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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
 
{T 0/2}  
2C_995/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 11. November 2014  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Gerichtsschreiber Hugi Yar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,  
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, Bereich Recht.  
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 19. September 2014. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der aus Mazedonien stammende A.A.________ (geb. 1975) kam 1990 im Familiennachzug in die Schweiz. Aus der Ehe mit B.A.________ (geb. 1973) gingen insgesamt fünf Kinder hervor (geb. 1993, 1995, 1998 [Zwillinge], 2004). Alle Familienmitglieder verfügen über Niederlassungsbewilligungen; die Familie musste wiederholt von der öffentlichen Hand unterstützt werden, was zu ausländerrechtlichen Verwarnungen Anlass gab.  
 
1.2. A.A.________ ist in der Schweiz straffällig geworden: Er wurde unter anderem (Verkehrsdelikte) am 23. Februar 2007 wegen mehrfachen Betrugs und mehrfacher versuchter Veruntreuung zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen à Fr. 60.-- und am 4. April 2014 vom Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 2 Monaten verurteilt, gleichzeitig widerrief das Gericht den bedingten Vollzug der Geldstrafe vom 23. Februar 2007. Dem Urteil lagen verschiedene Wirtschaftsdelikte mit einem Schadensbetrag von über 1,1 Mio. Fr. und die Erschleichung von Sozialversicherungsleistungen mit einem Deliktsbetrag von rund Fr. 755'000.-- zugrunde. Eine Beschwerde hiergegen ist beim Bundesgericht noch hängig (6B_734/2014). Das Strafgericht Basel-Stadt hatte den Beschwerdeführer mit Urteilen vom 21. März und 30. Mai 2011 noch zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren, zehn Monaten und 15 Tagen verurteilt.  
 
1.3. Mit Verfügung vom 2. April 2012 widerrief das Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt die Niederlassungsbewilligung von A.A.________. Die von diesem hiergegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. In seinem Urteil vom 19. September 2014 ging das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (als Verwaltungsgericht) davon aus, dass trotz der langen Anwesenheit von A.A.________ und dessen familiären Verhältnissen das öffentliche Interesse des "erheblich und fortwährend delinquenten, schlecht integrierten Rekurrenten sein Interesse am Verbleib in der Schweiz offensichtlich überwiege".  
 
1.4. A.A.________ beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Appellationsgerichts aufzuheben und den Kanton Basel-Stadt anzuweisen, seine Niederlassungsbewilligung "zu verlängern" (recte: nicht zu widerrufen). Für das bundesgerichtliche Verfahren sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. A.A.________ macht geltend, er sei im Vergleich zu seinem Bruder willkürlich und rechtsungleich behandelt worden, da dieser durch das kantonale Justiz- und Polizeidepartement nur verwarnt, ihm jedoch die Niederlassungsbewilligung entzogen worden sei.  
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen bloss berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig ist oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt wurde (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die beschwerdeführende Person muss dabei rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der festgestellte Sachverhalt bzw. die beanstandete Beweiswürdigung klar und eindeutig mangelhaft, mit anderen Worten willkürlich, erscheint (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 II 350 E. 1.3). Willkür liegt nicht bereits dann vor, wenn eine andere Sicht ebenfalls vertretbar oder sogar zutreffender wäre, sondern nur, wenn sich die vorinstanzliche Beurteilung als offensichtlich unhaltbar erweist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt bzw. in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 134 I 140 E. 5.4 S. 148 mit Hinweisen).  
 
2.2.  
 
2.2.1. Der Beschwerdeführer beschränkt sich darauf, zu behaupten, rechtsungleich behandelt worden zu sein; den Sachverhalt, die Beweiswürdigung und das grundsätzliche Vorliegen eines Widerrufsgrunds stellt er nicht infrage; trotz des hängigen Beschwerdeverfahrens gegen das Strafurteil vom 4. April 2014 bestreitet er das ausländerrechtliche Vorgehen der kantonalen Behörden nur hinsichtlich der Verhältnismässigkeit der Massnahme im Vergleich zur Verwarnung seines Bruders, der im gleichen strafrechtlichen Zusammenhang zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 11 Monaten verurteilt wurde und gegen den bereits früher eine solche von 13 Monaten ergangen sei, womit gesamthaft annähernd eine gleichwertige Gesamtbestrafung vorliege. Bloss in diesem Sinn werden die Ausführungen im angefochtenen Urteil sachbezogen bestritten; im Übrigen sind dem vorliegenden Entscheid die Feststellungen der Vorinstanz zugrunde zulegen (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; "qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht": BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254).  
 
2.2.2. Nicht weiter zu berücksichtigen ist im Folgenden der Verweis auf das Urteil des EGMR vom 16. April 2013 i.S.  Udeh gegen Schweiz; der Beschwerdeführer legt - wiederum entgegen seiner Begründungspflicht - mit keinem Wort dar, inwiefern sein Fall sachverhaltsmässig bzw. in rechtlicher Hinsicht in den entscheidwesentlichen Punkten mit dem dort beurteilten zu vergleichen wäre; er begnügt sich damit, festzustellen, dass nach dem Urteil "Udeh" das "Recht auf Familie" vorgehe. Dies genügt nicht, wenn wie hier eine detailliert begründete Interessenabwägung der kantonalen Behörden im Rahmen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK vorliegt; der Betroffene muss sich mit deren Ausführungen auseinandersetzen und kann sich nicht darauf beschränken, einfach auf einen einzelnen Entscheid des EGMR zu verweisen und aus diesem verkürzte Schlüsse zu ziehen (vgl. zum Urteil "Udeh": BGE 139 I 325 ff.).  
 
3.  
 
3.1. Die Interessenabwägung des Appellationsgerichts ist im Rahmen der zu beurteilenden Einwände nicht zu beanstanden; sie entspricht Gesetz und bundesgerichtlicher Praxis dazu (vgl. BGE 139 I 145 ff., 31 E. 2 und 3, 16 E. 2 - 5; 137 II 297 E. 2 und 3; 135 II 377 E. 4; ANDREAS ZÜND/THOMAS HUGI YAR, Aufenthaltsbeendende Massnahmen im schweizerischen Ausländerrecht, insbesondere unter dem Aspekt des Privat- und Familienlebens, in: EuGRZ 40/2013 S. 1 ff.) : Der Beschwerdeführer ist in der Schweiz wiederholt straffällig geworden. Die Vorinstanzen und die Strafbehörden bezeichnen ihn als einen [...] "frei von Skrupeln agierenden, verantwortungslosen und jede sich bietende Gelegenheit zur Vermögensbeschaffung ausnützenden Delinquenten"; er habe keinerlei Hemmungen, "aus purem Eigennutz die eigenen Angehörigen und Kollegen sowie Bekannten seines Bruders mit in den kriminellen Sumpf zu ziehen und für seine Zwecke zu instrumentalisieren".  
 
3.2. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was diese Einschätzung und - gestützt darauf - den Schluss, dass eine "hohe Rückfallgefahr mit einer hohen wirtschaftlichen Gefahr" bestehe, infrage stellen würde. Bereits im Umstand, dass der Bruder des Beschwerdeführers im Vergleich zu diesem in untergeordneterer Rolle an den Straftaten mitgewirkt hat (unterschiedliche kriminelle Energie), liegt ein hinreichender Grund, ausländerrechtlich dessen Situation anders einzuschätzen als jene des Beschwerdeführers. Hinzukommt, dass dieser bei seiner Einreise bereits fünfzehnjährig war, während sein jüngerer Bruder erst etwas über drei Jahre alt war, als er ins Land kam. Er wurde hier sozialisiert und hat als Ausländer der 2. Generation zu gelten, für die bei einer Aufenthaltsbeendigung strengere Regeln gelten. Der Beschwerdeführer verfügt in seiner Heimat über ein Haus, hingegen offenbar nicht sein Bruder; im Übrigen ist er mit den Verhältnissen in Mazedonien vertraut, nachdem er die prägenden Kinder- und Jugendjahre dort verbracht und sich auch danach immer wieder dort aufgehalten hat.  
 
3.3. Der Beschwerdeführer hat in der Schweiz fünf Kinder, doch sind vier davon volljährig oder stehen kurz vor ihrer Volljährigkeit. Weder die Beziehungen zur Gattin noch jene zu den Kindern vermochten ihn von einer immer schwerer ins Gewicht fallenden Straffälligkeit abzuhalten. Auch die ausländerrechtlichen Verwarnungen fruchteten nichts. Unter diesen Umständen ist der Widerruf der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers nicht unverhältnismässig. Seine Angehörigen können in der Schweiz verbleiben oder ihm nach Mazedonien folgen. Die Entfernungsmassnahme gilt im Übrigen zeitlich nicht unbegrenzt: Soweit die ausländische Person, gegen die eine Entfernungsmassnahme ergriffen wurde, weiterhin über einen Rechtsanspruch auf die Bewilligungserteilung verfügt, ist eine Neubeurteilung vorzunehmen, wenn sich der Betroffene seit der Verurteilung bzw. Strafverbüssung bewährt und über eine angemessene Dauer in seiner Heimat klaglos verhalten hat, sodass eine Integration in die hiesigen Verhältnisse (wieder) absehbar erscheint und eine allfällige Rückfallgefahr vernachlässigt werden kann (vgl. BGE 130 II 493 E. 5 S. 504; 139 II 121 ff.; THOMAS HUGI YAR, Von Trennungen, Härtefällen und Delikten - Ausländerrechtliches rund um die Ehe- und Familiengemeinschaft, in: Achermann et al. [Hrsg.], Jahrbuch für Migrationsrecht 2012/2013, 2013, S. 31 ff., dort S. 133 ff. mit Hinweisen).  
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerde wird im Verfahren nach Art. 109 BGG abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. Mit dem vorliegenden Entscheid werden die Gesuche um aufschiebende Wirkung und um Verfahrenssistierung bis zum Entscheid des Appellationsgerichts über das Revisionsgesuch vom 29. Oktober 2014 gegenstandslos. Zur weiteren Begründung des Urteils wird ergänzend auf die zutreffende Interessenabwägung der Vorinstanz verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).  
 
4.2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen, da die Eingabe gestützt auf die detaillierte Interessenabwägung im angefochtenen Urteil als zum Vornherein aussichtslos zu gelten hatte (Art. 64 BGG). Der unterliegende Beschwerdeführer hat dementsprechend die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
 
2.1. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.  
 
2.2. Die Gerichtskosten von Fr. 1´000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.  
 
3.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 11. November 2014 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar