Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_978/2021  
 
 
Urteil vom 11. August 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Hugi Yar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Wicki, 
 
gegen  
 
Amt für Migration des Kantons Luzern, Fruttstrasse 15, 6002 Luzern, 
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, 
Bahnhofstrasse 15, 6003 Luzern. 
 
Gegenstand 
Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung, vom 28. Oktober 2021 (7H 20 248). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die ukrainische Staatsangehörige C.B.________ (geb. 1976) ist seit dem 22. April 2002 mit dem Schweizer Bürger D.B.________ (geb. 1950) verheiratet. Sie verfügt mittlerweile auch über das Schweizer Bürgerrecht. Das Ehepaar B.________ versuchte wiederholt erfolglos, die ukrainische Mutter bzw. Schwiegermutter A.________ (geb. 1942) in die Schweiz nachzuziehen. Diese hat sich regelmässig jeweils während 6 Monaten pro Jahr bei ihrer Tochter und beim Schwiegersohn in der Schweiz aufgehalten; die restliche Zeit lebte sie in "Lwiw" (Lemberg) in einer Eigentumswohnung.  
 
A.b. Am 30. Dezember 2018 kam A.________ erneut in die Schweiz, wo sie am 2. Januar 2019 einen "Augeninfarkt" ("Amaurosis fugax") auf dem rechten Auge erlitt; sie verfügt heute deshalb über eine deutlich verminderte Sehschärfe, da sie ihr linkes Auge bereits durch einen Unfall in der Kindheit verloren hat und auf dieser Seite deshalb ein Glasauge trägt. Zudem leidet sie an einer koronaren Herzkrankheit und befindet sich in einem schlechten Allgemeinzustand.  
 
A.c. Der Schwiegersohn von A.________ lebt im Rollstuhl und wird zu Hause durch seine Gattin gepflegt, welche hierfür den Lehrgang Pflegehelfer/-in des Schweizerischen Roten Kreuzes absolviert hat. Sie wird in einer privaten Spitexlösung für diese Arbeit entschädigt. Daneben nimmt sie sich des gemeinsamen Kindes (geb. 2017) an.  
 
B.  
Am 29. März 2019 ersuchte A.________ darum, ihr eine Aufenthaltsbewilligung zur erwerbslosen Wohnsitznahme bzw. eine Aufenthaltsbewilligung im Familiennachzug zu ihrer Tochter zu erteilen. Das Amt für Migration des Kantons Luzern wies das Gesuch am 28. Juli 2020 ab. Die hiergegen gerichteten kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements vom 5. November 2020 und Urteil des Kantonsgerichts vom 28. Oktober 2021). Die kantonalen Behörden gingen davon aus, dass A.________ keine Rentnerinnenbewilligung ausgestellt werden könne (Art. 28 AIG), da sie ausserhalb der Familie ihrer Tochter keine besonderen persönlichen Beziehungen zur Schweiz unterhalte. Sie könne sich nicht auf den Schutz ihres Familienlebens berufen (Art. 8 EMRK und 13 Abs. 1 BV), weil kein Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer Tochter im Sinne der Rechtsprechung bestehe. Gemäss der bundesgerichtlichen Praxis sei das Nachzugsrecht für Verwandte in aufsteigender Linie von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern (Art. 42 Abs. 2 lit. b AIG) schliesslich - trotz der allenfalls daraus resultierenden Inländerdiskriminierung im Vergleich zur Regelung im FZA (SR 0.142.112.681) - so anzuwenden, wie der Gesetzgeber dies vorgesehen habe. 
 
C.  
A.________ beantragt vor Bundesgericht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bzw. subsidiärer Verfassungsbeschwerde, das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 28. Oktober 2021 aufzuheben und ihr die beantragte Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. A.________ macht geltend, sie stehe zu ihrer Tochter in einem Abhängigkeitsverhältnis, "da die minimal gebotene Betreuung, Pflege und Finanzierung ausnahmsweise nur durch die einzig vorhandene Bezugsperson (Tochter) in der Schweiz erbracht (und finanziert) werden" könne. Die Vorinstanz habe die Pflege- und Unterbringungsmöglichkeiten in ihrer Heimat nur abstrakt geprüft, hingegen nicht bezogen auf ihre konkrete Situation und auf die spezifischen Verhältnisse im ukrainischen Gesundheitssystem. 
Das Kantonsgericht Luzern beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Vom Amt für Migration sowie dem Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern sind keine Stellungnahmen eingegangen. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat sich nicht vernehmen lassen. A.________ hat an ihren Ausführungen und Anträgen festgehalten. 
Der Abteilungspräsident legte der Beschwerde am 7. Dezember 2021 aufschiebende Wirkung bei. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide ausgeschlossen, welche Bewilligungen betreffen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Die Beschwerdeführerin macht in vertretbarer Weise geltend, gestützt auf Art. 8 EMRK (Art. 13 Abs. 1 BV) über einen Anspruch auf Familiennachzug zu verfügen, da sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer Schweizer Tochter stehe. Ob dies zutrifft, bildet eine Frage der materiellen Beurteilung und keine solche des Eintretens (vgl. BGE 139 I 330 E. 1.1; Urteil 2C_396/2021 vom 27. Mai 2021 E. 1.2).  
 
1.2. Nicht in vertretbarer Weise geltend gemacht wird hingegen der Anspruch aus Art. 42 Abs. 2 lit. b AIG: Danach haben die eigenen ausländischen Verwandten und die ausländischen Verwandten des Ehegatten von Schweizer Staatsbürgern in aufsteigender Linie Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie im Besitz einer dauerhaften Aufenthaltsbewilligung eines Staates sind, mit dem ein Freizügigkeitsabkommen besteht, und ihnen Unterhalt gewährt wird. Die Schweiz und die Ukraine haben kein entsprechendes Abkommen unterzeichnet. Praxisgemäss ist in diesem Zusammenhang - wie die Vorinstanz zutreffend darlegt (E. 4 des angefochtenen Entscheids) - die Berufung auf eine Inländerdiskriminierung im Verhältnis zu EU- und EFTA-Bürgern nicht zielführend. Zwar hat das Bundesgericht in einem Appellentscheid die entsprechende Inländerdiskriminierung als konventionswidrig kritisiert (BGE 136 II 120 ff. E. 3.5.3 in fine: Art. 8 i.V.m. Art. 14 EMRK); nachdem der Gesetzgeber von deren Behebung bisher jedoch ausdrücklich abgesehen hat, besteht für das Bundesgericht im Rahmen von Art. 190 BV derzeit keine Veranlassung, auf die entsprechende (inzwischen gefestigte) Rechtsprechung zurückzukommen (vgl. die Urteile 2C_354/2011 vom 13. Juli 2012 E. 2.6 u. 2.7; 2C_836/2019 vom 18. März 2020 E. 2 und 2C_678/2021 vom 6. Dezember 2021 E. 5.4.2).  
 
1.3. Ob die kantonalen Behörden den Familiennachzug in Anwendung von Art. 28 (Rentnerinnen und Rentner), Art. 29 (Medizinische Behandlung) oder Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG (allgemeiner Härtefall) hätten bewilligen müssen, kann das Bundesgericht nicht prüfen, da sich seine Zuständigkeit auf Anspruchsbewilligungen beschränkt und es sich bei den Bewilligungen nach den genannten Artikeln - wovon auch die Beschwerdeführerin ausgeht - um Ermessensentscheide handelt (Urteile 2C_642/2021 vom 3. September 2021 E. 1.2 und 2C_396/2021 vom 27. Mai 2021 E. 1.3). Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde im Sinne der "Star"-Praxis (BGE 114 Ia 307 E. 3c) geltend macht, der Sachverhalt sei willkürlich festgestellt bzw. die Beweise seien willkürlich gewürdigt und ihre Anträge in willkürlicher antizipierter Beweiswürdigung abgewiesen worden, ist auf ihre Vorbringen nicht weiter einzugehen: Die entsprechenden verfahrensrechtlichen Rügen können nicht von der jeweiligen Bewilligungsfrage (Art. 28, 29 und Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG) getrennt beurteilt werden. Es ist auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde deshalb nicht einzutreten (vgl. die Urteile 2C_367/2022 vom 17. Mai 2022 E. 2.3 und 2C_396/2021 vom 27. Mai 2021 E. 1.3; BGE 137 II 305 E. 2 und 4).  
 
1.4. Da (auch) die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind (Art. 42, 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. d, 89 Abs. 1, 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG), ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einzutreten (vorstehende E. 1.1), indessen nicht auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (vorstehende E. 1.3).  
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die vorgebrachten Argumente, falls weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2; 136 II 304 E. 2.5). Das Bundesgericht ist an den Sachverhalt gebunden, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser erweise sich in einem entscheidwesentlichen Punkt als offensichtlich falsch oder unvollständig bzw. er sei in Verletzung von Art. 95 BGG festgestellt worden (BGE 142 I 135 E. 1.6; 133 II 249 E. 1.4.3).  
 
2.2. Inwiefern die vorinstanzliche Beweiswürdigung und die Sachverhaltsfeststellung klarerweise unhaltbar sein sollen, muss in der Beschwerdeschrift detailliert aufgezeigt werden (vgl. BGE 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen; 134 II 244 E. 2.2). Es genügt dabei nicht, wie die Beschwerdeführerin dies teilweise tut, lediglich einzelne Elemente aufzugreifen, die anders als im angefochtenen Entscheid hätten gewichtet werden können, und dem Bundesgericht in appellatorischer Kritik diesbezüglich bloss die eigene Auffassung zu unterbreiten, ohne in Auseinandersetzung mit der Begründung im angefochtenen Entscheid darzutun, dass und inwiefern der Sachverhalt in Verletzung von Art. 29 Abs. 2 (rechtliches Gehör) oder Art. 9 BV (Willkür) festgestellt worden ist bzw. die Beweiswürdigung sich als offensichtlich fehlerhaft erweist (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 116 Ia 85 E. 2b). Soweit die Ausführungen der Beschwerdeführerin diesen Vorgaben nicht genügen, wird im Folgenden darauf nicht weiter eingegangen.  
 
2.3. Hinsichtlich des (zeitlich relevanten) Sachverhalts - und insbesondere der aktuellen Kriegssituation in der Ukraine - ist Folgendes zu präzisieren: Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen im bundesgerichtlichen Verfahren nur insoweit geltend gemacht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz hierzu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht darf seinem Urteil keine Tatsachen und Beweismittel zugrunde legen, die nicht bereits zum Zeitpunkt des vorinstanzlichen Entscheids existierten bzw. die betroffene Person nicht schon der Vorinstanz hätte vorlegen können (vgl. BGE 136 III 123 E. 4.4.3). Ob im vorliegenden Verfahren der nach dem angefochtenen Entscheid ausgebrochene Krieg in der Ukraine als Novum zu gelten hat oder als notorischer Umstand von Amtes wegen zu berücksichtigen ist (vgl. die Urteile 2C_815/2020 vom 11. Februar 2021 E. 2.2; 2C_80/2020 vom 15. Oktober 2020 E. 2; 1C_91/2018 vom 29. Januar 2019 E. 2.1 und 2C_226/2015 vom 13. Dezember 2015 E. 1.2), kann dahingestellt bleiben, da sich die Beschwerde - wie zu zeigen sein wird - so oder anders als begründet erweist.  
 
3.  
 
3.1. Art. 8 Ziff. 1 EMRK garantiert grundsätzlich keinen Anspruch auf Aufenthalt in einem Konventionsstaat (BGE 144 II 1 E. 6.1; 137 I 247 E. 4.1.1; Urteil des EGMR Gezginci Cevdet gegen Schweiz vom 9. Dezember 2010 [Nr. 16327/05] § 54). Dennoch kann das in Art. 8 Ziff. 1 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens berührt sein, wenn einer ausländischen Person mit in der Schweiz aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen das Zusammenleben verunmöglicht wird (BGE 144 II 1 E. 6.1; 143 I 21 E. 5.1). Nach der Rechtsprechung bezieht sich der Schutz des Familienlebens nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK in erster Linie auf die Kernfamilie (Ehegatten und minderjährige Kinder); andere familiäre Beziehungen, namentlich diejenigen zwischen Eltern und erwachsenen Kindern, stehen nur ausnahmsweise unter dem Schutz von Art. 8 EMRK, nämlich dann, wenn ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht (BGE 144 II 1 E. 6.1; 137 I 154 E. 3.4.2; Urteil 2C_779/2021 vom 9. Mai 2022 E. 3; Urteil des EGMR Emonet und andere gegen Schweiz vom 13. Dezember 2007 [Nr. 39051/03] § 35).  
 
