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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_362/2019, 8C_363/2019  
 
 
Urteil vom 4. Juli 2019  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Hochuli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Invalidenrente; Hilflosenentschädigung), 
 
Beschwerden gegen die Entscheide des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 12. April 2019 (IV 2017/13 und IV 2017/14). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1979, arbeitete seit 2005 als Staplerfahrer bei der B.________ AG. Ab 16. Februar 2008 blieb er trotz des Angebots eines Schonarbeitsplatzes arbeitsunfähig. Am 23. Mai 2008 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach medizinischen Abklärungenermittelte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen einen Invaliditätsgrad von 16 % und verneinte einen Anspruch auf Invalidenrente (Verfügung vom 23. November 2012). 
Infolge einer Verschlechterung des Gesundheitszustands liess sich der nunmehr anwaltlich vertretene Versicherte am 1. Dezember 2014erneut bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug und am 11. Februar 2015 auch zum Bezug einer Hilflosenentschädigung anmelden. Insbesondere gestützt auf das polydisziplinäre Gutachten der BEGAZ GmbH in Binningen vom 15. August 2016 (nachfolgend: BEGAZ-Gutachten) verneinte die IV-Stelle erneut einen Rentenanspruch (Verfügung vom 25. November 2016) sowie einen Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung (Verfügung vom 17. November 2016). 
 
B.   
Gegen die beiden Verfügungen vom 17. und 25. November 2016 liess A.________ je separat Beschwerde erheben. Mit zwei verschiedenen Entscheiden vom 12. April 2019 wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die Beschwerden in beiden Fällen ab. 
 
C.   
Mit zwei separaten, weitestgehend identischen Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, die beiden angefochtenen Entscheide seien aufzuheben. Die IV-Stelle sei zu verpflichten, weitere medizinische und erwerbliche Abklärungen zu treffen und anschliessend neu zu verfügen. Es sei ein zweiter Schriftenwechsel durchzuführen. Überdies ersucht A.________ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. 
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt. Es wird kein Schriftenwechsel durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die beiden praktisch identischen Beschwerden richten sich zwar gegen zwei verschiedene, von derselben Vorinstanz gleichentags gefällte Entscheide, stehen jedoch in einem engen sachlichen und prozessualen Zusammenhang. Der Beschwerdeführer stellt in beiden Rechtsschriften die gleichen Anträge (vgl. Urteil 6B_919/2018 und 6B_1043/2018 vom 17. Mai 2019 E. 1). Die Verfahren 8C_362/2019 (Anspruch auf Invalidenrente) und 8C_363/2019 (Anspruch auf Hilflosenentschädigung) betreffen denselben Sachverhalt und die gleichen Parteien. Zudem stellen sich im Wesentlichen dieselben Rechtsfragen. Es rechtfertigt sich daher, die beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (vgl. Art. 71 BGG in Verbindung mit Art. 24 BZP; vgl. auch Urteil 9C_175/2019 und 9C_176/2019 vom 6. Mai 2019 E. 1.1 mit Hinweis). 
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
2.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint (vgl. BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_838/2016 vom 3. März 2017 E. 5.1). Diese Grundsätze gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung (Urteil 9C_222/2016 vom 19. Dezember 2016 E. 1.2 mit Hinweis); in diese greift das Bundesgericht auf Beschwerde hin nur bei Willkür (zu diesem Begriff BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5 mit Hinweisen) ein, insbesondere wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche Beweise übersieht oder solche grundlos ausser Acht lässt (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211). Solche Mängel sind in der Beschwerde aufgrund des strengen Rügeprinzips klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.). Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253; 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit Hinweisen; Urteil 8C_794/2018 vom 15. Februar 2019 E. 1.2).  
 
3.   
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die Verfügungen der IV-Stelle vom 17. und 25. November 2016 bestätigte, wonach der Versicherte weder einen Anspruch auf Hilflosenentschädigung noch einen Rentenanspruch hat. 
 
4.   
Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung der Streitsache massgebenden rechtlichen Grundlagen in den angefochtenen Entscheiden zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG). 
 
5.   
Der Beschwerdeführer beanstandet in beiden Verfahren einzig, die Vorinstanz habe den Untersuchungsgrundsatz respektive die Beweiswürdigungsregeln verletzt. Beim systemischen Lupus erythematodes handle es sich um eine Schubkrankheit. Das BEGAZ-Gutachten sei nicht überzeugend, weil es dieser Tatsache "zu wenig Rechnung getragen" habe. Demgegenüber habe die behandelnde Rheumatologin Dr. med. C.________ in ihrem Bericht vom 11. Januar 2017 ausdrücklich auf vier Krankheitsschübe im Jahre 2016 hingewiesen. Mit Blick darauf sei die antizipierte Beweiswürdigung "nicht rechtmässig" erfolgt, weshalb zusätzliche medizinische und erwerbliche Abklärungen erforderlich seien. 
 
5.1. Die richterliche Überprüfungsbefugnis ist in zeitlicher Hinsicht (BGE 143 V 409 E. 2.1 i.f. S. 411 mit Hinweis) auf den Sachverhalt beschränkt, wie er sich bis zum Erlass der Verfügungen vom 17. und 25. November 2016 verwirklicht hat (vgl. SVR 2018 IV Nr. 10 S. 32, 8C_35/2017 E. 3.1, mit Hinweis auf BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S. 220).  
 
5.2. Das kantonale Gericht hat sich mit den bereits vorinstanzlich erhobenen Rügen eingehend auseinandergesetzt und dabei auch den Bericht der Dr. med. C.________ vom 11. Januar 2017 mitberücksichtigt. Insbesondere würdigte es das BEGAZ-Gutachten in Bezug auf die vorgetragenen Einwände. Es begründete schliesslich ausführlich und bundesrechtskonform, weshalb im Ergebnis auf die Arbeitsfähigkeitsbeurteilung gemäss BEGAZ-Gutachten abzustellen ist und der Versicherte nach der bei Erlass der Verfügung vom 17. November 2016 massgebenden Aktenlage (vgl. E. 5.1 hievor) nicht in anspruchsrelevanter Weise hilflos war.  
 
5.3. Der Beschwerdeführer begnügt sich im Wesentlichen mit appellatorischer Kritik (vgl. dazu E. 2.2 i.f.) am angefochtenen Entscheid und setzt sich mit den vorinstanzlichen Erwägungen kaum in rechtsgenüglicher Weise auseinander (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Soweit Verwaltung und Vorinstanz in antizipierter Beweiswürdigung einen Bedarf an weiteren Abklärungen verneinten, kann einzig Willkür gerügt werden (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f. mit Hinweisen; Urteil 1C_135/2013 vom 16. Dezember 2013 E. 2; vgl. auch Urteil 8C_316/2017 vom 20. Juni 2017 E. 2.3.4 mit Hinweis). Inwiefern die vorinstanzliche Beweiswürdigung das Willkürverbot (Art. 9 BV) verletzt, macht der Beschwerdeführer nicht geltend und ist nicht ersichtlich. Mit Blick auf seine Vorbringen finden sich keine Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen beziehungsweise eine diesbezügliche Rechtsverletzung.  
 
5.4. Gegen die auf der medizinischen Sachverhaltsfeststellung (E. 5.2) beruhende Ermittlung des Invaliditätsgrades von 37 % gemäss angefochtenem Entscheid hat der Beschwerdeführer zu Recht keine Einwände erhoben.  
 
5.5. Fehlt es an medizinisch nachvollziehbar und überzeugend erstellten Anhaltspunkten für eine anspruchsrelevante Hilflosigkeit (E. 5.2 i.f.) sowie an einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 % (Art. 28 Abs. 2 IVG), sind die angefochtenen Entscheide nicht als bundesrechtswidrig zu beanstanden.  
 
6.   
Die offensichtlich unbegründeten Beschwerden werden im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG ohne Durchführung eines Schriftenwechsels, mit summarischer Begründung und unter Verweis auf die kantonalen Entscheide (Art. 109 Abs. 3 BGG) erledigt. 
 
7.  
 
7.1. Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Versicherte hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).  
 
7.2. Da die Beschwerden offensichtlich unbegründet sind (E. 6), sind sie als aussichtslos im Sinne von Art. 64 Abs. 1 BGG zu bezeichnen (vgl. dazu Thomas Geiser, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 22 i.f. zu Art. 64 BGG; Urteil 8C_772/2018 vom 19. März 2019 E. 8.2). Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege sind demnach abzuweisen.  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Verfahren 8C_362/2019 und 8C_363/2019 werden vereinigt. 
 
2.   
Die Beschwerden werden abgewiesen. 
 
3.   
Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege werden abgewiesen. 
 
4.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. Juli 2019 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Hochuli