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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_192/2008/bnm 
 
Urteil vom 7. Juli 2008 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterinnen Escher, 
Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Obergericht des Kantons Bern, Appellationshof, I. Zivilkammer, Hochschulstrasse 17, 3012 Bern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
unentgeltliche Rechtspflege (Ehescheidung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 25. Februar 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
In dem zwischen Y.________ (Ehefrau) und X.________ (Ehemann) hängigen Scheidungsverfahren erteilte die Gerichtspräsidentin 2 des Gerichtskreises 2 VIII Bern-Laupen Y.________ mit Urteil vom 30. Oktober 2007 die unentgeltliche Rechtspflege und ernannte ihr einen amtlichen Rechtsbeistand. Ferner schied die angerufene Richterin die Ehe der Parteien (Ziff. 2) und unterstellte deren gemeinsamen Sohn, Z.________ (geb. 1991), der elterlichen Sorge der Mutter (Ziff. 3); von der Regelung eines Besuchs- und Ferienrechts wurde abgesehen (Ziff. 4), X.________ aber verpflichtet, an den Unterhalt seines Sohnes ab dem 1. August 2008 bis zum Abschluss der Erstausbildung mit Fr. 500.-- pro Monat beizutragen (Ziff. 5). Die Gerichtskosten von Fr. 1'270.-- des erstinstanzlichen Verfahrens wurden beiden Parteien je zur Hälfte auferlegt, wobei die Y.________ gewährte unentgeltliche Rechtspflege vorbehalten blieb (Ziff. 11). 
 
B. 
X.________ appellierte wegen der ihm persönlich verweigerten unentgeltlichen Rechtspflege sowie gegen die Ziffern 3, 4, 5 und 11 des erstinstanzlichen Scheidungsurteils an den Appellationshof des Kantons Bern. Für dieses Verfahren ersuchte er um unentgeltliche Rechtspflege, welche die angerufene Instanz mit Entscheid vom 25. Februar 2008 mit der Begründung verweigerte, das Appellationsverfahren sei aussichtslos. 
 
C. 
X.________ gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht mit dem sinngemässen Begehren, den obergerichtlichen Entscheid aufzuheben und ihm für das Appellationsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht er ebenso sinngemäss um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher (Art. 75 Abs. 1 BGG) Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege. Dabei handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1), dessen ungeachtet, ob er während des Hauptverfahrens, zusammen mit dessen Endentscheid oder nach diesem ergangen ist (Urteil 5A_108/2007 vom 11. Mai 2007, E. 1.2). 
 
1.2 Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache. Diese betrifft einen kantonalen Entscheid betreffend Ehescheidung und damit eine Zivilsache im Sinn von Art. 72 Abs. 1 BGG. Da im Wesentlichen nicht vermögensrechtliche Aspekte der Ehescheidung betroffen sind, liegt eine nicht vermögensrechtliche Zivilsache vor (5D_60/2007 vom 9. August 2007, E. 1.2; Urteil 5A_108/2007 vom 11. Mai 2007, E. 1.2). Ist die Beschwerde in der Hauptsache gegeben, steht sie auch gegen den vorliegenden Zwischenentscheid offen. Mit der Beschwerde in Zivilsachen kann eine Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), zu dem laut der Begriffsbestimmung des BGG auch das Verfassungsrecht gehört. Gerügt werden kann ferner eine Verletzung des Völkerrechts (Art. 95 lit. b BGG). 
 
2. 
2.1 Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat nach Art. 29 Abs. 3 BV Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde; eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet (BGE 124 I 304 E. 2c mit Hinweisen). 
 
2.2 Die Prozesschancen sind in vorläufiger und summarischer Prüfung des Prozessstoffes abzuschätzen, wobei es im Rechtsmittelverfahren um die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs geht (Haefliger, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 167 f. Ziffer 6). Die Frage lautet, ob das Rechtsmittel offenbar prozessual unzulässig oder aussichtslos ist (BGE 60 I 179 E. 1 S. 182; 78 I 193 E. 2 S. 195). Dass der angefochtene Entscheid oder das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, genügt für die Bejahung der Erfolgsaussichten nicht; entscheidend ist allein, ob das Rechtsmittel voraussichtlich gutgeheissen werden muss (vgl. Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, V, Bern 1992, N. 5 zu Art. 152 OG, S. 123). 
 
3. 
3.1 Vor Obergericht hatte der Beschwerdeführer gerügt, ihm sei die unentgeltliche Rechtspflege für das erstinstanzliche Scheidungsverfahren zu Unrecht verweigert worden. Das Obergericht hat dazu erwogen, den Akten lasse sich nicht entnehmen, dass der Beschwerdeführer jemals die unentgeltliche Rechtspflege verlangt habe, wobei deren Verweigerung ohnehin nicht mit Appellation, sondern mit Rekurs geltend zu machen gewesen wäre, so dass sich die Appellation in diesem Punkt als aussichtslos erweise. 
 
Der Beschwerdeführer erblickt darin sinngemäss eine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV, zumal er im kantonalen Verfahren entgegen den Ausführungen des angefochtenen Entscheides ausdrücklich um unentgeltliche Rechtspflege ersucht habe. 
 
Die Gerichtspräsidentin hat der geschiedenen Ehefrau des Beschwerdeführers die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und den Parteien je die Hälfte der Gerichtskosten auferlegt, bei der Klägerin allerdings unter Vorbehalt der gewährten unentgeltlichen Rechtspflege. Mit Bezug auf die unentgeltliche Rechtspflege des Beschwerdeführers enthält das erstinstanzliche Urteil keinen Hinweis. Dabei trifft es - entgegen der Auffassung des Obergerichts - nicht zu, dass der Beschwerdeführer für das Scheidungsverfahren kein entsprechendes Gesuch gestellt hätte, verlangte er doch im Rahmen des Aussöhnungsversuchs ausdrücklich nach einem Anwalt, was unter den gegebenen Umständen nicht anders denn als Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege verstanden werden konnte und musste. Sodann trifft zwar zu, dass die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege durch den Gerichtspräsidenten nach kantonalem Recht mit Rekurs anzufechten ist (Art. 81 Abs. 1 ZPO/BE), wobei das Obergericht offenbar auch eine Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege annimmt, wenn der Gerichtspräsident - wie im vorliegenden Fall - stillschweigend über das Gesuch hinweggeht. Das ändert aber nichts daran, dass der entsprechende Entscheid nach der massgebenden Bestimmung (Art. 81 Abs. 1 ZPO/BE) mit Rekurs an den Appellationshof weitergezogen werden kann, sofern die Hauptsache wie hier als appellabel gilt. Dass der Beschwerdeführer sein diesbezügliches Rechtsmittel als Appellation statt als Rekurs bezeichnet hat, schadet ihm nicht, ist es doch dem Obergericht im Fall einer unbeholfenen und nicht durch einen Anwalt vertretenen Partei unbenommen, die Eingabe in diesem Punkt als Rekurs entgegenzunehmen. Die Ausführungen des Obergerichts lassen insoweit das Rechtsmittel nicht als aussichtslos erscheinen. 
 
3.2 Mit Bezug auf die mit Appellation angefochtene Zuteilung der elterlichen Sorge über den Sohn der Parteien hat das Obergericht erwogen, zwar wünsche der Sohn, nach der Entlassung des Vaters aus der Strafanstalt beim diesem bleiben zu können. Der Beschwerdeführer müsse indes nach der auf Juli 2008 anberaumten Entlassung eine Wohnung und Arbeit suchen und sich nach 16 Monaten Freiheitsstrafe wieder an ein Leben in Freiheit gewöhnen. Auch wenn es den Wunsch des Sohnes zu berücksichtigen gelte, sei die Zuteilung des Sohnes an die Mutter unter den gegebenen Umständen als die zur Zeit beste Lösung zu betrachten; der Appellation sei daher in diesem Punkt keine Aussicht auf Erfolg beschieden. 
 
Der Beschwerdeführer weist auf den ausdrücklichen Wunsch seines Sohnes hin und macht geltend, er habe gelernt, Bewerbungen zu schreiben und eine Wohnung zu suchen. Überdies verfüge er über die erforderliche Freizeit, um sich um seine Angelegenheiten zu kümmern. 
 
Das Obergericht nimmt die Beurteilung der Appellation praktisch vorweg, was sich als problematisch erweist. Aufgrund des ausdrücklichen Zuteilungswunsches des heute 17-jährigen Sohnes kann jedenfalls bei summarischer Beurteilung der Sachlage zum Zeitpunkt des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege nicht gesagt werden, die Appellation sei aussichtslos. Im Rahmen ihrer Behandlung wird aufgrund der in Kinderbelangen geltenden Untersuchungs- und Offizialmaxime (BGE 122 III 404 E. 3d S. 408) abzuklären sein, ob aufgrund der konkreten Sachumstände dem Wunsch des Sohnes Rechnung getragen werden kann. 
 
3.3 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Appellation bzw. der Rekurs in den wesentlichen Punkten der unentgeltlichen Rechtspflege und der Sorgeregelung als nicht aussichtslos erscheint, weshalb die unentgeltliche Rechtspflege zu Unrecht wegen Aussichtslosigkeit verweigert worden ist. Damit erübrigt es sich, die Erfolgsaussichten bezüglich der anderen Begehren (Unterhaltsbeitrag an den Sohn; Besuchsrecht des Beschwerdeführers für den Fall, dass es bei der erstinstanzlichen Sorgeregelung bleibt; Kostenregelung) zu prüfen. 
 
4. 
Damit ist die Beschwerde gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Die Sache ist zur Prüfung der weiteren Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege an das Obergericht zurückzuweisen. Diesem dürfen keine Kosten auferlegt werden (Art. 66 Abs. 4 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zu sprechen, da dem nicht verbeiständeten Beschwerdeführer kein zu entschädigender Aufwand entstanden ist. 
 
5. 
Mit der Kostenregelung wird das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Appellationshof, 1. Zivilkammer, vom 25. Februar 2008 wird aufgehoben. Die Sache wird zur Prüfung der weiteren Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2. 
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
 
3. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 7. Juli 2008 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Raselli Zbinden