3.2. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis kann sich unabhängig vom Alter namentlich aus besonderen Betreuungs- oder Pflegebedürfnissen wie bei körperlichen oder geistigen Behinderungen und schwerwiegenden Krankheiten ergeben (BGE 120 Ib 257 E. 1e; 115 Ib 1 E. 2d). Nach der bundesgerichtlichen Praxis soll ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern indessen nicht leichthin angenommen werden. Allein das Vorliegen eines Pflege- und Betreuungsbedürfnisses genügt nicht; erforderlich ist zusätzlich, dass die betreffende Pflege- und Betreuungsleistung unabdingbar von (anwesenheitsberechtigten) Angehörigen erbracht werden muss (Urteile 2C_779/2021 vom 9. Mai 2022 E. 3.2; 2C_279/2021 vom 16. November 2021 E. 4.2; 2C_396/2021 vom 27. Mai 2021 E. 3.3; 2C_757/2019 vom 21. April 2020 E. 2.2.1; 2C_401/2017 vom 26. März 2018 E. 5.3.1). Besteht kein derartiges Abhängigkeitsverhältnis, ergibt sich kein Bewilligungsanspruch gestützt auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK (Urteile 2C_ 779/2021 vom 9. Mai 2022 E. 3.2; 2C_339/2019 vom 14. November 2019 E. 3.5; 2C_867/2016 vom 30. März 2017 E. 2.2).  
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz hat diese Rechtsprechung zutreffend wiedergegeben. Zwar ergibt sich, wovon sie ausgegangen ist, aus dem bei den Akten liegenden Consulting-Bericht des SEM vom 19. November 2019, dass die gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführerin auch in der Ukraine behandelt werden können und ihre Betreuung in einem Heim oder im Privathaushalt potentiell möglich wäre, doch hat sie bei ihrem Entscheid den spezifischen Umständen des Einzelfalls zu wenig Rechnung getragen.  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin erlitt im Januar 2019 eine akute Sehverminderung ("Amaurosis fugax") auf dem rechten Auge. Das linke Auge hat sie in der Kindheit durch einen Unfall verloren; sie trägt auf dieser Seite ein Glasauge. Die Beschwerdeführerin leidet zudem an einer koronaren Herzkrankheit und befindet sich in einem schlechten Allgemeinzustand. Eine Ergometrie (Belastungs-EKG oder Belastungselektrogramm) musste im März 2019 wegen Erschöpfung abgebrochen werden. Die Beschwerdeführerin wünscht keine weiteren Untersuchungen mehr, sondern lediglich eine palliative (medikamentöse) Behandlung des Herzleidens (so das unbestritten gebliebene Medizinische Consulting des SEM vom 19. November 2019).  
 
4.3. Der konkrete Fall grenzt sich von den bisher beurteilten Sachverhalten (vgl. vorstehende E. 3.2) und den von der Vorinstanz zitierten Urteilen in mehreren Punkten entscheidwesentlich ab:  
 
4.3.1. Die Beschwerdeführerin erlitt im Rahmen eines rechtmässigen Aufenthalts in der Schweiz notfallmässig einen sog. "Augeninfarkt", der sie praktisch erblinden liess. Es kann deshalb - anders als die Vorinstanz dies bewertet hat - nicht gesagt werden, dass sie mit ihrem Aufenthalt in der Schweiz "vollendete Tatsachen" geschaffen hätte und ihre seither eingetretenen gesundheitlichen Probleme deshalb nicht mitberücksichtigt werden dürften (vgl. das Urteil 2C_396/2021 vom 27. Mai 2021 E. 4.1). Eine Rückreise war danach wegen der Pandemie-Massnahmen nicht (mehr) möglich und die ukrainischen Alters- und Pflegeheime nahmen denn auch keine neuen Patientinnen und Patienten mehr auf.  
 
4.3.2. Die Schweizer Tochter der Beschwerdeführerin pflegt hier ihren Ehegatten, der nach einem Schlaganfall mit zwei sog. "Streifungen" an einer beinbetonten Tetraparese leidet und deshalb teilweise gelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen ist. Die Gattin hat für seine Pflege ihre bisherige Arbeit aufgegeben und sich beim Roten Kreuz weitergebildet. Die Eheleute verfügen über eine grosse Eigentumswohnung und sind bereit, die Mutter bzw. Schwiegermutter aufzunehmen, zu pflegen und für ihre Kosten aufzukommen. Sie haben ihr hierfür ein eigenes Konto eröffnet und dieses mit Fr. 80'000.-- dotiert. Es bestehen mit Blick auf die finanzielle Situation der Tochter und ihrer Familie keine Hinweise darauf, dass die entsprechende Zusicherung nicht nachhaltig wäre. Im Übrigen steht es den kantonalen Behörden frei, die beantragte Bewilligung gegebenenfalls nur mit einem entsprechenden Vorbehalt bzw. einer entsprechenden Bedingung zu erteilen, wie das Amt für Migration dies offenbar bereits in anderen Fällen getan hat.  
 
4.3.3. Vorbehältlich der aktuellen Kriegssituation wäre eine Pflege und Betreuung in der Ukraine zwar (abstrakt gesehen) möglich (gewesen), doch ist nicht zu verkennen, dass die Beschwerdeführerin dort, was nicht bestritten ist, über keine Bezugspersonen mehr verfügt. Sie hat sich über Jahre hinweg, im Rahmen des bewilligungsfrei möglichen Aufenthalts jeweils während sechs Monaten bei ihrer Tochter und deren Familie in der Schweiz aufgehalten (vgl. zu einer analogen Situation das Urteil 2C_779/2021 vom 9. Mai 2022 E. 5), wobei diese jeweils die entsprechenden Kosten trugen und die für sie erforderlichen Garantien leisteten.  
 
4.3.4. Im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Gatten würde bei einer Pflege- und Betreuungslösung in der Heimat die familiären Kontakte in weitgehender Weise eingeschränkt; deren besuchsweise Wahrnehmung wäre faktisch kaum mehr möglich, da die erblindete Beschwerdeführerin nicht mehr selbständig in die Schweiz reisen kann. Auch ein Austausch über die verschiedenen neuen Kommunikationsformen (Skype usw.) wäre für sie als 80-jährige - praktisch erblindete - Person wohl nicht mehr möglich.  
 
4.3.5. Die Vorinstanz weist - wieder unter Vorbehalt der aktuellen Kriegssituation - zwar zu Recht darauf hin, dass eine private Betreuung der Beschwerdeführerin auch in ihrer Wohnung in der Ukraine erfolgen könnte, doch erwiese sich die Überwachung und Koordination der entsprechenden Betreuung von der Schweiz aus - aus praktischen Gründen - als schwierig bis sehr schwierig. Die Tochter der Beschwerdeführerin müsste hierfür sinnvollerweise regelmässig in die Ukraine reisen, was die Pflege und Betreuung ihres Gatten und des gemeinsamen Kindes beeinträchtigen würde; die entsprechende Lösung wäre zudem - wie sich aus den von der Beschwerdeführerin zu den Akten gegebenen und von der Vorinstanz nicht weiter berücksichtigten Unterlagen ergibt - mit zusätzlichen, nicht unerheblichen Kosten verbunden.  
 
5.  
 
5.1. Nach dem Dargelegten ist davon auszugehen, dass zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer praktisch blinden und auch anderweitig gesundheitlich angeschlagenen Mutter wegen der spezifischen Umstände des Einzelfalls (Erblindung, intensive Pflegebedürftigkeit des Gatten usw.) ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK überwiegt prima vista das private Interesse der Beschwerdeführerin das öffentliche, die Zuwanderung zu steuern, weil und soweit die Beschwerdeführerin hier nicht auf Sozialhilfe- bzw. Ergänzungsleistungen angewiesen ist (vgl. das Urteil 2C_396/2021 vom 27. Mai 2021 E. 4). Die Beschwerde wird in diesem Sinn gutgeheissen und die Sache zu neuem Entscheid und der erforderlichen abschliessenden Interessenabwägung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK, welche sachverhaltsmässig auch die neue tatsächliche Situation in der Ukraine mitzuberücksichtigen haben wird, an die Vorinstanz zurückgewiesen (Art. 107 Abs. 2 BGG).  
 
5.2. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 3 BGG). Der Kanton Luzern hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG). Die Vorinstanz hat zudem über die Kosten- und Entschädigungsfrage für die kantonalen Verfahren neu zu befinden (Art. 107 Abs. 2 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 28. Oktober 2021 aufgehoben. Die Sache wird zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.  
 
1.2. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.  
 
2.  
 
2.1. Es werden keine Kosten erhoben.  
 
 
2.2. Der Kanton Luzern hat den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.  
 
2.3. Die Vorinstanz hat die Kosten- und Entschädigungsfrage für die kantonalen Verfahren neu zu regeln.  
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 11. August 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar