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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1C_486/2011 
 
Urteil vom 19. März 2012 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Alex R. Le Soldat, 
 
gegen 
 
Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau, 
Postfach, 5001 Aarau, 
Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau, Generalsekretariat, Rechtsdienst, Frey-Herosé-Strasse 12, 5001 Aarau. 
 
Gegenstand 
Entzug des Führerausweises, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 8. September 2011 des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 
1. Kammer. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ fuhr am Abend des 25. Januar 2006 mit seinem Personenwagen von Zürich nach Baden. Die Aargauer Kantonspolizei, von einem Fahrzeuglenker telefonisch auf einen vermutlich betrunkenen Lenker aufmerksam gemacht, griff X.________ um 21:20 Uhr in Baden am Ende der Hochbrücke auf, wo er vergeblich versuchte, sein zum Stillstand gekommenes, vorne rechts beschädigtes Auto wieder zu starten. Die Blutalkoholmessung ergab, dass X.________ mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 2.34 Promillen gefahren war. 
A.a Am 3. Mai 2006 beantragte X.________ dem Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau, von Administrativmassnahmen gegen ihn abzusehen oder das Administrativverfahren gegen ihn eventuell bis zum Abschluss des Strafverfahrens zu sistieren. 
 
Am 5. Mai 2006 erklärte sich das Strassenverkehrsamt bereit, das Administrativverfahren "ohne jedes Präjudiz" bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens zu sistieren. 
A.b Am 9. Mai 2006 bestrafte das Bezirksamt Baden X.________ wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand und Nichtbeherrschens des Fahrzeugs mit Unfallfolge mit 30 Tagen Freiheitsstrafe bedingt und Fr. 5'000 Busse. X.________ erhob gegen diesen Strafbefehl Einsprache. 
 
Am 19. Mai 2008 verurteilte der Bezirksgerichtspräsident 3 von Baden X.________ wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeugs und Fahrens in angetrunkenem Zustand zu Fr. 3'000 Busse. 
 
Am 19. Juni 2009 wies das Obergericht des Kantons Aargau die Berufung von X.________ ab. 
 
Am 26. November 2009 wies das Bundesgericht die Beschwerde X.________s gegen dieses obergerichtliche Urteil ab. 
A.c Am 26. März 2010 teilte das Strassenverkehrsamt X.________ mit, dass es einen Führerausweisentzug in Erwägung ziehe und er sich dazu äussern könne. 
 
Am 3. Juni 2010 entzog das Strassenverkehrsamt X.________ den Führerausweis für sechs Monate. 
Am 24. November 2010 hiess das Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) die Beschwerde teilweise gut und senkte die Dauer des Führerausweisentzugs auf vier Monate. 
 
Am 8. September 2011 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau die Beschwerde von X.________ gegen diesen Departementsentscheid ab. 
 
B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________, dieses Verwaltungsgerichtsurteil aufzuheben und auf jegliche Massnahme zu verzichten oder eventuell eine Verwarnung auszusprechen. Ausserdem ersucht er, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen. 
 
C. 
Das Verwaltungsgericht und das DVI verzichten auf Vernehmlassung und verweisen auf den angefochtenen Entscheid. Das Strassenverkehrsamt verzichtet unter Verweis auf seine Verfügung und seine Stellungnahmen im kantonalen Verfahren auf Vernehmlassung. 
 
D. 
Am 25. November 2011 erkannte der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu. 
 
E. 
Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) beantragt ohne Begründung, die Beschwerde abzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über einen Führerausweisentzug. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer rügt, das Verwaltungsgericht habe das Bundesrecht unrichtig angewandt, was zulässig ist (Art. 95 lit. a, Art. 97 Abs. 1 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb auf die Beschwerde mit folgender Einschränkung einzutreten ist: 
 
1.2 Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid, teilweise unter Verweis auf den Entscheid des DVI, eingehend begründet, weshalb es "unter Berücksichtigung der massiven Verkehrsgefährdung, des Verschuldens unter Berücksichtigung der stark verminderten Zurechnungsfähigkeit, des langjährigen, ungetrübten automobilistischen Leumunds und der lediglich leicht erhöhten Massnahmenempfindlichkeit" (angefochtener Entscheid E. 6 S. 13) die Entzugsdauer von vier Monaten für angemessen hält. Der Beschwerdeführer kritisiert diese Ausführungen nicht substanziell, sondern bringt dazu im Wesentlichen nur vor, alle Zumessungsgründe sprächen für ihn, weshalb von vornherein nur die gesetzlich vorgesehene minimale Entzugsdauer von drei Monaten in Frage komme. Das genügt den Anforderungen an die Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 2 BGG) nicht. Darauf ist nicht einzutreten. 
 
2. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, die überlange Verfahrensdauer bzw. die Verletzung von Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK rechtfertige das Absehen von einer Massnahme bzw. allenfalls die Erteilung einer Verwarnung. 
 
2.1 Nach Art. 16 Abs. 3 Satz 2 SVG darf die Mindestentzugsdauer nicht unterschritten werden. Das gilt nach der Rechtsprechung auch bei einer Verletzung des Beschleunigungsgebots von Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Offen gelassen wurde die Frage, ob bei einer schweren Verletzung dieses Anspruchs, die anderweitig nicht behoben werden kann, ausnahmsweise gänzlich auf eine Massnahme verzichtet werden kann (BGE 135 II 334 E. 2.2, 2.3; Urteile 1C_485/2011 vom 16. Januar 2012 E. 2.3; 1C_383/2009 vom 30. März 2010 E. 3.2). 
 
2.2 Die Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer gemäss Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK entzieht sich starren Regeln. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob sich die Dauer unter den konkreten Umständen als angemessen erweist. Der Streitgegenstand und die damit verbundene Interessenlage können raschere Entscheide erfordern oder längere Behandlungsperioden erlauben. Zu berücksichtigen ist der Umfang und die Komplexität der aufgeworfenen Sachverhalts- und Rechtsfragen, das Verhalten des Beschuldigten und dasjenige der Behörden (z.B. unnötige Massnahmen oder Liegenlassen des Falles) sowie die Zumutbarkeit für den Beschuldigten (BGE 130 I 269 E. 3.1 S. 273; Urteil 6B_801/2008 vom 12. März 2009 E. 3.3; je mit Hinweisen). Die Parteien dürfen von ihren prozessualen Rechten Gebrauch machen, müssen sich aber dadurch verursachte Verfahrensverzögerungen anrechnen lassen (GEROLD STEINMANN, in: Die schweizerische Bundesverfassung, 2. Aufl. 2008, N. 12 zu Art. 29 BV). Von den Behörden und Gerichten kann zudem nicht verlangt werden, dass sie sich ständig einem einzigen Fall widmen. Zeiten, in denen das Verfahren stillsteht, sind unumgänglich. Wirkt keiner dieser Zeitabschnitte stossend, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Dabei können Zeiten mit intensiver behördlicher oder gerichtlicher Tätigkeit andere Zeitspannen kompensieren, in denen aufgrund der Geschäftslast keine Verfahrenshandlungen erfolgten (BGE 130 IV 54 E. 3.3.3 S. 56 f.; 130 I 312 E. 5.2 S. 332; 124 I 139 E. 2c S. 141 ff.; je mit Hinweisen). In der Praxis hat das Bundesgericht einen Zeitbedarf von 13 Monaten zwischen Delikt und Regierungsratsentscheid (BGE 135 II 334) und von gut 4 bzw. 5 Jahren zwischen Delikt und bundesgerichtlichem Urteil über die Administrativmassnahme als übermässig beurteilt (Urteile 1C_383/2009 vom 30. März 2010 und 1C_445/2010 vom 30. November 2010; Zusammenfassung der Rechtsprechung in 1C_485/2011 vom 16. Januar 2012 E. 2.3). 
 
2.3 Zwischen der Trunkenheitsfahrt des Beschwerdeführers und ihrer rechtskräftigen administrativen Sanktionierung durch das Bundesgericht, welche mit dem vorliegenden Urteil ca. Ende März 2012 erfolgen sollte, liegt ein Zeitraum von rund 6 Jahren und 2 Monaten, was allein schon wegen der absoluten Dauer des Verfahrens Bedenken erwecken mag. Allerdings ist ein hoher Zeitbedarf systemimmanent. Das Straf- und das Administrativverfahren wurden, was regelmässig der Fall ist und auch vom Beschwerdeführers selber beantragt wurde, getrennt und nacheinander geführt. In beiden Verfahren ist ein zwei- (Bezirksgericht, Obergericht, Bundesgericht) bzw. dreistufiger (Strassenverkehrsamt, DVI, Verwaltungsgericht, Bundesgericht) Rechtsmittelzug gewährleistet. Der Beschwerdeführer schöpfte die Anfechtungsmöglichkeiten vollständig aus, womit sich nebst dem Strassenverkehrsamt und dem Bezirksgericht als erste Instanzen fünf Rechtsmittelinstanzen mit seinem Fall zu beschäftigen hatten. Ein derart ausgebauter Rechtsschutz kostet naturgemäss viel Zeit, auch wenn die Verfahren mit der gebotenen Beförderung geführt werden. Im Einzelnen: 
2.3.1 Die Trunkenheitsfahrt des Beschwerdeführers erfolgte am 25. Januar 2006. Der Strafbefehl erging am 9. Mai 2006, das erstinstanzliche Urteil am 19. Mai 2008, das obergerichtliche am 19. Juni 2009 und das bundesgerichtliche am 26. November 2009. Das Strafverfahren allein beanspruchte somit insgesamt rund 3 Jahre und 10 Monate. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Bezirksgericht nach der Anfechtung des Strafbefehls rund zwei Jahre für den Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens benötigte, was sich mit der notorisch zeitraubenden Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zumindest teilweise plausibel erklären lässt. Das spielt indessen insofern keine Rolle, als sich der Beschwerdeführer im Strafverfahren weder vor Obergericht noch vor Bundesgericht über eine Verletzung des Beschleunigungsgebots beklagt hat. Nach Treu und Glauben kann er unter diesen Umständen nach dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens nicht geltend machen, es habe zu lange gedauert. Die Dauer des Strafverfahrens fällt damit für die Beurteilung der Rüge der Verletzung des Beschleunigungsgebots prinzipiell ausser Betracht. 
2.3.2 Das Verwaltungsverfahren wurde vom Strassenverkehrsamt am 3. Juni 2010, gut 5 ½ Monate nachdem es am 11. Dezember 2009 die Akten des abgeschlossenen Strafverfahrens erhalten hatte, erstinstanzlich abgeschlossen. Dieser Zeitbedarf ist verfassungs- und konventionsrechtlich nicht zu beanstanden. 
 
Am 24. November 2010 entschied das DVI über die Beschwerde und stellte den begründeten Entscheid dem Beschwerdeführer am 28. März 2011 zu. Das Urteil des Verwaltungsgerichts datiert vom 8. September 2011 und wurde dem Beschwerdeführer am 27. September 2011 - mithin rund 1 Jahr 10 Monate nach dem Abschluss des Strafverfahrens - zugestellt. Bis zum Abschluss des Verfahrens durch das Bundesgericht mit dem vorliegenden Urteil dürften etwa weitere 6 Monate verstrichen sein. Damit wird das Administrativverfahren von seiner Wiederaufnahme nach dem Abschluss des Strafverfahrens bis zu seiner rechtskräftigen Erledigung rund 2 Jahre 4 Monate gedauert haben. 
 
Das erscheint bei einem dreistufigen Rechtsmittelzug nicht übermässig. Vorliegend beanspruchte jede der mit der Sache befassten Rechtsmittelinstanzen im Durchschnitt rund 7 ½ Monate. Ein solcher Zeitbedarf ist keine Seltenheit und hinzunehmen. 
2.3.3 Ist somit davon auszugehen, dass weder im Straf- noch im Verwaltungsverfahren gegen das verfassungs- und konventionsrechtliche Beschleunigungsgebot verstossen wurde, ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf Beurteilung innert angemessener Frist nicht verletzt. Die Rüge ist unbegründet. 
 
3. 
Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrsamt, dem Departement Volkswirtschaft und Inneres sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 1. Kammer, und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 19. März 2012 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi