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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2A.101/2002 /bmt 
 
Urteil vom 17. Juli 2002 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Bundesrichter Betschart, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli, 
Gerichtsschreiber Häberli. 
 
E.K.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Pius Ziswyler, Burghaldenstrasse 59, Postfach, 5600 Lenzburg 2, 
 
gegen 
 
Fremdenpolizei des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 86/88, 5001 Aarau, 
Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 70, 5001 Aarau. 
 
Familiennachzug, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Rekursgerichts im Ausländerrecht des Kantons Aargau vom 25. Januar 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
E.K.________ (geb. 1961) ist türkischer Staatsangehöriger; mit seiner Ehefrau X.________, von welcher er am 6. Juni 1990 geschieden wurde, hat er vier Söhne, für die ihm das Sorgerecht übertragen worden ist: A.________ (geb.1981), B.________ (geb. 1983), C.________ (geb. 1986) und D.________ (geb. 1987). Als Asylsuchender reiste er am 23. September 1986 allein in die Schweiz ein und erhielt 1991 von der Fremdenpolizei des Kantons Aargau - unter Annahme eines persönlichen Härtefalls im Sinne von Art. 13 lit. f der Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO; SR 823.21) - eine Aufenthaltsbewilligung. Seine Söhne blieben unter der Obhut ihrer Grossmutter in der Türkei. 
 
Am 26. April 1991 heiratete E.K.________ in der Schweiz eine Landsfrau. Am 10. August 1994 holte er seinen Sohn B.________, der an einer Stoffwechselkrankheit leidet, zu sich in die Schweiz. Die Fremdenpolizei des Kantons Aargau bewilligte den Nachzug von B.________, welcher mit seinem Vater, dessen zweiter Frau S.K.________, deren drei gemeinsamen Kindern E.________ (geb. 1992), F.________ (geb. 1996) und G.________ (geb. 2000) sowie mit H.________ (S.K.________s Tochter aus erster Ehe; geb. 1987) zusammenlebt. Am 3. Juli 2001 ist E.K.________ die Niederlassungsbewilligung erteilt worden 
B. 
Am 9. April 2001 stellte E.K.________ ein Familiennachzugsgesuch für C.________ und D.________, welches die Fremdenpolizei des Kantons Aargau abwies (Verfügung vom 25. Juli 2001). Nach erfolglosem Einspracheverfahren gelangte E.K.________ an das Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau, welches den Entscheid der Fremdenpolizei schützte (Entscheid vom 25. Januar 2002). 
C. 
Am 26. Februar 2002 hat E.K.________ beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und das Gesuch um Familiennachzug für C.________ und D.________ gutzuheissen. 
 
Das Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau und das Bundesamt für Ausländerfragen schliessen auf Abweisung der Beschwerde, während die Fremdenpolizei des Kantons Aargau auf Stellungnahme verzichtet hat. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiete der Fremdenpolizei aus gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) entscheiden die zuständigen Behörden, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Es besteht damit grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, es sei denn, der Ausländer oder seine in der Schweiz lebenden Angehörigen könnten sich auf eine Sondernorm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrages berufen (BGE 127 II 161 E. 1a S. 164, mit Hinweisen). Eine solche Anspruchsnorm stellt Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG dar, gemäss welchem ledige Kinder von Ausländern, die in der Schweiz niedergelassen sind, Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern haben, wenn sie mit diesen zusammen wohnen und noch nicht 18 Jahre alt sind. 
1.2 Der Beschwerdeführer, welcher seit dem Jahre 1991 über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, hat am 9. April 2001 um Familiennachzug für C.________ und D.________ ersucht. Diese waren zu jenem, im Rahmen von Art. 17 Abs. 2 ANAG massgeblichen Zeitpunkt (BGE 120 Ib 257 E. 1f S. 262, mit Hinweis) 15 bzw. 14 Jahre alt. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten. Die Frage, ob der Familiennachzug verweigert werden durfte, betrifft nicht das Eintreten, sondern bildet Gegenstand der materiellen Beurteilung. 
1.3 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann vorliegend die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 104 lit. a und b OG), nicht jedoch die Unangemessenheit des angefochtenen Entscheids (vgl. Art. 104 lit. c OG) gerügt werden. Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, ist das Bundesgericht an deren Sachverhaltsfeststellung gebunden, sofern diese nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erfolgt ist (Art. 105 Abs. 2 OG). 
2. 
Zweck des Familiennachzugs gemäss Art. 17 Abs. 2 ANAG ist es, das Leben in der Familiengemeinschaft zu ermöglichen. Der Gesetzeswortlaut verdeutlicht, dass die rechtliche Absicherung des Zusammenlebens der Gesamtfamilie angestrebt wird: Verlangt ist ausdrücklich, dass die Kinder mit ihren Eltern (Plural) zusammenwohnen werden. Auch die innere Systematik von Art. 17 Abs. 2 ANAG geht vom Zusammenleben mit Mutter und Vater aus. Die Nachzugsregelung ist daher auf Familien zugeschnitten, in denen die (leiblichen) Eltern einen gemeinsamen ehelichen Haushalt führen (BGE 126 II 329 E. 2a S. 330; grundlegend: BGE 118 Ib 153 E. 2b S. 159). 
2.1 Verlangt ein (vom anderen Elternteil) geschiedener oder getrennt lebender Ausländer allein den Nachzug seiner Kinder, so wird nicht die Zusammenführung der Gesamtfamilie angestrebt. Das Bundesgericht hat es deshalb abgelehnt, insoweit einen bedingungslosen Anspruch auf Nachzug der Kinder anzunehmen; ein solcher entspreche nicht dem Gesetzeszweck (grundlegend: BGE 118 Ib 153 E. 2b S. 159). Für das Bestehen eines Nachzugsrechts wird vielmehr vorausgesetzt, dass der in der Schweiz lebende Elternteil die vorrangige familiäre Beziehung zum betroffenen Kind unterhält (BGE 125 II 633 E. 3a S. 640, mit Hinweisen), wobei zu berücksichtigen ist, bei wem das Kind bisher gelebt hat und welchem Elternteil die elterliche Gewalt zukommt (BGE 125 II 585 E. 2a S. 587). Das Bundesgericht hat in diesem Zusammenhang festgehalten, das Ziel, das familiäre Zusammenleben zu ermöglichen, werde verfehlt, wenn der in der Schweiz niedergelassene Elternteil das Kind erst kurz vor Erreichen des 18. Altersjahres zu sich hole, nachdem er jahrelang von ihm getrennt gelebt habe (vgl. BGE 125 II 633 E. 3a S. 640, mit Hinweisen). Eine Ausnahme kann nur gelten, wenn aus den Umständen des Einzelfalls gute Gründe dafür ersichtlich sind, dass die Familiengemeinschaft in der Schweiz erst nach Jahren hergestellt wird (vgl. BGE 125 II 585 E. 2a S. 587, mit Hinweisen). Die Verweigerung einer Bewilligung lässt sich somit jedenfalls dann nicht beanstanden, wenn die Familientrennung von den Betroffenen ursprünglich selbst freiwillig herbeigeführt worden ist, für die Änderung der bisherigen Verhältnisse keine überwiegenden familiären Interessen bestehen bzw. sich ein Wechsel nicht als zwingend erweist und die Fortführung und Pflege der bisherigen familiären Beziehungen nicht behördlich verhindert wird (BGE 124 II 361 E. 3a S. 366 f., mit Hinweisen). 
2.2 Der Beschwerdeführer hat seine Heimat im Jahre 1986 freiwillig verlassen und dabei seine Kinder bei deren Mutter in der Türkei zurückgelassen, von welcher sie bis zur Scheidung der Eltern im Jahre 1990 betreut wurden. Nachdem dem Beschwerdeführer im Scheidungsurteil das Sorgerecht für seine Kinder übertragen worden ist, leben C.________ und D.________ mit ihrem ältesten Bruder zusammen bei ihrer Grossmutter. Auch wenn unbestritten ist, dass die beiden regelmässig telefonischen Kontakt zu ihrem Vater haben, der sie auch finanziell unterstützt und während der Ferien in der Heimat besucht, handelt es sich doch bei der Grossmutter, welche sie nunmehr seit über 11 Jahren betreut, offensichtlich um die nächste Bezugsperson der Jugendlichen; zu ihr haben sie die vorrangige familiäre Beziehung. 
 
Voraussetzung dafür, dass der Beschwerdeführer C.________ und D.________ gestützt auf Art. 17 Abs. 2 ANAG zu sich in die Schweiz holen kann, bildet demnach ein zwingendes Bedürfnis, die bestehenden (selbst gewählten) Betreuungsverhältnisse zu ändern. Ein solches macht der Beschwerdeführer geltend, wenn er vorbringt, der 70-jährigen Grossmutter von C.________ und D.________ sei deren Betreuung nicht mehr möglich. Sie leide seit längerem an Bluthochdruck und starker Diabetes, wobei sich ihr Gesundheitszustand in den letzten Jahren verschlechtert habe. Die beiden Jungen hätten inzwischen die Schule abgeschlossen, seien ohne Arbeit und machten mehr oder weniger, was sie wollten, weshalb ihre Erziehung die Grossmutter überfordere. Gemäss dem angefochtenen Entscheid ist jedoch nicht erstellt, dass die gesundheitliche Verfassung der Grossmutter die weitere Betreuung von C.________ und D.________ ausschliesst. Die Vorinstanz hat erwogen, diesbezüglich fehle es an genaueren Angaben über Art und Schwere der Erkrankung sowie über deren Folgen. Der Sache nach hat sie damit - für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (vgl. E. 1.3) - festgestellt, dass die bisherige Betreuung der Kinder des Beschwerdeführers in deren Heimat nach wie vor möglich ist. Diese Sachverhaltsfeststellung ist denn unter dem Gesichtswinkel von Art. 105 Abs. 2 OG auch nicht zu beanstanden, nachdem der Beschwerdeführer gemäss den allgemeinen Beweislastregeln die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat: Aus den eingereichten Arztberichten ergibt sich nicht, inwieweit die Grossmutter von C.________ und D.________ durch ihre Erkrankung eingeschränkt wird; auch dem erstmals vor Bundesgericht eingereichten Schreiben des Bürgermeisters von Z.________ ist nichts Schlüssiges zu entnehmen. Die im Verwaltungsverfahren grundsätzlich geltende Untersuchungsmaxime wird durch die Mitwirkungspflicht der Parteien relativiert, namentlich wenn eine Partei das Verfahren durch eigenes Begehren eingeleitet hat oder darin eigene Rechte geltend macht. In besonderem Masse gilt dies in Fällen wie dem vorliegenden für die persönlichen Umstände in der Heimat, wie sie hier mit dem Gesundheitszustand der Grossmutter in Frage stehen (vgl. BGE 122 II 385 E. 4c/cc S. 394). Deshalb ist es vorab Sache des Beschwerdeführers, die Erkrankung seiner Mutter und deren Konsequenzen für die Betreuung von C.________ und D.________ zu belegen, worauf er im kantonalen Verfahren ausdrücklich hingewiesen worden ist. Wenn ihm das - aus welchen Gründen auch immer - nicht oder nur unzureichend gelingt, so hat er die Folgen zu tragen. Dabei ist unerheblich, ob türkische Ärzte Krankengeschichten ihrer Patienten zu führen pflegen, welche mit den Schweizer Verhältnissen vergleichbar sind. Dies im Übrigen bereits deshalb, weil der Beschwerdeführer vom behandelnden Arzt seiner Mutter so oder anders einen ausführlicheren Bericht hätte erhalten können als das nicht aussagekräftige, nur wenige Zeilen umfassende Zeugnis vom 4. September 2001. 
2.3 Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz zu Recht entschieden, es bestehe kein hinreichender Grund für die Änderung der Betreuungsverhältnisse. Sie durfte, ohne Bundesrecht zu verletzen, verneinen, dass die Voraussetzungen für den Nachzug von C.________ und D.________ erfüllt sind; dies umso eher, als die Integration der inzwischen 15 und 16-jährigen Jugendlichen aller Voraussicht nach mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre. 
3. 
Die Beschwerde erweist sich mithin als unbegründet und ist abzuweisen. Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der Beschwerdegegner kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG). Es ist keine Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Fremdenpolizei des Kantons Aargau und dem Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau sowie dem Bundesamt für Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 17. Juli 2002 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: