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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_524/2010 
 
Urteil vom 9. Februar 2011 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Konkursamt Berner Jura-Seeland. 
 
Gegenstand 
Entgelt der Konkursverwaltung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 15. Juni 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 29. August 2008 erklärte sich X.________ beim Gerichtskreis III Aarberg-Büren-Erlach als zahlungsunfähig. Mit Verfügung vom 14. Oktober 2008 eröffnete der ausserordentliche Gerichtspräsident den Konkurs über X.________. Zuständig für den im summarischen Verfahren durchgeführten Konkurs ist das Konkursamt Seeland. 
 
B. 
Mit Gesuch vom 7. Juni 2010 gelangte das Konkursamt Seeland an das Obergericht des Kantons Bern als Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen. Das Konkursamt wies auf den baldigen Abschluss des Konkursverfahrens X.________ hin und ersuchte gestützt auf Art. 47 Abs. 1 GebV SchKG um die Bewilligung eines Entgeltes für ein anspruchsvolles Verfahren in der Höhe von Fr. 6'000.--. Es legte das Konkurs-Protokoll vom 2. Juni 2010 bei, worin die für das Konkursverfahren bereits erhobenen Gebühren von Fr. 6'924.25 aufgeführt werden. Auf Nachfrage der Kammerschreiberin vom 14. Juni 2010 erteilte das Konkursamt dem Obergericht ergänzende Angaben zum Betrag von Fr. 6'000.--, welche in einer Aktennotiz festgehalten wurden. 
 
C. 
Am 15. Juni 2010 beschloss das Obergericht, das vom Konkursamt beantragte Entgelt von total Fr. 12'924.25 zu genehmigen. Der Entscheid wurde einzig dem Konkursamt eröffnet. 
 
D. 
Mit Beschwerde vom 18. Juli 2010 ist X.________ an das Bundesgericht gelangt. Sie beantragt, den obergerichtlichen Entscheid aufzuheben und die Abrechnung des Konkursamtes neu zu erstellen. Zudem stellt sie das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
Das Obergericht beantragt, seinen Entscheid zu bestätigen. Zudem weist es darauf hin, dass X.________ am 19. Juli 2010 eine Beschwerde gegen das Konkurs-Protokoll erhoben habe, welche bis zum Entscheid des Bundesgerichts über die dort eingereichte Beschwerde sistiert worden sei. Das Konkursamt schliesst auf Abweisung der Beschwerde. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Gegen den letztinstanzlich ergangenen Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen ist die Beschwerde in Zivilsachen unabhängig eines Streitwertes gegeben (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG). Nicht von Belang ist dabei, ob die Aufsichtsbehörde als Beschwerdeinstanz oder kraft gesetzlicher Entscheidbefugnis tätig geworden ist (Urteil 5A_623/2008 vom 29. Oktober 2008 E. 1.2). Gemäss Art. 47 Abs. 1 GebV SchKG ist die Aufsichtsbehörde zuständig, das Entgelt der Konkursverwaltung für anspruchsvolle Verfahren festzusetzen. Der Entscheid gestützt auf diese Bestimmung stellt eine zwangsvollstreckungsrechtliche Verfügung dar (BGE 130 III 611 E. 1.1 S. 614). 
 
1.2 Der angefochtene Entscheid ist der Beschwerdeführerin nicht eröffnet worden. Sie hat gemäss eigenen Angaben am 15. Juli 2010 davon erfahren, als sie sich auf dem Konkursamt um eine Kopie der Abrechnung bemüht hatte. Wie es sich damit im Einzelnen verhält, kann insofern offen bleiben, als die Beschwerdefrist mit Postaufgabe am 18. Juli 2010 auf jeden Fall eingehalten ist (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG). 
 
1.3 Angefochten ist ein obergerichtlicher Entscheid über die Genehmigung der gesamten Kosten, welche die Durchführung des Konkurses über das Vermögen der Gemeinschuldnerin verursacht hat. Diese wurden nach Art. 43 ff. GebV SchKG in einem sogenannten Konkursprotokoll laufend aufgelistet. Zudem führt das Konkursamt vorliegend die Aufwendungen für anspruchsvolles Verfahren nach Art. 47 Abs. 1 GebV SchKG an. Die Gemeinschuldnerin hat gegen die Verfügung des Konkursamtes über die laufenden Verfahrenskosten bei der kantonalen Aufsichtsbehörde eine Beschwerde nach Art. 17 SchKG eingereicht, die sistiert worden ist. Insoweit liegt noch gar kein letztinstanzlicher Entscheid vor (Art. 75 Abs. 1 BGG), der das Verfahren abschliesst (Art. 90 BGG). Für einen Entscheid lässt die hängige SchKG-Beschwerde keinen Raum: Die kantonale Aufsichtsbehörde hätte im angefochtenen Entscheid nicht über die gesamten Verfahrenskosten befinden dürfen, sondern nur über das beantragte Entgelt für ein anspruchsvolles Verfahren. Soweit sie dies gleichwohl getan hat, erweist sich der angefochtene Entscheid und demzufolge die vorliegende Beschwerde in diesem Punkt als verfrüht. Hingegen ist die Beschwerde gegen die Bewilligung der Aufwendung für ein anspruchsvolles Verfahren gegeben. Die kantonale Aufsichtsbehörde war für die Behandlung des entsprechenden Gesuches zuständig und hat hierüber letztinstanzlich und verfahrensabschliessend befunden. 
 
1.4 Die Überprüfung der Verfahrenskosten beeinflusst den Reinerlös aus der Verwertung der Konkursmasse und damit den Umfang der Konkursverlustscheine. Die Gemeinschuldnerin hat daher ein rechtlich geschütztes Interesse an einer korrekten Abrechnung und ist zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG, in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung, da der angefochtene Entscheid vor der Gesetzesänderung ergangen ist; vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG). 
 
2. 
Für Verfahren, die besondere Abklärungen des Sachverhaltes oder von Rechtsfragen erfordern, setzt die Aufsichtsbehörde das Entgelt für die amtliche und die ausseramtliche Konkursverwaltung fest; sie berücksichtigt dabei namentlich die Schwierigkeit und die Bedeutung der Sache, den Umfang der Bemühungen sowie den Zeitaufwand (Art. 47 Abs. 1 GebV SchKG). Um ein solches Entgelt beanspruchen zu können, hat die Konkursverwaltung vor der Feststellung der Verteilungsliste der Aufsichtsbehörde ausser sämtlichen Akten eine detaillierte Aufstellung ihrer Verrichtungen, für welche die Verordnung keine Gebühren vorsieht, einzureichen (Art. 84 KOV). Bei der Festlegung der Entschädigung für ein anspruchsvolles Verfahren steht der Aufsichtsbehörde ein grosses Ermessen zu, in welches das Bundesgericht nur mit Zurückhaltung eingreift; dies ist namentlich dann der Fall, wenn nicht sachgerechte Kriterien zur Anwendung gelangt sind oder entscheidende Umstände nicht berücksichtigt wurden. Zudem muss das bewilligte Entgelt in einem vernünftigen Zusammenhang zur Gebührenverordnung stehen und ihren sozialen Charakter beachten (Urteil 5A_31/2010 vom 29. April 2010 E. 2, in: RDAF 2010 I S. 274 f.). 
 
3. 
3.1 Die (nicht anwaltlich vertretene) Beschwerdeführerin macht geltend, dass ihr Konkurs im summarischen Verfahren durch das zuständige Konkursamt durchgeführt werde und sich einfach gestalte. Daher fehle es an den Voraussetzungen einer Entschädigung nach Art. 47 Abs. 1 GebV SchKG. Die kantonale Aufsichtsbehörde habe ihr Ermessen überschritten, als sie dem Konkursamt eine Entschädigung von Fr. 6'000.-- zugebilligt habe. Zudem würden die Gebühren des laufenden Verfahrens nicht ordnungsgemäss in Rechnung gestellt. 
 
3.2 Die Vorinstanz hat beschlossen, gestützt auf das Gesuch des Konkursamtes vom 7. Juni 2010 und nach Einsicht in das Konkursprotokoll vom 2. Juni 2010, den geforderten Gesamtbetrag von Fr. 12'924.25 zu genehmigen. Zuvor hat sie sich gemäss einer Notiz der Kammerschreiberin in den Akten beim Konkursamt über die Höhe des beantragten Entgeltes von Fr. 6'000.-- für ein anspruchsvolles Verfahren erkundigt. Dabei wurde ihr mitgeteilt, dass für das Abfassen der verschiedenen Beschwerdeantworten und die Erledigung der Drittansprachen gemäss einer separaten Liste ein Zeitaufwand von 60 Stunden entstanden, welcher gemäss Art. 44 GebV SchKG zum Ansatz von Fr. 100.-- pro Stunde in Rechnung gestellt worden sei. 
 
3.3 Zwar lässt sich dem angefochtenen Entscheid entnehmen, dass er in Anwendung von Art. 47 Abs. 1 GebV SchKG ergangen ist. Indes geht daraus nicht hervor, weshalb ein Anwendungsfall dieser Bestimmung vorliegen sollte, aufgrund welchen Sachverhaltes entschieden und nach welchen rechtlichen Kriterien das Entgelt genau bemessen wurde. Zudem fehlt es an einer Abgrenzung zu den durch die Gebührenverordnung bereits abgedeckten Kosten, welche ebenfalls noch strittig sind. Die Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG verlangen indes, dass aus dem angefochtenen Entscheid die tatsächliche und rechtliche Grundlage für das vorinstanzliche Resultat erkennbar wird. Nur so kann das Bundesgericht die korrekte Rechtsanwendung im Einzelfall überprüfen (BGE 135 II 145 E. 8.2 S. 153). Dies ist vorliegend nicht der Fall, womit der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Vorinstanz aufzufordern ist, einen den Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG genügenden Entscheid zu fällen (Art. 112 Abs. 3 BGG). 
 
4. 
Nach dem Gesagten ist der Beschwerde Erfolg beschieden, soweit das ausserordentliche Entgelt von Fr. 6'000.-- angefochten worden ist. Da die kantonale Aufsichtsbehörde über die ordentlichen Gebühren des Konkursverfahrens noch gar nicht hätte befinden dürfen, ist der Entscheid insgesamt aufzuheben. Ausgangsgemäss trägt der Kanton Bern, der in seinem wirtschaftlichen Interessen betroffen ist, die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG; Urteil 5A_732/2009 vom 4. Februar 2010 E. 4, nicht publ. in BGE 136 III 155 ff.). Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wird gegenstandslos. Eine Parteientschädigung wird mangels Auslagen nicht zugesprochen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde in Zivilsachen wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, vom 15. Juni 2010 wird aufgehoben. 
 
2. 
Die Sache wird zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Kanton Bern auferlegt. 
 
4. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 9. Februar 2011 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: 
 
Hohl Levante