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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess {T 7} 
I 412/06 
 
Urteil vom 10. November 2006 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiber Schmutz 
 
Parteien 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
B.________, 1958, Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Becker, Burghaldenstrasse 59, 5600 Lenzburg 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
(Entscheid vom 7. März 2006) 
 
Sachverhalt: 
A. 
B.________, geboren 1958, ist Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift der am 18. Dezember 2001 in das Handelsregister eingetragenen Firma X.________ GmbH, die den Verkauf von und Handel mit Küchen- und Haushaltartikeln bezweckt. Die Firma ging aus der Einzelfirma Y.________ hervor, welche am 8. Dezember 2000 mit demselben Zweck ins Handelregister eingetragen und am 8. Januar 2002 gelöscht worden war, und in welcher B.________ als Inhaber mit Einzelunterschrift fungierte. Zuvor arbeitete der ausgebildete Landmaschinenmechaniker von 1994 bis Februar 2001 als Lagerist/Verkaufsmanager beim Handelsunternehmen Z.________ AG. Am 30. Juli 2003 meldete sich B.________ bei der IV-Stelle des Kantons Aarau (nachfolgend: IV-Stelle) zum Bezug von Leistungen (Rente) an. Laut Hausarztbericht von Dr. med. K.________, Facharzt FMH für Innere Medizin, vom 29. September 2003 leidet er an einer symptomatischen Coxarthrose beidseits mit Hüftimpingement beidseits (jeweils linksbetont). Deswegen habe seit dem 9. Juli 2002 eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit von 50-100 %, seit 1. März 2003 wieder von 50 % bestanden. Gemäss Bericht der Rehaklinik A.________ vom 12. März 2003 hat aus rheumatologischer Sicht seit Anfang März 2003 wieder eine 100-prozentige Arbeitsfähigkeit in leichter, angepasster Tätigkeit vorgelegen. Nach dem Untersuchungsbericht vom 25. August 2004 des von der IV-Stelle beigezogenen Dr. med. M.________, Facharzt FMH für Rheumatologie, besteht in der bisherigen Tätigkeit eine Arbeitsfähigkeit von 80 % für administrative und körperlich leichte Arbeiten, schwere Arbeiten seien nicht mehr zu bewältigen. Mit Verfügung vom 9. Dezember 2004 lehnte die IV-Stelle das Rentenbegehren ab, weil bei einem Invaliditätsgrad von 32 % (bei Arbeitsunfähigkeit von 20 % sowie Gewährung eines leidensbedingten Abzugs von 15 %) ein Anspruch nicht begründet sei. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 6. Juni 2005 fest. 
B. 
In Gutheissung der hiergegen erhobenen Beschwerde hob das Versicherungsgericht des Kantons Aargau den Einspracheentscheid auf und wies die Sache an die IV-Stelle zur Vornahme weiterer Abklärungen und zum anschliessenden Erlass einer neuen Verfügung zurück (Entscheid vom 7. März 2006). 
C. 
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides. 
B.________ lässt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen. Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Nach Art. 132 Abs. 1 OG in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG (in Kraft seit 1. Juli 2006) kann das Eidgenössische Versicherungsgericht in Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen in Abweichung von den Art. 104 und 105 OG auch die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung beurteilen und ist an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts nicht gebunden. Gemäss Art. 132 Abs. 2 OG gelten diese Abweichungen nicht, wenn der angefochtene Entscheid Leistungen der Invalidenversicherung betrifft. Nach Ziff. II lit. c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 ist indessen auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängigen Beschwerden bisheriges Recht anwendbar. Da die hier zu beurteilende Beschwerde am 1. Juli 2006 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, richtet sich dessen Kognition noch nach der bis Ende Juni 2006 gültigen Fassung von Art. 132 OG, welche dem neuen Abs. 1 entspricht. 
2. 
Da der Einspracheentscheid der IV-Stelle am 6. Juni 2005 ergangen ist, finden bei der Beurteilung des Leistungsanspruches, wie von der Vorinstanz zutreffend dargelegt, grundsätzlich sowohl die Bestimmungen des auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) und der dazugehörenden Verordnung vom 11. September 2002 (ATSV) - einschliesslich der damit verbundenen Änderungen des IVG und der IVV - als auch die mit der 4. IV-Revision auf den 1. Januar 2004 neu eingeführten oder geänderten Normen Anwendung (BGE 131 V 11 Erw. 1, 130 V 259 Erw. 3.5, 333 Erw. 2.3, 425 Erw. 1.1, 447 Erw. 1.2.1, je mit Hinweisen). 
3. 
3.1 Für den zur Bestimmung des Invaliditätsgrades im erwerblichen Bereich durchzuführenden Einkommensvergleich sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Beginns des eventuellen Rentenanspruchs massgebend, wobei das hypothetische Einkommen ohne Gesundheitsschaden (Valideneinkommen) und das trotz Gesundheitsbeeinträchtigung zumutbarerweise erzielbare Einkommen (Invalideneinkommen) auf zeitidentischer Grundlage zu ermitteln und allfällige rentenwirksame Änderungen der Vergleichseinkommen bis zum Verfügungserlass zu berücksichtigen sind (BGE 129 V 223 Erw. 4.1 und 4.2; Urteil M. vom 15. April 2003 [I 1/03] Erw. 5.1, je mit Hinweisen). 
3.2 Für die Ermittlung des Valideneinkommens ist entscheidend, was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühest möglichen Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich verdient (RKUV 1993 Nr. U 168 S. 100 Erw. 3) bzw. was sie auf Grund ihrer beruflichen Fähigkeiten und persönlichen Umstände zu erwarten gehabt hätte (ZAK 1985 S. 635 Erw. 3a). Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein (RKUV 1993 Nr. U 168 S. 101 Erw. 3b; BGE 129 V 224 Erw. 4.3.1). 
3.3 Lassen sich die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen nicht zuverlässig ermitteln oder schätzen, so ist in Anlehnung an die spezifische Methode für Nichterwerbstätige (Art. 8 Abs. 3 ATSG in Verbindung mit Art. 28 Abs. 3 IVG und Art. 27 Abs. 1 und 2 IVV [in der vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003 in Kraft gestandenen Fassung]; Art. 8 Abs. 3 ATSG in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2bis IVG und Art. 27 IVV [in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung]; SVR 2005 IV Nr. 21 S. 83 Erw. 4 [Urteil M. vom 6. September 2004, I 249/04]) ein Betätigungsvergleich anzustellen und der Invaliditätsgrad nach Massgabe der erwerblichen Auswirkungen der verminderten Leistungsfähigkeit in der konkreten erwerblichen Situation zu bestimmen (ausserordentliches Bemessungsverfahren). Der grundsätzliche Unterschied des ausserordentlichen Bemessungsverfahrens zur spezifischen Methode besteht darin, dass die Invalidität nicht unmittelbar nach Massgabe des Betätigungsvergleichs als solchem bemessen wird. Vielmehr ist zunächst anhand des Betätigungsvergleichs die leidensbedingte Behinderung festzustellen; sodann aber ist diese im Hinblick auf ihre erwerblichen Auswirkungen besonders zu gewichten. Eine bestimmte Einschränkung im funktionellen Leistungsvermögen eines Erwerbstätigen kann zwar, braucht aber nicht notwendigerweise eine Erwerbseinbusse gleichen Umfangs zur Folge zu haben. Wollte man bei Erwerbstätigen ausschliesslich auf das Ergebnis des Betätigungsvergleichs abstellen, so wäre der gesetzliche Grundsatz verletzt, wonach bei dieser Kategorie von Versicherten die Invalidität nach Massgabe der Erwerbsunfähigkeit zu bestimmen ist (BGE 128 V 30 f. Erw. 1 mit Hinweisen). 
4. 
Letztinstanzlich ist unter den Verfahrensbeteiligten unbestritten, dass beim Beschwerdegegner in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit vor Eintritt des Gesundheitsschadens eine schmerzbedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit zu 100 % für das Heben und Tragen schwerer Lasten besteht, für die administrativen Arbeiten eine Arbeitsfähigkeit von 80 %. In angepasster, leichter Tätigkeit (ohne Heben und Tragen von Lasten, mit Wechselpositionen und Entlastungshaltungen) besteht eine medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit von 80 %. 
5. 
Streitig ist, wie hoch die beiden zu vergleichenden hypothetischen Erwerbseinkommen zu veranschlagen sind. Die Beschwerdeführerin bestimmte im Einkommensvergleich das Validen- und das Invalideneinkommen des Beschwerdegegners auf der Basis der statistischen Werte der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik, was sie deshalb als sinnvoll erachtet, weil der Beschwerdegegner bis zum Eintritt des Gesundheitsschadens nur während einer kurzen Zeitperiode als Geschäftsführer der GmbH angestellt gewesen sei. Gerade dies führt aber dazu, dass die ausserordentliche Methode des Betätigungsvergleichs anzuwenden ist, weil sich das hypothetische Valideneinkommen unter diesen Umständen nicht zuverlässig ermitteln lässt (BGE 128 V 30 f. Erw. 1, KSIH Rz 3112 ff.). Der in der Beschwerde dagegen erhobene Einwand, ein solcher Vergleich könne bei den vorliegenden Verhältnissen nicht nachvollzogen werden, wird jedoch nicht begründet. Insbesondere wird nicht dargetan, warum das von der Vorinstanz skizzierte Vorgehen nicht handhabbar sein sollte. Diese hat der Beschwerdeführerin aufgetragen, zunächst einen Betätigungsvergleich vorzunehmen und dazu festzulegen, welche Tätigkeiten der Beschwerdegegner im eigenen Geschäft in welchem zeitlichen Umfang ohne Gesundheitsschaden und welche er mit diesem noch ausüben kann. Anhand dessen ist die leidensbedingte Behinderung in den einzelnen Tätigkeiten der konkreten Berufsausübung festzustellen. Dabei besteht für körperlich schwere Tätigkeiten keine Arbeitsfähigkeit mehr, leichte Arbeiten sind dagegen noch zu 80 % ausübbar. Anschliessend sind die einzelnen Tätigkeiten erwerblich zu gewichten, das heisst für jede ist ein branchenüblicher Lohnansatz (kein LSE-Tabellenlohn) anzuwenden. Damit können die hypothetischen Validen- und Invalideneinkommen ermittelt werden. Anschliessend ist der Invaliditätsgrad zu berechnen (vgl. BGE 128 V 33 f. Erw. 4c-e). Bei diesem Vorgehen ist auch der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobene Einwand obsolet, das Einkommen des Beschwerdegegners habe zu Beginn der selbstständigen Tätigkeit stark geschwankt und das Geschäft sei noch im Aufbau begriffen gewesen, was beides es als sinnvoller erscheinen lasse, beim Einkommensvergleich auf die Durchschnittswerte der LSE abzustellen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 750.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Ausgleichskasse des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
Luzern, 10. November 2006 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: