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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess {T 7} 
I 399/06 
 
Urteil vom 11. August 2006 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ursprung, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber Wey 
 
Parteien 
P.________, 1957, Beschwerdeführer, vertreten 
durch Advokat Dr. Marco Biaggi, Aeschenvorstadt 71, 4051 Basel, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel 
 
(Entscheid vom 8. Februar 2006) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1957 geborene P.________ arbeitete nach seiner erstmaligen Einreise in die Schweiz im August 1979 als Schaler und später als Pflästerer bzw. Pflästerer und Vorarbeiter im Strassenbau, zuletzt ab Mai 1993 bei der Bauunternehmung Q.________ AG. Im November 1999 auftretende Rückenbeschwerden zwangen den Versicherten, diese Arbeit aufzugeben. Seither geht er keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. 
Am 9. Juni 2000 meldete sich P.________ zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle Basel-Stadt veranlasste die notwendigen Abklärungen in medizinischer und beruflicher Hinsicht und sprach dem Versicherten zunächst mit Verfügung vom 21. Dezember 2001 Unterstützung bei der Suche eines geeigneten Arbeitsplatzes zu. Der vorgesehene dreimonatige Aufenthalt in der BEFAS des Spitals X.________ zur Abklärung der Eingliederungs- und Arbeitsfähigkeit musste Ende Oktober 2002 vorzeitig abgebrochen werden, weil der Versicherte über starke Rückenschmerzen klagte. Mit Verfügung vom 25. Mai 2004 und Einspracheentscheid vom 13. Juli 2005 verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch aufgrund eines Invaliditätsgrades von bloss 33 %; überdies lehnte die Verwaltung das Gesuch um weitere berufliche Massnahmen ab. 
B. 
Das Sozialverischerungsgericht Basel-Stadt wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 8. Februar 2006 im Rentenpunkt und hinsichtlich der beruflichen Massnahmen ab, hob den Einspracheentscheid jedoch insoweit auf, als es die Sache zur neuerlichen Verfügung bezüglich der Höhe des Anwaltshonorars an die IV-Stelle zurückwies. 
C. 
P.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag auf Rückweisung der Streitsache an die IV-Stelle "zwecks Neubeurteilung der Rentenfrage" bzw. an das kantonale Gericht (eventuell die Verwaltung) "zwecks Entscheid zu den beruflichen Massnahmen". Ausserdem lässt er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersuchen. 
Während die Vorinstanz auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichten IV-Stelle und Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Nach Art. 132 Abs. 1 OG in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG (in Kraft seit 1. Juli 2006) kann das Eidgenössische Versicherungsgericht in Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen in Abweichung von den Art. 104 und 105 OG auch die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung beurteilen und ist an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts nicht gebunden. Gemäss Art. 132 Abs. 2 OG gelten diese Abweichungen nicht, wenn der angefochtene Entscheid Leistungen der Invalidenversicherung betrifft. Nach Ziff. II lit. c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 gilt indessen bisheriges Recht für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängigen Beschwerden. Da die hier zu beurteilende Beschwerde am 1. Juli 2006 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, richtet sich dessen Kognition noch nach Art. 132 Abs. 1 OG
2. 
Die Vorinstanz hat die hier massgebenden gesetzlichen Bestimmungen und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, namentlich diejenigen über den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG sowohl in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen wie auch in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (bis 31. Dezember 2002: Art. 28 altAbs. 2 IVG; vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003: Art. 1 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG; ab 1. Januar 2004: Art. 28 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG; BGE 130 V 348 Erw. 3.4, 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 Erw. 2a und b) sowie zur Beweiswürdigung und zum Beweiswert medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a, 122 V 160 Erw. 1c mit Hinweisen) richtig dargelegt. Hierauf wird verwiesen. 
3. 
3.1 IV-Stelle und kantonales Gericht gelangten in Würdigung der gesamten Aktenlage zum zutreffenden Schluss, dass der Beschwerdeführer die angestammte Schwerarbeit als Pflästerer und Vorarbeiter im Strassenbau zufolge seiner Rückenbeschwerden (chronifiziertes lumbovertebrales Schmerzsyndrom) nicht mehr ausüben kann. Hingegen vermöchte er gemäss den überzeugenden Angaben im rheumatologischen Gutachten des Spitals Y.________ vom 3. Oktober 2003/ 5. Februar 2004 einer leidensangepassten Erwerbstätigkeit (in körperlicher Hinsicht nur leichte Anforderungen; Abwechslung Stehen/Sitzen/ Gehen; kein Heben von Lasten über 15 kg) weiterhin uneingeschränkt ganztags nachzugehen. An dieser Beurteilung ändert der Umstand nichts, dass in einem früheren Bericht des genannten Spitals vom 13. Dezember 2001 die verbliebene Leistungsfähigkeit "an einem nicht rückenbelastenden Arbeitsplatz" auf bloss 50 % veranschlagt wurde. Denn zum einen beruht das spätere Gutachten auf zusätzlich durchgeführten Röntgen-, MRI- sowie computertomographischen Untersuchungen und zum anderen erachtete auch der seinerzeitige Hausarzt Dr. R.________ in seinem Bericht vom 17./18. August 2000 bei rückenschonender Erwerbstätigkeit ein ganztägiges Arbeitspensum als für den Versicherten zumutbar. Diese hausärztliche Stellungnahme stimmt denn auch nicht nur mit den Schlussfolgerungen im erwähnten Gutachten des Spitals Y.________ vom 3. Oktober 2003/5. Februar 2004 überein, sondern auch mit den frühesten (prognostischen) Beurteilungen dieses Spitals vom 21. Februar und 10. März 2000, laut denen "nach Stabilisierung des Zustandes in einigen Wochen (eine) nicht rückenbelastende Tätigkeit uneingeschränkt zumutbar" sein werde. Entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit nicht auf die singulär gebliebene Einschätzung einer nur hälftigen Arbeitsfähigkeit bei Ausübung leidensangepasster Arbeiten gemäss Spitalbericht vom 13. Dezember 2001 abzustellen, zumal für den gesamten Verlauf bis zum Einspracheentscheid vom 13. Juli 2005 keinerlei Hinweise für eine wesentliche Verschlechterung der Rückenbeschwerden bestehen. 
3.2 Letzteres gilt auch mit Bezug auf die im Bericht des Psychiaters Dr. M.________ vom 30. Januar 2003 diagnostizierte leichte somatoforme Schmerzstörung, welche im Falle des Beschwerdeführers kein psychisch invalidisierendes Leiden darstelle, weil deren Folgen mit einer zumutbaren Willensanstrengung überwindbar seien. Angesichts der vom Eidgenössischen Versicherungsgericht aufgestellten strengen Kriterien für die in Ausnahmefällen mögliche Bejahung einer invalidisierenden Leistungseinbusse aufgrund einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (BGE 132 V 70 ff. Erw. 4.2.1 und 4.2.2, 131 V 50 Erw. 1.2, 130 V 352) ist hier ohne ergänzende psychiatrische Abklärung davon auszugehen, dass sich die zu berücksichtigenden Umstände bis zum Zeitpunkt des Einspracheentscheids nicht in relevantem Ausmass verändert haben. 
4. 
4.1 Was die erwerblichen Auswirkungen der Rückenbeschwerden anbelangt, wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zunächst eingewendet, IV-Stelle und kantonales Gericht hätten eine unzureichende Konkretisierung der Verweisungstätigkeiten vorgenommen. 
Nach der Rechtsprechung dürfen an die Konkretisierung von Arbeitsgelegenheiten und Verdienstaussichten nicht übermässige Anforderungen gestellt werden. Die Sachverhaltsabklärung hat nur soweit zu gehen, dass im Einzelfall eine zuverlässige Ermittlung des Invaliditätsgrades gewährleistet ist (SVR 2003 IV Nr. 11 S. 33 Erw. 2.5 [Urteil L. vom 18.10.02, I 761/01]). Im Lichte dieser Rechtsprechung hat die Verwaltung die trotz Rückenleiden weiterhin zumutbaren Verweisungstätigkeiten hinreichend konkretisiert, indem sie in ihrer Verfügung vom 25. Mai 2004 als Beispiele für körperlich wenig anspruchsvolle Überwachungsfunktionen und Arbeitsstellen im Dienstleistungssektor die behinderungsangepassten Tätigkeiten als Kontrolleur, Parkplatzwächter und Receptionist anführte. Auf jeden Fall stünde dem Beschwerdeführer auf dem für ihn in Frage kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG) trotz körperlicher Einschränkung noch ein äusserst breites Spektrum erwerblicher Betätigung offen. Auch diesbezüglich können zusätzliche Abklärungen unterbleiben. 
4.2 Ferner macht der Versicherte mit Blick auf BGE 126 V 79 Erw. 5b geltend, bei der Festsetzung eines bloss 10%igen Abzugs vom LSE-Tabellenlohn werde das Kriterium der Anzahl Dienstjahre ausser Acht gelassen. 
Der Beschwerdeführer war während mehr als 17 Jahren (darin nicht enthalten ein Unterbruch von knapp drei Jahren) für die letzte Arbeitgeberfirma tätig. Tritt er nun eine neue Stelle an, verliert er den lohnrelevanten Vorteil der bisherigen Dienstjahre. Es ist indessen nicht aus den Augen zu verlieren, dass eine lange Dienstdauer beim gleichen Arbeitgeber auf dem hypothetischen ausgeglichenen Arbeitsmarkt durchaus positiv gewertet wird, indem die durch die langjährige Betriebstreue ausgewiesene Zuverlässigkeit und Tüchtigkeit sich bei einem anderen Arbeitgeber im Anfangslohn niederschlägt. Vor allem aber bleibt zu beachten, dass die Bedeutung der Dienstjahre im privaten Sektor abnimmt, je niedriger das Anforderungsprofil ist (BGE 126 V 79 Erw. 5a/cc mit Hinweis; Urteil Y. vom 25. Juli 2005, U 420/04). Dem Aspekt der geringen Anzahl Dienstjahre kommt deshalb hier keine ins Gewicht fallende Bedeutung zu. 
5. 
Nach dem Gesagten ist die von der Verwaltung vorgenommene, vorinstanzlich bestätigte Invaliditätsbemessung nicht zu beanstanden. Beim zutreffend ermittelten Invaliditätsgrad von 33 % entfällt der geltend gemachte Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 IVG). 
Des Weitern hat das kantonale Gericht im angefochtenen Entscheid zu Recht erkannt (und insoweit auch hinreichend begründet), dass es dem Beschwerdeführer am Eingliederungswillen fehlt, womit auch berufliche Massnahmen von vornherein nicht in Frage kommen. Soweit in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf die während der BEFAS-Abklärung vom Herbst 2002 gezeigte "gute Motivation" verwiesen wird, übersieht der Versicherte, dass auch sein Hausarzt Dr. S.________ im Bericht vom 2. Dezember 2002 ausführte, der Beschwerdeführer sei unkooperativ und wehre sich gegen eine Vermittlung in die freie Wirtschaft. Schliesslich sind, obwohl der Versicherte am 9. August 2001 im Fragebogen für die Stellenvermittlung seine Bereitschaft bekundete, "sich regelmässig selbst zu bewerben", keinerlei Stellenbemühungen aktenkundig. 
6. 
Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten erweist sich daher als gegenstandslos. Die unentgeltliche Verbeiständung kann hingegen gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Advokat Dr. Marco Biaggi, Basel, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes, Zürich, zugestellt. 
Luzern, 11. August 2006 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: