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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1C_93/2011 
 
Urteil vom 19. April 2011 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Raselli, Merkli, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
1. Verfahrensbeteiligte 
ASTAG Sektion Zentralschweiz, 
2. X.________ AG, 
Beschwerdeführerinnen, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Beat Schumacher, 
 
gegen 
 
Dienststelle Verkehr und Infrastruktur des 
Kantons Luzern, Verkehrstechnik, Arsenalstrasse 43, 6010 Kriens, 
Stadtrat von Sursee, Centralstrasse 9, Postfach, 
6210 Sursee, 
Gemeinderat Schenkon, Schulhausstrasse, 
6214 Schenkon. 
 
Gegenstand 
Verkehrsanordnung: Einhaltung der Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 2. Februar 2011 
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Abgaberechtliche Abteilung, Präsident. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die Dienststelle Verkehr und Infrastruktur des Kantons Luzern (vif) publizierte am 20. November 2010 im Luzerner Kantonsblatt das von ihr am 15. November 2010 verfügte Lastwagenfahrverbot für die Geuenseestrasse zwischen der Ringstrasse und der Zellfeldstrasse zwischen Sursee und Schenkon. 
Am 13. Dezember 2010 fochten die ASTAG Sektion Zentralschweiz und die X.________ AG diese Verkehrsanordnung beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern an. 
Am 15. Dezember 2010 forderte das Verwaltungsgericht die ASTAG Sektion Zentralschweiz und die X.________ AG unter Androhung des Nichteintretens auf die Beschwerde im Säumnisfall auf, bis zum 31. Dezember 2010 einen Kostenvorschuss von Fr. 2'400.-- zu leisten. 
Mit Präsidialentscheid vom 2. Februar 2011 trat das Verwaltungsgericht auf die Beschwerde nicht ein mit der Begründung, die ASTAG Sektion Zentralschweiz und die X.________ AG seien der gerichtlichen Zahlungsaufforderung nicht innert Frist nachgekommen. 
 
B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen die ASTAG Sektion Zentralschweiz und die X.________ AG, dieses verwaltungsgerichtliche Urteil aufzuheben und den Streitfall ans Verwaltungsgericht zur Beurteilung in der Sache zurückzuweisen. Ausserdem ersuchen sie, der Beschwerde aufschiebende Wirkung beizulegen. 
 
C. 
Am 22. März 2011 wies der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab. 
 
D. 
Das Verwaltungsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. Das vif und die Stadt Sursee beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Weitere Vernehmlassungen sind innert Frist nicht eingegangen. 
Erwägungen: 
 
1. 
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid des Verwaltungsgerichts über die Anfechtung einer funktionalen Verkehrsanordnung, mithin über eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit im Sinn von Art. 82 BGG, die nicht von einem Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG betroffen ist. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten steht damit zur Verfügung. Die Beschwerdeführerinnen waren Parteien des vorinstanzlichen Verfahrens, sind durch das Nichteintreten auf ihre Beschwerde wegen verspäteter Leistung des Kostenvorschusses besonders berührt und haben damit - und zwar unabhängig von ihrer hier nicht zur Diskussion stehenden Legitimation in der Sache - ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids (Art. 89 Abs. 1 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, womit auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2. 
Umstritten ist die Einhaltung einer dem kantonalen Verfahrensrecht unterstehenden Frist, was vom Bundesgericht nur auf Willkür überprüft wird. 
 
2.1 Nach § 195 Abs. 1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Luzern vom 3. Juli 1972 (VRG) kann die Behörde von der Partei, die ein Verfahren einleitet und kostenpflichtig werden kann, einen angemessenen Vorschuss zur Sicherstellung der amtlichen Kosten verlangen. Leistet die Partei den Vorschuss trotz Androhung der Folgen nicht innert Frist und ist das Verfahren nicht von Amtes wegen durchzuführen, braucht die Behörde auf die Rechtsvorkehr nicht einzutreten (§ 195 Abs. 2 VRG). Setzt die Behörde einer Partei eine bestimmte Frist, droht sie gleichzeitig die Säumnisfolgen an. Bei Versäumnis von behördlich bestimmten Fristen treten nur die angedrohten Säumnisfolgen ein (§ 32 Abs. 1 und 2 VRG). Fristgebundenes Handeln ist spätestens am letzten Tag der Frist vorzunehmen (§ 33 Abs. 1 VRG). 
 
2.2 Der Präsident des Verwaltungsgerichts führte in seiner Verfügung vom 15. Dezember 2010, mit welcher er von den Beschwerdeführerinnen einen Kostenvorschuss verlangte, zur Fristwahrung Folgendes aus: 
"Die Frist für die Zahlung ist gewahrt, wenn der Betrag rechtzeitig 
bei der Kantonalen Gerichtskasse bar bezahlt oder 
zu Gunsten des Verwaltungsgerichts der Schweizerischen Post übergeben oder einem Post- oder Bankkonto in der Schweiz belastet worden ist. 
Die Rechtzeitigkeit einer Zahlung ist im Zweifel von den Beschwerdeführerinnen nachzuweisen." 
 
2.3 Das Verwaltungsgericht erwägt im angefochtenen Entscheid (E. 2b S. 3), nach seiner Praxis gelte die Frist für eine Zahlung als gewahrt, wenn der Betrag rechtzeitig bei der Gerichtskasse bar bezahlt oder zugunsten des Verwaltungsgerichts der Schweizerischen Post übergeben oder einem Post- oder Bankkonto in der Schweiz belastet würde. "Für die Fristeinhaltung massgebend sind somit alternativ zwei Zeitpunkte: entweder der Zeitpunkt, in dem der Betrag zugunsten des Gerichts der Schweizerischen Post übergeben wurde (sei dies am Postschalter oder anlässlich einer Überweisung aus dem Ausland) oder der Zeitpunkt, in dem der Zahlungsauftrag zugunsten des Gerichts dem Post- oder Bankkonto des Beschwerdeführers oder seines Vertreters (in der Schweiz) belastet worden ist (...). Erfolgt die Zahlung über ein Postkonto, so gilt die Frist als eingehalten, wenn die Post vor Ablauf der Frist die Zahlungsanweisung erhält. Wird der Kostenvorschuss dagegen über das Konto einer Bank einbezahlt, die einen Sammelauftragsdienst der Post benützt, so gilt die Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses als eingehalten, wenn als Fälligkeitsdatum auf dem Datenträger spätestens der letzte Tag der gerichtlich festgesetzten Frist bestimmt und der Datenträger innerhalb dieser Frist der schweizerischen Post übergeben wurde. (...)" 
Zur Einzahlung des von den Beschwerdeführerinnen verlangten Kostenvorschusses von Fr. 2'400.-- führt das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid aus, aus dem Kundenbeleg des auf den 24. Dezember 2010 datierten Zahlungsauftrags ergebe sich, dass die Beschwerdeführerinnen die Postfinance angewiesen hätten, die Zahlung sofort nach Erhalt des Auftrags auszuführen. Sodann ergebe sich aus der Lastschriftanzeige der Postfinance, dass der Kostenvorschuss am 4. Januar 2011 dem Konto der Beschwerdeführerin 1 belastet worden sei. Damit sei die Zahlung nach seiner (oben angeführten Praxis) verspätet erfolgt. 
 
2.4 Nach der vom Verwaltungsgericht als plausibel anerkannten und damit unbestritten gebliebenen Darstellung der Beschwerdeführerinnen erteilten sie der Post einen Zahlungsauftrag für die Leistung des Kostenvorschusses und weiterer Zahlungen über das eine genügende Deckung aufweisende Postcheckkonto der Beschwerdeführerin 1 mit dem Vermerk, ihn "sofort nach Erhalt" auszuführen. Dieser Zahlungsauftrag wurde in einem an die Postfinance-Stelle Zofingen adressierten, für B-Post vorfrankierten Briefumschlag am 30. Dezember 2010 der Poststelle Altishofen übergeben. 
2.4.1 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen haben sie mit diesem Vorgehen keineswegs den "Betrag rechtzeitig zu Gunsten des Verwaltungsgerichts der Schweizerischen Post übergeben". Diese in der Verfügung vom 15. Dezember 2010 aufgeführte Möglichkeit zur Leistung des Kostenvorschusses bezieht sich klarerweise auf die physische Übergabe des erforderlichen Geldbetrages am Postschalter zwecks Überweisung an die Gerichtskasse. 
2.4.2 Hingegen weisen die Beschwerdeführerinnen zu Recht daraufhin, dass die verwaltungsgerichtliche Darstellung der Praxis zur Fristwahrung bei der Leistung von Kostenvorschüssen an einem unauflösbaren inneren Widerspruch leidet, indem einerseits ausgeführt wird, rechtzeitig sei die Zahlung, wenn der Betrag am letzten Tag der Frist einem (schweizerischen) Postkonto belastet werde, und anderseits apodiktisch festgehalten wird, die Frist gelte als eingehalten, wenn die Post vor Ablauf der Frist die Zahlungsanweisung erhalte. Das Verwaltungsgericht ist damit in Willkür verfallen, wenn es unter Hinweis auf seine Praxis den Schluss zieht, der Kostenvorschuss sei verspätet geleistet worden, weil dessen Zahlung dem Konto der Beschwerdeführerin 1 erst am 4. Januar 2010 (recte: 2011) belastet worden sei. 
2.4.3 Ist somit die verwaltungsgerichtliche Praxis zweideutig, so ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass die Frist als gewahrt gelten muss, wenn die Beschwerdeführerinnen den Kostenvorschuss nach einer der beiden vom Verwaltungsgericht selber bezeichneten Varianten rechtzeitig einbezahlt haben. Dieses muss mithin die Leistung des Kostenvorschusses als rechtzeitig anerkennen, wenn die Beschwerdeführerinnen die Frist nach der für sie günstigeren Variante eingehalten haben. 
Das ist offenkundig der Fall, haben sie doch den Briefumschlag mit dem entsprechenden Zahlungsauftrag einen Tag vor Fristablauf auf der Poststelle Altishofen abgegeben und damit "der Post übergeben". Dass der Zahlungsauftrag für die Bearbeitung an die Postfinance-Stelle Zofingen weitergeleitet wurde, ist ein interner Betriebsablauf der Post, der nichts daran ändert, dass ihr der Zahlungsauftrag am 30. Dezember 2010 übergeben wurde, zumal das Verwaltungsgericht nach seinen Darlegungen auf die Übergabe an die Post und nicht das Eintreffen bei Postfinance abstellt. Das Verwaltungsgericht hat somit gegen das Willkürverbot und den Vertrauensgrundsatz (Art. 5 Abs. 3, Art. 9 BV) verstossen, indem es auf die Beschwerde mangels rechtzeitig geleisteten Kostenvorschusses nicht eintrat. 
 
3. 
Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat der unterliegende Kanton Luzern den Beschwerdeführerinnen für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 2. Februar 2011 aufgehoben. 
 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3. 
Der Kanton Luzern hat den Beschwerdeführerinnen für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen, der Dienststelle Verkehr und Infrastruktur des Kantons Luzern, dem Stadtrat von Sursee, dem Gemeinderat Schenkon und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Abgaberechtliche Abteilung, Präsident, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 19. April 2011 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: 
 
Aemisegger Störi