Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.255/2004 /bnm 
 
Urteil vom 15. März 2005 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Ersatzrichter Riemer, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
1. X.________, 
2. Y.________, 
3. Z.________, 
Berufungskläger, 
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Peyer, 
 
gegen 
 
Kantonsgericht St. Gallen, Einzelrichter für Rekurse im Personen-, Erb- und Sachenrecht, Klosterhof 1, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Verwaltungsbeistandschaft nach Art. 393 Ziff. 4 ZGB
 
Berufung gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Einzelrichter für Rekurse im Personen-, Erb- und Sachenrecht, vom 28. Oktober 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 30. April 2004 errichtete die Vormundschaftsbehörde der Stadt A.________ für den Verein W.________ eine Verwaltungsbeistandschaft im Sinne von Art. 393 Ziff. 4 ZGB; gleichzeitig wurden X.________, Y.________ und Z.________ angewiesen, dem Beistand sachdienliche Informationen und Unterlagen zukommen zu lassen. 
B. 
Hiergegen erhoben X.________, Y.________ und Z.________ Beschwerde, welche das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 17. Juni 2004 abwies, soweit es darauf eintrat. Den gegen diesen Entscheid eingereichten Rekurs wies der Einzelrichter für Rekurse im Personen-, Erb- und Sachenrecht am Kantonsgericht St. Gallen, (nachfolgend: der Einzelrichter), mit Entscheid vom 28. Oktober 2004 ab, soweit er darauf eintrat, und fasste die genannten Anweisungen zeitlich neu. Er gelangte insbesondere zum Schluss, den Rekurrenten fehle es an der Beschwerdebefugnis hinsichtlich der Errichtung der Beistandschaft, weshalb der Nichteintretensentscheid nicht zu beanstanden sei. Im Übrigen habe das Departement mit der Anordnung der Beistandschaft das ihm zustehende Ermessen nicht überschritten. 
C. 
X.________, Y.________ und Z.________ haben gegen diesen Entscheid Berufung beim Bundesgericht erhoben mit dem Antrag, die drei vorerwähnten Entscheide aufzuheben und der Berufung aufschiebende Wirkung zu erteilen. Es wurde keine Berufungsantwort eingeholt. 
D. 
Bezüglich ihres Antrages auf aufschiebende Wirkung wurden die Berufungskläger bereits durch den Präsidenten der II. Zivilabteilung auf Art. 54 Abs. 2 Satz 2 OG hingewiesen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Auch wenn das Verfahren vor den Vorinstanzen als Beschwerdeverfahren im Sinne von Art. 420 ZGB behandelt wurde (vgl. bes. Entscheid vom 17. Juni 2004 S. 5, Entscheid vom 28. Oktober 2004 S. 5), ist vor Bundesgericht kraft besonderer Norm (Art. 44 lit. e OG) die Berufung gegeben (vgl. auch BGE 118 Ia 477). 
1.2 Nicht einzutreten ist hingegen auf die Berufung insofern, als die Aufhebung anderer Entscheide als desjenigen des Einzelrichters beantragt wird (Art. 48 Abs. 1 OG). 
1.3 Die Berufung setzt wie jedes Rechtsmittel formelle und materielle Beschwer voraus (BGE 120 II 5 E. 2a S. 7 f.). Ob diese Beschwer für die Berufungskläger mit Bezug auf die Anordnung der Beistandschaft gegeben ist, kann hier offen bleiben, zumal die Berufung diesbezüglich, wie sich aus der nachstehenden Erwägung ergibt, als unbegründet erscheint. 
1.4 Die mit der Einsetzung des Beistandes verbundenen Weisungen, "unmittelbare Folge der Einsetzung des Beistandes", wie die Berufungskläger selber schreiben (Ziff. 2c), sind zwar formell ebenfalls angefochten. Da sich die Berufungskläger damit aber nicht auseinandersetzen, ist diesbezüglich auf die Berufung schon deshalb nicht einzutreten. 
2. 
Die Berufungskläger beanstanden eine Verletzung von Art. 393 Ziff. 4 ZGB, indem sie das Fehlen der erforderlichen Organe verneinen; im Zeitpunkt der Errichtung der Beistandschaft habe der Verein einen im Handelsregister eingetragenen Vorstand gehabt und sei daher voll handlungsfähig gewesen; die Beistandschaft sei unverhältnismässig, verstosse gegen die Privatautonomie und die Vereinsfreiheit und berücksichtige den Unterschied zwischen einem Verein und einer - unter staatlicher Aufsicht stehenden - Stiftung nicht. 
2.1 Gemäss Art. 393 Ziff. 4 ZGB ist für eine juristische Person ein Beistand zu bestellen, solange die erforderlichen Organe mangeln und nicht auf andere Weise für die Verwaltung gesorgt ist. Die neuere bundesgerichtliche Praxis lässt indessen Beistandschaften für juristische Personen auch dann zu, wenn ihre Handlungs- bzw. Funktionsfähigkeit aus anderen Gründen fehlt oder beeinträchtigt ist (vgl. BGE 126 III 499 E. 3a). Dazu gehört auch der Fall unklarer Verhältnisse im Zusammenhang mit der Zusammensetzung eines Vereinsvorstandes (vgl. auch Riemer, Berner Kommentar, Vorbemerkungen zu Art. 64-69 ZGB, N. 57 a.E. mit Hinweisen auf entsprechende kantonale Urteile). Dabei wird es in derartigen, über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden Fällen in der Regel eine Ermessensfrage (Art. 4 ZGB) sein, ob eine Beistandschaft anzuordnen ist (oder andere Massnahmen anzustreben sind) und bejahendenfalls, was der Beistand im Einzelnen vorzukehren hat, um die Handlungs- bzw. Funktionsfähigkeit der juristischen Person auf Dauer wieder herzustellen. Ermessensentscheide dieser Art überprüft das Bundesgericht an sich frei; es übt dabei allerdings Zurückhaltung und greift nur ein, wenn die kantonale Instanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgegangen ist, Gesichtspunkte berücksichtigt hat, die keine Rolle hätten spielen dürfen, oder umgekehrt rechtserhebliche Umstände ausser Acht gelassen hat. Aufzuheben und zu korrigieren sind ausserdem Ermessensentscheide, die sich als im Ergebnis offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (vgl. BGE 123 III 274 E. 1a/cc S. 279 f.; 126 III 223 E. 4a S. 227 f.; 127 III 310 E. 3 S. 313 f.). 
2.2 Der Einzelrichter hat in einer Eventualerwägung über die Frage der Zulässigkeit der Verbeiständung erwogen, der (gemeinnützige) Verein bedürfe der Verbeiständung, um eine gut funktionierende Verwaltung sicherzustellen. Das sei um so wichtiger, als bei ihm öffentliche Interessen auf dem Spiele stünden, er über erhebliche Vermögenswerte verfüge und Aktivitäten entfalte. Dass der Verein ohne Verbeiständung nicht auskomme, begründet der Einzelrichter einmal damit, die Fronten seien seit Jahren verhärtet und immer neue Rechtsstreitigkeiten liessen nicht auf eine Beruhigung der Lage hoffen. Gemäss rechtskräftigem Entscheid des Einzelrichters vom 23. Juni 2003 verfüge der Verein über kein gesichertes Mitglied; der Berufungskläger 1 prozessiere gegen den Verein und stehe deshalb in einem Interessenkonflikt; solange der rechtsunsichere Zustand andauere, bestehe die Gefahr, dass unter Umständen unberechtigte Personen einschneidende, nicht wieder gutzumachende Dispositionen treffen. Zudem bestünden laut dem rechtskräftigen Entscheid des Einzelrichters vom 16. April 2004 weitere blockierende Umstände; damals wie heute gebe es unterschiedliche Meinungen darüber, welchen Personen die Mitgliedschaft zu- bzw. abzusprechen sei. Sodann könne der Verein nicht uneingeschränkt handeln, zumal den Berufungsklägern 1 und 3 verboten worden sei, ihn nach aussen zu vertreten; überdies bleibe sämtlichen Berufungsklägern verwehrt, Mitgliederversammlungen und Vorstandssitzungen durchzuführen; den im Handelsregister eingetragenen Mitgliedern (den Berufungsklägern) sei die Zeichnungsberechtigung abgesprochen worden. 
 
Davon ausgehend, dass die tatsächlichen Feststellungen des Einzelrichters für das Bundesgericht verbindlich sind (Art. 55 Abs. 1 lit. c, 63 Abs. 2 OG) vermögen die Ausführungen der Berufungskläger in der Berufung die infrage stehende Beistandschaft, die der Wiederherstellung der vereinsrechtlichen Handlungsfähigkeit dient, im Lichte der dargelegten Rechtslage nicht als unzulässig und unangemessen erscheinen zu lassen; dieser Schluss rechtfertigt sich nicht zuletzt auch deshalb, weil in der Berufung nicht ernsthaft bestritten wird, dass öffentliche Interessen auf dem Spiele stehen, der Verein über erhebliches Vermögen verfügt, Aktivitäten entfaltet, lähmenden Rechtsstreitigkeiten ausgesetzt ist und dass die Fronten verhärtet sind. 
3. 
Ist mithin keine Verletzung von Art. 393 Ziff. 4 ZGB dargetan, erübrigen sich Ausführungen zu dem in der Berufung ebenfalls erhobenen Vorwurf, der Einzelrichter habe die Beschwerdelegitimation der Berufungskläger zu Unrecht verneint. Nach dem Gesagten ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
4. 
Ausgangsgemäss werden die Berufungskläger für das Berufungsverfahren zu gleichen Teilen kostenpflichtig, je unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag (Art. 153 Abs. 1, 153a, 156 Abs. 7 OG). Die Zusprechung einer Parteientschädigung an die Gegenpartei entfällt mangels Einholung einer Berufungsantwort. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Berufungsklägern zu gleichen Teilen auferlegt, je unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag. 
3. 
Dieses Urteil wird den Berufungsklägern und dem Kantonsgericht St. Gallen, Einzelrichter für Rekurse im Personen-, Erb- und Sachenrecht, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 15. März 2005 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: