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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_328/2020  
 
 
Urteil vom 8. März 2021  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, Viscione, 
Gerichtsschreiberin N. Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Bertschinger, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Prozessvoraussetzung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 5. Mai 2020 (IV 2019/194). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1955 geborenen A.________ sprach die IV-Stelle des Kantons St. Gallen ab 1. April 2017 eine ganze Rente und eine Hilflosenentschädigung für eine Hilflosigkeit mittleren Grades zu (Verfügungen vom 7. August 2017 und 1. September 2017). Ferner gewährte die IV-Stelle mit Verfügung vom 9. Februar 2018 einen Assistenzbeitrag von durchschnittlich Fr. 2938.15 pro Monat bzw. von maximal Fr. 32'319.65 pro Jahr. Betreffend die Verfügung über den Assistenzbeitrag erhob die Versicherte Beschwerde, welche das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen teilweise guthiess, indem es die angefochtene Verfügung aufhob und die Sache zur weiteren Abklärung und zu neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Verwaltung zurückwies (Entscheid vom 9. November 2018). Nachdem die Verwaltung weitere Abklärungen durchgeführt hatte, sprach sie der Versicherten mit Wirkung ab 1. August 2017 bis 31. Dezember 2018 einen Assistenzbeitrag von Fr. 3790.25 pro Monat bzw. Fr. 45'483.- pro Jahr und ab 1. Januar 2019 von monatlich Fr. 3824.80 bzw. von jährlich Fr. 45'897.60 zu (Verfügung vom 10. Juli 2019). 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 5. Mai 2020 teilweise gut. Es hob die angefochtene Verfügung auf und wies die Sache zur Neuberechnung des Assistenzbeitrages und zur anschliessenden neuen Verfügung im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurück. 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und ihre Verfügung vom 10. Juli 2019 zu bestätigen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit dem angefochtenen Entscheid vom 5. Mai 2020 hat das kantonale Gericht die Sache unter Aufhebung der Verfügung vom 10. Juli 2019 an die IV-Stelle zurückgewiesen, damit diese den Assistenzbeitrag vom ermittelten Assistenzbedarf ohne Abzug wegen eines "Erwachsenen im gleichen Haushalt" berechne. Formell handelt es sich um einen Rückweisungsentscheid. Da die Rückweisung aber nur noch der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient und der kantonalen Verwaltung kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt, handelt es sich materiell um einen Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG (Urteil 9C_736/2019 vom 13. Mai 2020 E. 3.4 mit Hinweisen). 
 
2.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich die Verletzung von Bundesrecht mit Einschluss der Bundesverfassung gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) grundsätzlich nur die geltend gemachten Rechtswidrigkeiten, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen). Unerlässlich ist im Hinblick auf Art. 42 Abs. 2 BGG, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheides eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt (BGE 134 V 53 E. 3.3 S. 60 und 133 IV 286 E. 1.4 S. 287). Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18 mit Hinweisen). Wenn der angefochtene Entscheid auf mehreren selbständigen Begründungen beruht, ist zudem für jede einzelne Alternativbegründung darzutun, weshalb sie Recht verletzt (BGE 142 III 364 E. 2.4 S. 368; 138 III 728 E. 3.4 S. 734 f.; 133 IV 119 E. 6.3 S. 120 f.). 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz hielt einerseits fest, streitig sei nur der von der IV-Stelle vom ermittelten Assistenzbedarf vorgenommene Abzug von 32 Minuten pro Tag wegen eines "Erwachsenen im selben Haushalt". Dieser Abzug sei zum Vornherein unzulässig gewesen, weil sie (die Vorinstanz) im (Rückweisungs-) Entscheid vom 9. Februar 2018 verbindlich angeordnet habe, dass ein Abzug wegen der Mithilfe des Ehemanns nicht berücksichtigt werden dürfe. Andererseits führte das kantonale Gericht "im Sinne eines obiter dictum" aus: Selbst wenn keine verbindliche gerichtliche Anordnung vorläge, wäre der von der IV-Stelle vorgenommene Abzug als rechtswidrig zu qualifizieren, weil der Ehemann der Versicherten die meiste Zeit auf Reisen sei und deshalb, wenn überhaupt, nur in einem zu vernachlässigenden, kaum nachweisbaren Ausmass von Assistenzleistungen profitieren dürfte.  
 
3.2. Die IV-Stelle vertritt die Auffassung, dass der Rückweisungsentscheid vom 9. Februar 2018 betreffend den Abzug nicht verbindlich geworden sei. Sie führt weiter aus, beim Abzug wegen ein oder zwei erwachsenen Personen im gleichen Haushalt gemäss Rz. 4030 des Kreisschreibens des Bundesamtes für Sozialversicherungen über den Assistenzbeitrag (KSBA) gehe es nicht um die Berücksichtigung der Schadenminderungspflicht, sondern um Synergien im Sinne von "Fremdanteilen". Der Ehemann der Versicherten begründe einen nicht zu berücksichtigenden eigenen Aufwand bei der Haushaltsführung.  
 
3.3. Entgegen der Bezeichnung handelt es sich bei der vorinstanzlichen "Schluss-Erwägung" (vgl. E. 3.1 in fine) betreffend den Assistenzbedarf, auch wenn sie teilweise im Konjunktiv verfasst wurde, nicht um ein "obiter dictum" ("nebenbei Gesagtes"). Vielmehr stellt sie eine Eventualbegründung dar, die im Fall, dass die Begründung mit Blick auf die formell-rechtlichen Ausführungen (Bindungswirkung des ersten Rückweisungsentscheids vom 9. Februar 2018) nicht überzeugt, zum Tragen kommt und damit zur "ratio decidendi" wird (Urteil 9C_556/2017 vom 30. Oktober 2017 E. 4.4 mit weiteren Hinweisen). Mit dieser Eventualbegründung setzt sich die Beschwerdeführerin nicht hinreichend auseinander. Sie legt nicht dar, inwiefern die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen zur (geschäftlichen) Auslandsabwesenheit des Ehemanns und dem für diesen zu vernachlässigenden Nutzen der Assistenzleistungen willkürlich sein sollen. Ihre generellen, vom Einzelfall losgelösten Vorbringen und die Behauptung, dass auch der Ehemann der Versicherten einen eigenen Aufwand bei der Haushaltsführung habe, sind appellatorischer Natur und genügen den Begründungsanforderungen nicht. Selbst wenn die Meinung der Beschwerdeführerin grundsätzlich zutrifft und mit dem streitigen Abzug Synergien eines Mehrpersonenhaushaltes berücksichtigt werden sollen, zeigen ihre Ausführungen nicht auf, ob und inwieweit  in concreto tatsächlich solche vorliegen. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten (vgl. E. 2). Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob die IV-Stelle an die Feststellungen im kantonalen Rückweisungsentscheid vom 9. Februar 2018 gebunden war.  
 
4.   
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die IV-Stelle die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung II, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 8. März 2021 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Möckli