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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_155/2023  
 
 
Urteil vom 10. Mai 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Müller, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Chaix, Kölz, 
Gerichtsschreiber Hahn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt André Kuhn, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm, 
Untere Grabenstrasse 32, Postfach 1475, 4800 Zofingen, 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, 5001 Aarau. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Entsiegelung im Vorverfahren, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Aargau, Zwangsmassnahmenrichter, vom 8. Februar 2023 (ZM.2022.185 / bs). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm führt ein Strafverfahren gegen A.________ wegen Drohung und übler Nachrede. Anlässlich der Hausdurchsuchung vom 25. August 2022 liess sie diverse Gegenstände von A.________ sicherstellen. Mit Schreiben vom 26. August 2022 verlangte A.________ die Siegelung der beschlagnahmten Gegenstände. Daraufhin setzte ihm die Staatsanwaltschaft bis zum 7. September Frist an, die Gegenstände, welche zu versiegeln seien, genau zu bezeichnen. Sie führte aus, dass sie die Gegenstände Ziff. 1-3 und 7-17 gemäss dem Verzeichnis der beschlagnahmten Gegenstände als nicht siegelungsrelevant erachte. Mit Schreiben vom 7. September 2022 teilte A.________ mit, dass das Siegelungsbegehren auf die Gegenstände Ziff. 4-6 gemäss dem Verzeichnis der beschlagnahmten Gegenstände (2 Notizzettel und 1 Mobiltelefon Samsung) beschränkt werde. 
Am 12. September 2022 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau die Entsiegelung des Mobiltelefons und der zwei Notizzettel. Mit Verfügung vom 8. Februar 2023 hiess das Zwangsmassnahmengericht das Entsiegelungsbegehren gut und ermächtigte die Staatsanwaltschaft, die versiegelten Gegenstände zu entsiegeln. 
 
B.  
A.________ begehrt mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 20. März 2023, die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts aufzuheben, den Entsiegelungsantrag der Staatsanwaltschaft abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei, und die sichergestellten Gegenstände, für welche die Siegelung beantragt worden sei, ihm herauszugeben. Ausserdem ersucht er um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren. 
Das Zwangsmassnahmengericht hat unter Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Entscheids auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde abzuweisen. A.________ hat eine Replik eingereicht. 
Mit Verfügung vom 4. April 2023 hat das präsidierende Mitglied der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein nach Art. 248 Abs. 3 lit. a StPO kantonal letztinstanzlicher Entscheid eines Zwangsmassnahmengerichts. Dagegen steht gemäss Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BGG die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht nach Art. 78 ff. BGG grundsätzlich offen. Der Beschwerdeführer ist als beschuldigte Person zur Beschwerde legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG).  
 
1.2. Der angefochtene Entsiegelungsentscheid schliesst das gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren nicht ab und betrifft weder die Zuständigkeit noch ein Ausstandsbegehren im Sinne von Art. 92 BGG. Demnach ist er gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nur dann unmittelbar mit Beschwerde an das Bundesgericht anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Beim drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne dieser Bestimmung muss es sich um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Nicht wieder gutzumachend bedeutet, dass er auch mit einem für die beschwerdeführende Person günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behoben werden kann. Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verteuerung oder Verlängerung des Verfahrens genügt nicht (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 144 IV 321 E. 2.3; je mit Hinweisen). Wird im Entsiegelungsverfahren geltend gemacht, dass einer Entsiegelung geschützte Geheimhaltungsrechte entgegenstehen, droht nach der Praxis des Bundesgerichts ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, weil die Offenbarung eines Geheimnisses nicht rückgängig gemacht werden kann. Werden dagegen (lediglich) andere Beschlagnahmehindernisse wie insbesondere ein mangelnder Deliktskonnex geltend gemacht, fehlt es grundsätzlich am nicht wieder gutzumachenden Nachteil (Urteile 1B_591/2022 vom 21. Dezember 2022 E. 4.1; 1B_40/2022 vom 1. Dezember 2022 E. 2.1; je mit weiteren Hinweisen). Woraus sich der nicht wieder gutzumachende Nachteil ergeben soll, ist in der Beschwerdeschrift darzulegen, sofern dies nicht offensichtlich ist (BGE 141 IV 284 E. 2.3, 289 E. 1.3, je mit Hinweisen).  
 
1.3. Im Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht führte der Beschwerdeführer nach den verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid (Art. 105 Abs. 1 BGG) lediglich aus, dass sich auf dem Mobiltelefon viele höchstpersönliche Daten befinden würden, bezeichnete und umschrieb diese aber nicht näher. Die Vorinstanz befand, damit komme er seiner Begründungspflicht nur ungenügend nach. Der Beschwerdeführer nimmt darauf keinen Bezug, sondern lässt vor Bundesgericht lediglich erneut vortragen, auf den sichergestellten Datenträgern, insbesondere auf seinem Mobiltelefon, befänden sich "höchstpersönliche Dateien wie insbesondere privater E-Mail- und Kurznachrichtenverkehr mit ihm nahestehenden Personen Personen und intime Fotodateien, welche nicht nur ihn, sondern auch weitere Unbeteiligte zeigen". Die Entsiegelung - so die Beschwerde weiter - würde entsprechend einen gravierenden Eingriff in seine Privatsphäre bedeuten.  
Solche pauschalen Hinweise auf private Korrespondenz oder Fotos begründen rechtsprechungsgemäss keine schutzwürdigen Geheimnisinteressen im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO (so etwa Urteile 1B_40/2022 vom 1. Dezember 2022 E. 2.2; 1B_427/2021 vom 21. Januar 2022 E. 6.5; 1B_78/2021 vom 11. November 2021 E. 3.2; 1B_564/2019 vom 17. Juni 2020 E. 6.2). Damit einhergehend vermögen sie auch nicht zu belegen, dass durch die Entsiegelung ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG droht (Urteil 1B_603/2022 vom 22. Februar 2023 E. 1.3.3; 1B_2/2019 vom 11. Juli 2019 E. 2.4). Die Beschwerde erweist sich aus diesem Grund als unzulässig. 
 
2.  
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Mit Blick auf den Umstand, dass vorliegend bereits die Eintretensvoraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind, muss die Beschwerde des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers als aussichtslos qualifiziert werden. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung ist demnach abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Es kann jedoch ausnahmsweise davon abgesehen werden, Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau und dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. Mai 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Müller 
 
Der Gerichtsschreiber: Hahn