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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1047/2018  
 
 
Urteil vom 19. Februar 2019  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichtbeachten eines Signals; Willkür, Unschuldsvermutung etc., 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 27. September 2018 (SST.2018.224). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 9. August 2018 verurteilte der Bezirksgerichtspräsident Baden X.________ wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichtbeachten des Vorschriftsignals "Verbot für Motorwagen" zu Fr. 100.-- Busse. Seine dagegen erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Aargau am 27. September 2018 ab. 
 
B.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, er sei freizusprechen, eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, eine Strasse trotz allgemeinen Fahrverbots befahren zu haben, macht aber geltend, er habe eine erlaubte Zubringerfahrt getätigt. Indem ihm die Vorinstanz die Beweislast hierfür auferlege, verletze sie die Unschuldsvermutung. Zudem genügten ihre Ausführungen der Begründungspflicht nicht. 
 
1.1.  
 
1.1.1. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 317 E. 5.4). Dies ist der Fall, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1). Die Willkürrüge muss explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden; hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der Anfechtung kantonalen Rechts und des Sachverhalts wegen Willkür) bestehen qualifizierte Rügeanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein.  
Dem Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel kommt im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 143 IV 500 E. 1.1 mit Hinweis). Als Beweislastregel ist der Grundsatz verletzt, wenn das Gericht einen Angeklagten einzig mit der Begründung verurteilt, er habe seine Unschuld nicht nachgewiesen. Dies prüft das Bundesgericht mit freier Kognition (Urteil 6B_976/2017 vom 14. November 2018 E. 2.2). 
 
1.1.2. Bildeten ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens (Art. 398 Abs. 4 StPO), prüft das Bundesgericht frei, ob die Vorinstanz auf eine gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebrachte Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung hin zu Unrecht Willkür verneint hat. Der Beschwerdeführer muss sich bei der Begründung der Rüge, die Vorinstanz habe Willkür zu Unrecht verneint, auch mit den Erwägungen der ersten Instanz auseinandersetzen. Das Bundesgericht nimmt keine eigene Beweiswürdigung vor (BGE 125 I 492 E. 1a/cc; Urteile 6B_152/2017 vom 20. April 2017 E. 1.3; 6B_894/2016 vom 14. März 2017 E. 2.1; je mit Hinweisen).  
 
1.2. Die Vorinstanz erwägt, das Erstgericht habe eine Zubringerfahrt und infolgedessen eine Ausnahme vom signalisierten Verbot willkürfrei verneint. Es habe berücksichtigen dürfen, dass der Beschwerdeführer die Namen der angeblich besuchten Person sowie der Beifahrerin nicht genannt habe, was unter den gegebenen Umständen zu erwarten gewesen wäre. Darin liege keine Verletzung der Unschuldsvermutung. Auch verletze das Erstgericht nicht die Begründungspflicht, indem es den "Hilfsbeweisantrag" des Beschwerdeführers auf statistische Auswertung abgewiesen habe. Es habe sich auf die wesentlichen Vorbringen beschränken dürfen.  
 
1.3. Was der Beschwerdeführer geltend macht, belegt weder Willkür noch eine Verletzung von Bundesrecht.  
 
1.3.1. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, ist es nicht zu beanstanden, wenn das Erstgericht bei der Beweiswürdigung berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer weder den Namen der angeblich besuchten Person noch denjenigen seiner damaligen Begleiterin nannte. Zumindest letzteres ist unter der Annahme, er habe eine Zubringerfahrt getätigt, nicht nachvollziehbar. Dass es sich bei der Beifahrerin mittlerweile um seine Ex-Freundin handelt und diese geneigt sein könnte, ihn - in einem Ordnungsbussenverfahren - wahrheitswidrig zu belasten, wie er behauptet, überzeugt nicht. Jedenfalls vermag es den Schluss der Vorinstanzen, die geltend gemachte Zubringerfahrt beruhe auf einer Schutzbehauptung, nicht als unhaltbar erscheinen zu lassen. Gleiches gilt, wenn sie den Umstand, dass der Beschwerdeführer dies stets behauptet hat, nicht zu seinen Gunsten werten. Selbst wenn seine Angaben im Übrigen glaubhafter sein sollten als die Annahme einer Schutzbehauptung, genügte dies zum Nachweis von Willkür nicht (oben E. 1.1.1). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war ihm die Benennung der Zeugin zum Nachweis einer Zubringerfahrt möglich und zumutbar. Indem die Vorinstanzen solches verlangen, verletzen sie weder die Unschuldsvermutung noch statuieren sie eine Beweislastumkehr. Ebenso wenig werten sie die Nichtbenennung der Zeugen als zusätzliches belastendes Indiz für die Schuld des Beschwerdeführers. Indes verkennt er, dass ihn hinsichtlich des Vorhandenseins entlastender Umstände eine Substanziierungslast trifft (ESTHER TOPHINKE, in Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 21 zu Art. 10 StPO). Er hat daher ungeachtet der Unschuldsvermutung die Konsequenzen zu tragen, wenn er eine Ausnahme vom allgemeinen Fahrverbot behauptet, aber die Namen ihm bekannter, ihn möglicherweise entlastender Zeugen nicht nennt. An der Täterschaft des Beschwerdeführers besteht aufgrund des Radarfotos im Übrigen kein Zweifel. Er zeigt auch nicht auf und es ist nicht ersichtlich, welche anderen als die vorliegenden Beweise die Vorinstanzen unter dem Aspekt des Untersuchungsgrundsatzes hätten erheben können und müssen, um die Behauptung, er habe eine Zubringerfahrt getätigt, zu erhärten. Ohnehin sind negative Tatsachen - dass es sich nicht um eine Zubringerfahrt handelte - seitens der Staatsanwaltschaft nach dem auch im Strafrecht geltenden Grundsatz "negativa non sunt probanda" nicht zu beweisen (vgl. Urteile 6B_170/2010 vom 17. Juni 2010 E. 5 und 6B_1009/2009 vom 11. März 2010 E. 6.1).  
Im Übrigen trifft es nicht zu, dass die Vorinstanzen den Beschwerdeführer einzig mit der Begründung verurteilen würden, er habe seine Unschuld nicht nachgewiesen. Sie stützen sich vielmehr unstreitig - und zu Recht - auf ein Radarfoto, welches ihn beim Befahren der verbotsbelasteten Strasse zeigt. Inwiefern der Umstand, dass er auf dem Foto erkennbar ein Hemd tragen soll, zur Annahme führen müsste, es handle sich um eine geschäftliche Fahrt, ist unerfindlich. Dies gilt erst Recht, als der Tattag ein Sonntag war, wie der Beschwerdeführer mehrmals betont. Ebenso wenig leuchtet ein oder ist dargetan, weshalb die Tatsache, dass er ein Hemd trug, die Anklagebehörde zu weiteren Abklärungen hätte veranlassen müssen, inwiefern der Grundsatz "in dubio pro duriore" verletzt sein und sich die Staatsanwaltschaft treuwidrig verhalten haben soll. Auch eine Verletzung der Begründungspflicht ist nicht ersichtlich. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, braucht nicht auf sämtliche Vorbringen eingegangen zu werden. Dies gilt namentlich für die nicht nachvollziehbare Behauptung, die tatsächlichen Gegebenheiten, etwa vorweihnachtlicher Stress und suboptimales Funktionieren der Post, hätten eine Zubringerfahrt plausibel erscheinen lassen. Es genügt, wenn der angefochtene Entscheid die wesentlichen Überlegungen enthält, auf die sich die Behörde stützt (BGE 141 III 28 E. 3.2.4: 139 IV 179 E. 2.2; 138 IV 81 E. 2.2; je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer konnte ihn denn auch ohne Weiteres an das Bundesgericht weiterziehen. 
 
1.3.2. Als unbegründet erweist sich sodann der Einwand des Beschwerdeführers, wonach durch die Radarüberwachung resp. eine Auskunftspflicht sein Recht auf Privatsphäre gemäss Art. 13 BV sowie kantonales Polizeirecht verletzt sein sollen. Soweit er dies überhaupt substanziiert begründet (oben E. 1.1.1), verkennt er, dass sich nach der bundesgerichtlichen und konventionsrechtlichen Rechtsprechung für Halter und Lenker von Motorfahrzeugen aus der Akzeptanz der Strassenverkehrsgesetzgebung sowie der Fahrberechtigung gewisse Obliegenheiten ergeben. Darunter fallen neben Verhaltenspflichten auch vielfältige Auskunftspflichten gegenüber den Behörden sowie namentlich die Duldungspflicht der beschuldigten Person zur Entnahme von Beweismitteln wie Blut, Atem, Urin ohne ihren Willen (BGE 144 I 242 E. 1.2.3; Urteil 6B_598/2018 vom 7. November 2018 E. 3.6 zur Publ. vorgesehen; je mit Hinweisen). Dies muss erst recht für die weit weniger einschneidende Erfassung einer Person mittels Radaraufnahme gelten. Gemäss vorgenannter Rechtsprechung hat der eine Auskunft verweigernde Fahrzeuglenker zudem die Konsequenzen seiner Weigerung zu tragen.  
 
1.3.3. Nicht einzugehen ist schliesslich auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach der an der fraglichen Strasse aufgestellte Radar des Öfteren bei Dritten zu ungerechtfertigten Ordnungsbussen führen dürfte. Zu dieser Rüge ist er mangels eigener Betroffenheit nicht befugt. Gleiches gilt, wenn er vorbringt, die Radarerfassung sämtlicher Strassenbenützer statuiere einen unzulässigen Generalverdacht.  
 
2.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 3'000.--. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. Februar 2019 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt