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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_753/2018  
 
 
Urteil vom 13. Februar 2019  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Oberholzer, Bundesrichter Rüedi, Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Gültigkeit der Einsprache (Beschimpfung und Drohung); Zustellfiktion, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 19. Juni 2018 (BK 18 174). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland verurteilte den Beschwerdeführer mit Strafbefehl vom 13. Dezember 2017 wegen Beschimpfung (mehrfach) und Drohung (mehrfach) zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je Fr. 90.--. Der Strafbefehl wurde per Einschreiben an die Adresse des Beschwerdeführers versandt, konnte jedoch nicht persönlich zugestellt werden und wurde dem Beschwerdeführer daher mittels Abholeinladung am 15. Dezember 2017 zur Abholung gemeldet. Am 27. Dezember 2017 wurde der Strafbefehl mit dem Vermerk "nicht abgeholt" retourniert. Die Staatsanwaltschaft übermittelte dem Beschwerdeführer den Strafbefehl am 15. Januar 2018 erneut mittels normaler Post, wobei sie gleichzeitig auf die Folgen einer nicht abgeholten eingeschriebenen Postsendung gemäss Art. 85 Ziff. 4 StPO hinwies. Am 16. Januar 2018 erhob der Beschwerdeführer Einsprache gegen den Strafbefehl. Nachdem ihn die Staatsanwaltschaft darauf aufmerksam machte, dass sie die Einsprache als verspätet erachte, und ihn auf die Möglichkeit der Wiederherstellung hingewiesen hatte, teilte der Beschwerdeführer mit, an seiner Einsprache festhalten zu wollen. Am 16. Februar 2018 leitete die Staatsanwaltschaft die Akten an das Regionalgericht Bern-Mittelland weiter, welches am 12. März 2018 auf die Einsprache wegen Verspätung nicht eintrat und die Rechtskraft des Strafbefehls feststellte. 
Eine dagegen gerichtete Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Bern mit Beschluss vom 19. Juni 2018 ab. Konkrete Anzeichen für einen Fehler bei der Zustellung des Strafbefehls bzw. des Abholscheins seien nicht erkennbar. 
Der Beschwerdeführer wendet sich an das Bundesgericht. 
 
2.   
Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zu begründen (Art. 42 Abs. 1 BGG). In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Für die Anfechtung des Sachverhalts und die Rüge der Verletzung von Grundrechten besteht eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4). Ein Verweis auf frühere Rechtsschriften oder auf die Verfahrensakten ist unzulässig (BGE 138 IV 47 E. 2.8.1; 133 II 396 E. 3.1; je mit Hinweisen). 
 
3.   
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe mit einer Zustellung gerechnet, jedoch weder den per Einschreiben versandten Strafbefehl vom 13. Dezember 2017 noch eine Abholungseinladung erhalten. Der vorinstanzliche Beschluss vom 19. Juni 2018 basiere alleine auf dem guten Glauben, dass die Post eingeschriebene Sendungen zuverlässig an den richtigen Empfänger zustelle bzw. bei dessen Abwesenheit die Abholeinladung ordnungsgemäss in den richtigen Briefkasten lege. In Wirklichkeit könne man sich auf die Post indessen nicht zu 100% verlassen; ihr Standard habe sich erheblich verschlechtert. Es komme vielmehr immer wieder vor, dass Postsendungen falsch zugestellt würden, was sich aus verschiedenen Zeitungsartikeln ergebe und auch durch zwei im selben Haus wohnende Mieter/Nachbarn bestätigt werden könne. Abgesehen davon reagiere er auf seine Post stets fristgerecht. Dies zeige sich nicht zuletzt daran, dass er nach Erhalt des am 15. Januar 2018 mittels A-Post verschickten Strafbefehls unverzüglich Einsprache erhoben habe. 
 
4.   
Die Zustellung einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht abgeholt worden ist, gilt am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste (vgl. Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO). Bei eingeschriebenen Postsendungen gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine widerlegbare Vermutung, dass der Postangestellte den Avis ordnungsgemäss in den Briefkasten oder in das Postfach des Empfängers gelegt hat und das Zustellungsdatum korrekt registriert worden ist. Es findet in diesem Fall eine Umkehr der Beweislast in dem Sinne statt, als bei Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten des Empfängers ausfällt, der den Erhalt der Abholungseinladung bestreitet. Diese Vermutung kann durch den Gegenbeweis umgestossen werden. Sie gilt so lange, als der Empfänger nicht den Nachweis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit von Fehlern bei der Zustellung erbringt. Verlangt wird hierfür, dass konkrete Anzeichen für einen Fehler vorhanden sind (zum Ganzen BGE 142 IV 201 E. 2.3 mit Hinweisen). 
 
5.   
Soweit der Beschwerdeführer zur Begründung der Beschwerde auf frühere Rechtsschriften verweist, ist darauf von vornherein nicht einzutreten (vgl. vorstehend E. 2). 
Im Übrigen sind seine vor Bundesgericht vorgebrachten Einwendungen, soweit sie den Begründungsanforderungen überhaupt genügen (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG), nicht geeignet, Zweifel an der ordnungsgemässen Zustellung des Strafbefehls bzw. des in den Briefkasten gelegten Abholscheins zu begründen. 
So gehen seine im Zusammenhang mit diversen Zeitungsartikeln stehenden Vorbringen, auf die Post sei kein 100%-iger Verlass mehr, nicht über eine allgemeine Kritik an der Post und der Zustellqualität von Postsendungen hinaus, was indessen nicht Verfahrensgegenstand ist. Darauf ist nicht einzutreten. Nicht anders verhält es sich, wenn der Beschwerdeführer pauschal behauptet, in seinem Wohnhaus würden gewöhnliche Postsendungen immer wieder falsch zugestellt, was von zwei namentlich genannten Zeugen bestätigt werden könnte. Selbst wenn dieser Vorwurf im Übrigen zutreffen sollte, könnte die wiederholte Falschzustellung von gewöhnlichen Postsendungen nicht als Indiz für einen Zustellungsfehler der Post des per Einschreiben versandten Strafbefehls vom 13. Dezember 2017 herangezogen werden und reichte nicht aus, um die Vermutung einer ordnungsgemässen Zustellung umzustossen. Abgesehen davon verkennt der Beschwerdeführer, dass die immer bestehende Möglichkeit von Fehlern bei der Poststelle für die Widerlegung der Vermutung der korrekten Avisierung im Briefkasten nicht genügt. Es müssen vielmehr konkrete Anzeichen für einen Fehler vorhanden sein. Dass und inwiefern die Vorinstanz in Willkür verfallen sein könnte, indem sie solche konkreten Anhaltspunkte für einen Fehler bei der Zustellung des Strafbefehls vom 13. Dezember 2017 bzw. der Abholungseinladung verneinte, legt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde jedoch weder dar noch ist solches ersichtlich. 
Auch der von ihm angeführte Umstand, er habe nach Erhalt des am 15. Januar 2018 durch die Staatsanwaltschaft erneut verschickten Strafbefehls unverzüglich reagiert und Einsprache erhoben, kann für sich nicht als Indiz für eine fehlerhafte Zustellung des früher per Einschreiben versandten Strafbefehls dienen und vermag daher die Vermutung der ordnungsgemässen Zustellung ebenfalls nicht umzustossen. 
Damit liegen zusammenfassend keine konkreten Anzeichen für eine Fehlzustellung des per Einschreiben versandten Strafbefehls vom 13. Dezember 2017 bzw. des Abholscheins vor. Der angefochtene Entscheid verletzt kein Bundesrecht. 
 
6.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Auf eine Kostenauflage wird verzichtet (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gegenstandslos. 
 
 
  
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Februar 2019 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill