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[AZA 7] 
C 211/00 Vr 
 
II. Kammer 
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; 
Gerichtsschreiberin Berger 
 
Urteil vom 23. August 2001 
 
in Sachen 
H.________, 1938, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI, Zentralverwaltung, Werdstrasse 62, 8004 Zürich, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
A.- Mit Verfügung vom 2. Februar 2000 forderte die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI zu Unrecht an H.________, geboren 1938, ausgerichtete Arbeitslosentaggelder für die Kontrollperioden Januar bis Dezember 1999 im Betrag von Fr. 8668. 15 zurück. 
 
B.- Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 26. Mai 2000). 
C.- H.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Rückforderungsverfügung sei aufzuheben. 
 
Die Arbeitslosenkasse verzichtet auf eine Stellungnahme. 
Das Staatssekretariat für Wirtschaft lässt sich nicht vernehmen. 
 
D.- Nach Abschluss des Schriftenwechsels hat die Arbeitslosenkasse die Verfügung des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich vom 14. September 2000 zu den Akten gereicht, worin festgestellt wird, die Rückforderung von Fr. 8668. 15 werde nicht erlassen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Wie das kantonale Gericht zutreffend dargelegt hat, muss die Arbeitslosenkasse nach Art. 95 Abs. 1 AVIG Leistungen der Versicherung, auf die der Empfänger keinen Anspruch hatte, zurückfordern. Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts kann die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (BGE 126 V 400 Erw. 2b/aa, 122 V 21 Erw. 3a, je mit Hinweisen). Die für die Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verfügungen massgebenden Voraussetzungen gelten auch mit Bezug auf die Rückerstattung zu Unrecht bezogener Geldleistungen der Arbeitslosenversicherung gemäss Art. 95 AVIG und zwar unbesehen darum, ob sie förmlich oder formlos zugesprochen worden sind (BGE 126 V 400 Erw. 2b/aa, 122 V 368 Erw. 3, je mit Hinweisen). Eine zweifellose Unrichtigkeit liegt nicht nur vor, wenn die in Wiedererwägung zu ziehende Verfügung auf Grund falscher oder unzutreffender Rechtsregeln erlassen wurde, sondern auch, wenn massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden (BGE 126 V 401 Erw. 2b/bb; ARV 1996/97 Nr. 28 S. 158 Erw. 3c). Eine gesetzwidrige Leistungszusprechung gilt regelmässig als zweifellos unrichtig (BGE 126 V 401 Erw. 2b/bb, 103 V 128). 
Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung setzt unter anderem die Vermittlungsfähigkeit der versicherten Person voraus (Art. 8 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit Art. 15 AVIG). Für die Frage der zweifellosen Unrichtigkeit ist entscheidend, ob sich die gesetzliche Anspruchsvoraussetzung der Vermittlungsfähigkeit klar verneinen lässt (BGE 126 V 401 Erw. 2b/bb; ARV 1996/97 Nr. 28 S. 158 Erw. 3c/aa). 
 
b) Während die kantonale Amtsstelle in den ihr übertragenen Fällen die Anspruchsberechtigung abklärt oder die Vermittlungsfähigkeit der Arbeitslosen überprüft (Art. 85 Abs. 1 lit. b und d AVIG) und in den Fällen nach Art. 81 Abs. 2 AVIG über die Anspruchsberechtigung, gegebenenfalls die Vermittlungsfähigkeit entscheidet (Art. 85 Abs. 1 lit. e AVIG), hat die Arbeitslosenkasse im Rückforderungsverfahren festzustellen, ob die zweifellose Unrichtigkeit und die erhebliche Bedeutung ihrer Berichtigung als Voraussetzungen der Wiedererwägung der verfügten Taggeldzusprechung erfüllt sind (BGE 126 V 401 f. Erw. 2b/cc). 
 
2.- Vorliegend hat das Amt für Wirtschaft und Arbeit mit Schreiben vom 9. Mai 2000 zuhanden der Arbeitslosenkasse ausgeführt, der Versicherte habe zufolge der ihm von der Invalidenversicherung ab 1. Januar 1998 ausgerichteten ganzen Rente keinen anrechenbaren Verdienstausfall erlitten, weshalb kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bestehe. Eine Überprüfung der Vermittlungsfähigkeit erübrige sich deshalb. 
 
3.- Im Rückforderungsprozess stellt sich lediglich die Frage, ob Arbeitslosenkasse und Vorinstanz die Wiedererwägungsvoraussetzungen zu Recht als erfüllt betrachten durften (vgl. Erw. 1b hiervor). 
a) Der Versicherte meldete sich per 1. Januar 1999 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung an und führte im Antragsformular aus, er sei bereit und in der Lage, Teilzeit, höchstens zu 30 % einer Vollzeitbeschäftigung, zu arbeiten. 
Am 30. März 1999 erlangte die Arbeitslosenkasse Kenntnis von der Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 8. Februar 1999, mit welcher dem Beschwerdeführer rückwirkend ab 1. Januar 1998 eine ganze Rente der Invalidenversicherung, basierend auf einem Invaliditätsgrad von 100 %, zugesprochen wurde. Ausserdem ging gleichentags ein Zeugnis des Dr. med. S.________, Arzt für allgemeine Medizin FMH, vom 9. Februar 1999 bei ihr ein, worin eine seit 5. Januar 1999 bestehende 30 %ige Arbeitsfähigkeit bescheinigt wird. 
Mit einem weiteren Zeugnis vom 28. Juni 1999 attestiert Dr. 
 
med. S.________ dem Versicherten eine 30 %ige Einsatzfähigkeit im Bereich der angestammten Tätigkeit. Offenbar gestützt auf diese ärztlichen Angaben zahlte die Arbeitslosenkasse am 28. Juli 1999 Arbeitslosentaggelder für die Monate Januar bis Juli 1999 nach und richtete fortan von August bis Dezember 1999 Arbeitslosenentschädigung aus. 
 
b) Da dem Beschwerdeführer zufolge der von der Invalidenversicherung festgestellten Erwerbsunfähigkeit die Vermittlungsfähigkeit vollständig abgeht, erweist sich die anfängliche Annahme der Vermittlungsfähigkeit durch die Arbeitslosenkasse als zweifellos unrichtig. Nach der Rechtsprechung können Leistungen der Arbeitslosenversicherung zwar dann nicht zurückgefordert werden, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass trotz Annahme vollständiger Erwerbsunfähigkeit durch die Invalidenversicherung auf vollständige oder teilweise Vermittlungsfähigkeit geschlossen werden muss (ARV 1998 Nr. 15 S. 81 f. Erw. 5b, 1995 Nr. 12 S. 61). Solche besonderen Umstände liegen hier aber nicht vor. Die ärztlich attestierte Teilarbeitsfähigkeit bildet kein rechtsgenügliches Indiz für eine teilweise Vermittlungsfähigkeit. Sie stellt bloss eine medizinisch-theoretische Schätzung dar, welcher keine konkrete Verbesserung der Erwerbsfähigkeit entspricht, beträgt der der Verfügung der IV-Stelle vom 8. Februar 1999 zu Grunde liegende Invaliditätsgrad doch 100 %. 
Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Soweit darin die bereits im kantonalen Gerichtsverfahren entkräfteten Rügen wiederholt werden, ist vollumfänglich auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid zu verweisen. 
Schliesslich kann die Frage nach einem durch die Arbeitslosenkasse geschaffenen Vertrauenstatbestand (vgl. die zu Art. 4 Abs. 1 der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 ergangene, gemäss RKUV 2000 Nr. KV 126 S. 223 und Nr. KV 133 S. 291 Erw. 2a unter der Herrschaft von Art. 9 der seit 
1. Januar 2000 in Kraft stehenden neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 weiterhin massgebliche Rechtsprechung zum Vertrauensschutz: BGE 124 V 220 Erw. 2b/aa, 121 V 66 Erw. 2a, je mit Hinweisen) offen bleiben, da der Versicherte auch im letztinstanzlichen Prozess nicht darlegt, welche Dispositionen er im Zusammenhang mit den zu Unrecht erfolgten Taggeldleistungen der Arbeitslosenversicherung getroffen oder unterlassen hat, die ohne Nachteil nicht mehr rückgängig gemacht oder nachgeholt werden könnten. Der blosse Verbrauch von Geldmitteln kann jedenfalls nicht als Disposition gelten (ARV 1999 Nr. 40 S. 238). 
 
c) Der - masslich nicht zu beanstandende - Betrag von Fr. 8668. 15 erfüllt das Kriterium der erheblichen Bedeutung ohne weiteres. 
 
4.- a) Gemäss Art. 95 Abs. 4 Satz 1 AVIG verjährt der Rückforderungsanspruch innert eines Jahres, nachdem die auszahlende Stelle davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach der Auszahlung der Leistung. Bei diesen Fristen handelt es sich um Verwirkungsfristen. 
b) Die Arbeitslosenkasse wusste seit dem 30. März 1999, dass die Invalidenversicherung dem Beschwerdeführer rückwirkend ab 1. Januar 1998 eine ganze Rente, entsprechend einem Invaliditätsgrad von 100 %, zugesprochen hatte. 
Am 28. Juli 1999 richtete die Verwaltung erstmals - rückwirkend für die Zeit ab Januar 1999 - Arbeitslosenentschädigung aus. Mit Verfügung vom 2. Februar 2000 forderte sie alsdann die ab 28. Juli 1999 zu Unrecht ausgerichteten Taggelder wieder zurück. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob sie bei Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit allenfalls bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis vom rückforderungsbegründenden Sachverhalt haben konnte, denn sowohl die einjährige relative als auch die fünfjährige absolute Verwirkungsfrist des Art. 95 Abs. 4 AVIG wurden auf jeden Fall eingehalten. 
 
5.- Nach dem Gesagten lässt sich nicht beanstanden, dass die Arbeitslosenkasse am 2. Februar 2000 wiedererwägungsweise auf die zu Unrecht erfolgte Gewährung von Arbeitslosentaggeldern zurückgekommen ist. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1000.- wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet. 
 
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Zürich, 
 
 
und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 23. August 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: 
 
i.V.