. Einen geradezu willkürlichen Widerspruch kann sie jedenfalls nicht aufzeigen, da auch im Arrestverfahren nicht materiell über die Eigentumsverhältnisse entschieden wird. Die Beschwerdeführerin versucht vielmehr einen Widerspruch zu konstruieren, indem sie die Frage der Einziehung im Strafverfahren mit der Frage der Verarrestierbarkeit auf materiellrechtlicher Ebene vermengt. In der Folge ist auch nicht nachvollziehbar, geschweige denn ist Willkür dargetan, wenn die Beschwerdeführerin eine Art doppelte Bestrafung moniert und behauptet, sie würde "zweimal zur Kasse gebeten". Der Arrest verfolgt Sicherungszwecke im Hinblick auf ein Vollstreckungsverfahren. Fragen der Befriedigung der Arrestforderung, der Verwertung des Arrestgegenstandes, der Verwendung von strafrechtlich eingezogenen Vermögenswerten bzw. Ersatzforderungen sowie des Verhältnisses zu den damit zusammenhängenden Grundbuchsperren sind nicht Teil des Arrestverfahrens.  
 
3.2.4. Die Schlussfolgerung der Vorinstanz, dass die Verarrestierung der Liegenschaft zulässig sei, hält vor dem Willkürverbot stand.  
 
3.3. Die Beschwerdeführerin rügt zudem eine Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV). Soweit ihre Ausführungen überhaupt die strengen Anforderungen des Rügeprinzips erfüllen, zielen sie ins Leere. Es entspricht dem Wesen des Arrestbeschlags, dass die Eigentumsgarantie tangiert ist. Der Arrest wird indes gestützt auf einer gesetzlichen Grundlage verfügt und mit der zeitlich beschränkten Sicherung (vgl. Art. 101 Abs. 2 SchKG) ist das Eigentum der Beschwerdeführerin weder als Institut noch in seinem Bestand oder in seinem Vermögenswert beeinträchtigt (vgl. Urteil 5A_639/2012 vom 5. Dezember 2012 E. 5). Die Vorbringen der Beschwerdeführerin beschränkten sich dann auch auf die Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Grundlage und gehen unter der vorliegenden Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts in ihrer Willkürrüge auf.  
 
4.  
Nach dem Gesagten ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Sie ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ausgangsgemäss trägt die Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zu leisten. 
 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 7'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, C.________ und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. Juni 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Dürst